Bischof Karl-Heinz Wiesemann nimmt am 4. Juli 2015 im KZ-Auschwitz Birkenau (bei Oswiecim, Polen) an einer Führung teil.
Kriege, Klimawandel, wirtschaftliche Not

Speyerer Bischof Wiesemann sieht Krise und Epochenwechsel

Speyer  ‐ Kirche im Wandel: Bischof Wiesemann über die Rolle in globalen Krisen, die Herausforderung durch die AfD und die Notwendigkeit von Reformen.

Erstellt: 02.02.2024
Aktualisiert: 01.02.2024
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Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann sieht die Welt in einem Epochenwechsel. Dieser epochale Umbruch bringe „wahnsinnige Herausforderungen“ für Gesellschaft und Kirche mit sich, sagte Wiesemann am Donnerstag vor Journalisten in Speyer. Die Nachkriegsepoche sei von einer Überwindung des Nationalismus, von Versöhnungsideen und dem Aufbau großer weltweiter Institutionen geprägt gewesen. Nun zeigten sich große, krisenhafte Umbrüche. Machtzentren stellten sich gegeneinander. Die Folge seien „gewaltige Unruhen in vielerlei Hinsicht“, sagte der Bischof, der wegen einer Corona-Infektion zur Pressekonferenz digital zugeschaltet war.

Angesichts der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, des Klimawandels sowie wirtschaftlicher Not und deren sozialen Folgen müsse Kirche „ein Segensort inmitten der Welt sein“, sagte Wiesemann. „In einer Zeit, in der auch unser Miteinander in Staat und Gesellschaft von manchen immer unverhohlener angegriffen wird, ist es umso wichtiger, dass wir als Kirche aus der einenden und versöhnenden Kraft des Glaubens heraus den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.“

Der Bischof positionierte sich auch zur AfD. Deren „ausländerfeindliche, antidemokratische und nationalistische Grundhaltung“ sei mit dem christlichen Menschenbild und der Vorstellung einer freiheitlichen, demokratisch rechtsstaatlichen und sozialen Gesellschaft unvereinbar. „Wer die Überzeugungen dieser Partei teilt, kann aus meiner Sicht in der Kirche keine Verantwortung übernehmen“, sagte Wiesemann.

Mit Blick auf innerkirchliche Reformbemühungen sagte Wiesemann, die Weltbischofssynode in Rom habe deutlich gezeigt, welche „Weiterentwicklungen“ der katholischen Lehre und welche „konkreten Reformen“ notwendig seien. „Dazu gehören die Suche nach Formen echter Mitberatung und Mitentscheidung aller Gläubigen, eine deutliche Aufwertung der Rolle der Frau, einschließlich eines vertieften Nachdenkens über die Öffnung der Weiheämter für Frauen, sowie das Bemühen um eine veränderte Sexualmoral.“

Die vom Vatikan im Dezember veröffentlichte Erlaubnis für Segnungen homosexueller und unverheirateter Paare habe „die Türen der Kirche doch etwas geöffnet“, so Wiesemann. Er hoffe, dass die nun erneuerte pastorale Praxis „auch zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre führt“.

Es sei zudem die Frage, „ob es bei den großen Fragen, die wir haben, nicht richtig wäre, wieder ein Konzil einzuberufen“, sagte Wiesemann. Dabei gehe es nicht nur um die Sexualmoral, sondern etwa auch um die „immer noch offene Frage“ eines möglichen Diakonats der Frau.

Von Norbert Demuth (KNA)