Gauck: Ukraine braucht unsere Unterstützung
München ‐ Die Osteuropa-Solidaritätsaktion Renovabis wird 30. Bei einem Festakt in München empfahl der frühere Bundespräsident Joachim Gauck dem Westen, den Blick der Osteuropäer stärker wahrzunehmen.
Aktualisiert: 13.09.2023
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„Das westliche Europa braucht etwas von dem Geist der Zuversicht und der Freiheitsliebe, der etwa im Baltikum, in Polen, aber auch in Moldau vorherrscht“, sagte Gauck laut Redemanuskript am Dienstagabend in München beim Festakt zum 30-jährigen Bestehen des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine gelte es aus der Geschichte zu lernen: „Wir müssen jene unterstützen, die bereit sind, ihre Freiheit zu erkämpfen, oder wie jetzt – zu verteidigen.“
Gauck rief dazu auf, dafür zur Not auch erhebliche finanzielle Opfer zu erbringen. Noch wisse man nicht, auf welche Weise dieser Krieg enden werde. „Wir wissen aber, was auf dem Spiel steht – für die Ukraine, aber eben auch für uns, für die freien Nationen insgesamt.“ Russland habe die liberalen Demokratien in der EU und der Nato zu Feinden erklärt. Kriegsziel des Kreml sei nicht zwingend die physische Zerstörung, sondern die innere Aushöhlung „unserer Strategiefähigkeit, unseres Willens und unserer Werte“.
Russland habe die Kriegsführung auf nicht-militärische Ansätze ausgedehnt, erklärte der einstige Bundespräsident. Dazu gehörten Desinformation und Propaganda, wirtschaftliche, kulturelle und humanitäre Sabotage. Auch Drohungen mit Atomwaffen zählten dazu. „Als wehrhafte Demokratien müssen wir uns an diese Herausforderung anpassen und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir dürfen nicht in Angst erstarren.“ Menschen könnten ihre Ängste besiegen, wie vor über 30 Jahren in den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs.
Brückenbauer zwischen Ost und West
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte zuvor in der Vesper die Kirchen aufgerufen, zu Brückenbauern zwischen Ost- und Westeuropa zu werden. Sie dürften nicht Teil des Problems sein, sondern müssten zu Lösungen beitragen. Der Kardinal würdigte die Arbeit von Renovabis und dessen Beitrag zum Dialog. Denn auch wenn es nicht einfach sei, müsse immer wieder das Gespräch gesucht werden.
Zugleich erinnerte Marx an die Anfänge des Hilfswerks mit Sitz in Freising. Es war 1993 von der Deutschen Bischofskonferenz auf Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gegründet worden. Natürlich hätten nach der Wende erst Gebäude errichtet werden müssen. Aber bis heute gelte es vor allem auch, in Menschen und in ihre Motivation zu investieren, in ihre Köpfe und Herzen. Von Papst Johannes Paul II. stamme der Vergleich, dass Europa zwei Lungenflügel habe. Damit diese auch atmen könnten, müsse immer wieder das Gespräch zwischen Ost und West gesucht werden, damit die Entfremdung nicht größer werde.
An den Festakt schließt sich in den folgenden Tagen der Internationale Kongress Renovabis an. Er steht unter dem Motto „Freiheit, die ich meine. Europa zwischen Aufbruch, Ernüchterung und Bedrohung“.
Seit seiner Gründung hat Renovabis nach eigenen Angaben knapp 26.000 Projekte mit mehr als 842 Millionen Euro gefördert. Es ist in 29 ehemals kommunistischen Ländern aktiv, von Polen bis nach Kirgistan. 2022 erzielte das Hilfswerk das beste Spendenergebnis seiner Geschichte und nahm einschließlich Kollekten sowie Erbschaften 14,9 Millionen Euro ein.
KNA