Dialog zwischen den Generationen
Bonn ‐ Am 1. Januar eines jeden Jahres begeht die katholische Kirche den Welttag des Friedens. Der 55. Weltfriedenstag am 1. Januar 2022 wurde von Papst Franziskus unter das Motto „Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen“ gestellt.
Aktualisiert: 28.12.2022
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Dazu erklärt Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz:
„Die täglichen Nachrichten zeigen überdeutlich, dass der Friede, erst recht ein gesicherter und dauerhafter Friede, in weiter Ferne ist. Das gilt für viele Orte der Welt, auch für Europa: Die Ukraine-Krise lässt uns befürchten, dass es in der Nachbarschaft zu einem Krieg kommen könnte. Aber auch in den scheinbar saturierten Gesellschaften des Westens wachsen Unruhe und Polarisierung. Mancherorts macht sich Feindseligkeit breit. Der Zusammenhalt bröckelt, scharfe Auseinandersetzungen zeichnen sich ab.
In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2022 bedenkt Papst Franziskus die Konfliktsituationen unserer Zeit, verharrt aber nicht an der Oberfläche, sondern spürt ihren Tiefendimensionen nach. Er weitet die Perspektive und zeigt Wege auf, wie Gewaltverhältnisse ausgetrocknet und krisenhafte Zuspitzungen vermieden werden, wie Staaten und Gesellschaften Frieden finden können. Er erinnert daran, dass ‚Frieden zugleich Gabe aus der Höhe und Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung‘ ist.
In der Begegnung der Generationen zeigt sich in besonderer Weise die Fähigkeit der Menschen, zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden. ‚Dialog führen bedeutet anhören, sich auseinandersetzen, übereinkommen und miteinander vorangehen‘, schreibt der Heilige Vater. Wir sind aufgefordert, in einen die generationenübergreifenden Austausch zu treten, ‚um von der Geschichte zu lernen und die Wunden zu heilen, die uns zuweilen beeinträchtigen‘. Solidarität darf nicht nur denjenigen gelten, die durch gleiche Interessen und Herausforderungen verbunden sind. Sie übersteigt die eigene Gruppe und wird wahrhaft universal, indem sie zeitliche Grenzen überwindet. Wie ein Einsatz für das Gemeinwohl auch die künftigen Generationen einbeziehen muss, so ist Frieden nur auf Dauer möglich, wenn er die Lebenschancen der kommenden Generationen mitbedenkt.
Der Papst lenkt sodann den Blick auf die Bedeutung von Bildung, Erziehung und Arbeit als ‚bevorzugte Orte und Begegnungsstätten des generationenübergreifenden Dialogs‘. Bildung und Erziehung sind unverzichtbar, um im komplexen Alltag unserer Gegenwart zu bestehen. Investitionen in eine gute Bildung sind aber auch Voraussetzung, um ein tieferes Verständnis für Prozesse des Friedens zu entwickeln.
Dennoch sind die staatlichen Ausgaben für Bildung und Erziehung in den vergangenen Jahren zurückgegangen, wie Papst Franziskus beklagt. Stattdessen wird an der Rüstungsspirale gedreht, die Ausgaben für Militärgüter schnellen in die Höhe. Eine Friedensdividende, die sich nicht wenige vom Ende der Blockkonfrontation im ‚Kalten Krieg‘ erhofft hatten, ist schon lange nicht mehr auszumachen. Der Papst plädiert deshalb mit großer Entschiedenheit dafür, Abrüstungsverhandlungen erneut auf die internationale Agenda zu setzen, um Rüstungsausgaben zu senken und größere Investitionen in eine gute Zukunft, in Bildung, Erziehung, aber auch in klimagerechte Politik und weltweite Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.
Wenn Franziskus die Bildung anspricht, dann meint er weit mehr als den Erwerb von Wissen und technischen Fertigkeiten. Er setzt auf eine Bildung der Persönlichkeit und auf ‚die Entwicklung solidarischer Haltungen, die Fähigkeit, das menschliche Leben ganzheitlicher zu begreifen‘. Diese Herzensbildung ist notwendig, ‚um den menschlichen Beziehungen Qualität zu verleihen, damit die Gesellschaft selbst auf ihre Ungerechtigkeiten, Verirrungen sowie Machtmissbräuche in wirtschaftlichen, technologischen, politischen und medialen Bereichen reagieren kann‘, wie Franziskus bereits in seiner viel beachteten Enzyklika Fratelli tutti herausgestellt hat (vgl. ebd., 161).
Papst Franziskus erinnert auch an die verheerenden Auswirkungen der Pandemie für die Menschen, die in der informellen Wirtschaft arbeiten. Arme und Tagelöhner weltweit haben durch die Pandemie Einkommen und Lebensgrundlagen verloren. Es ist ‚dringender denn je, weltweit annehmbare und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fördern, die sich am Gemeinwohl und an der Bewahrung der Schöpfung orientieren‘.
In seiner Botschaft entfaltet der Heilige Vater die Grundüberzeugung, dass auch angesichts von Leid, Ängsten und Ungerechtigkeiten im Licht des Evangeliums immer ein Friedenshorizont aufscheint. Gelebte Solidarität und ein weites Herz sollen unsere Antwort auf den Frieden als Gabe des Himmels sein. Papst Franziskus nimmt zugleich die Regierenden in die Verantwortung, gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit anzugehen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die die menschliche Entwicklung fördern. Bildung, Erziehung und gute Arbeit sind Bausteine einer ‚Architektur des Friedens‘, die von uns nur in gemeinsamer Anstrengung und durch die Gnade Gottes errichtet werden kann.“ DBK