Ordensfrau hält Hände vors Gesicht
Machtmissbrauch häufig durch Oberinnen

Studie: Viele Ordensfrauen in Lateinamerika erlitten Missbrauch

Eine anonyme Erhebung der Lateinamerikanischen Ordenskonferenz CLAR deutet darauf hin, dass viele Ordensfrauen in Lateinamerika verschiedenen Formen von Missbrauch ausgesetzt waren oder immer noch sind. Die Ergebnisse wurden nun als Buch veröffentlicht.

Erstellt: 21.10.2022
Aktualisiert: 21.10.2022
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Wegen des Missbrauchs durch einen ausländischen Priester erhalte sie derzeit Psychotherapie, schreibt eine Ordensfrau in den Fragebogen der Lateinamerikanischen Ordenskonferenz CLAR. Sie werde spirituell begleitet, aber es sei sehr schmerzhaft gewesen, mit der Situation umzugehen.

Eine andere Ordensfrau berichtet von der Situation einer ehemaligen Mitschwester: „Wir waren drei Schwestern aus dem Orden (…) in einer Missionsgemeinschaft in (…). Alles schien gut zu laufen, aber dann wurde eine meiner Mitschwestern von einem Priester geschwängert. Sie musste dann in ihr Land zurückkehren und sich ihrer Mutterschaft als Alleinerziehende stellen“. Währenddessen stehe der Priester weiter am Altar und zelebriere das eucharistische Opfer. Das schmerze sie noch immer.

Zahlreiche Missbrauchserfahrungen von Ordensfrauen hat die CLAR-Safegaurding-Kommission gesammelt, ausgewertet und von Fachleuten einordnen lassen. Für die Studie haben 1.417 Ordensfrauen aus allen Ländern Lateinamerikas sowie aus den USA anonym über ihre Erfahrungen berichtet. Die kürzlich erschienene Studien-Zusammenfassung mit dem Titel Vulnerabilidad, abusos y cuidados en la vida religiosa femenina zeigt: Auch in den Kirchen der Region ist das Thema Missbrauch in all seinen Facetten weiterhin ein Tabu. Doch das wollen die Initiatorinnen und Initiatoren mit ihrer Untersuchung aufbrechen.

Die Ergebnisse der Befragung sprechen dann auch für sich. Fast jede fünfte Ordensfrau, die an der Befragung teilgenommen hatte, war vor ihrem Eintritt in den Orden Opfer sexuellen Missbrauchs geworden (19,8 Prozent). Fast ebenso viele (17,7 Prozent) berichteten, nach dem Eintritt in die Ordensgemeinschaft sexuelle Übergriffe und Missbrauch erlitten zu haben. Die Täter waren meist Laien oder andere Ordensleute.

Sehr weit verbreitet scheint zudem der spirituelle Missbrauch und der Missbrauch von Macht zu sein. 55,2 Prozent der Befragten gaben an, Machtmissbrauch selbst oder bei anderen erlebt zu haben – vorwiegend von Seiten der Ordensoberen. 30,3 Prozent gab an, in der Ordensgemeinschaft spirituellen Missbrauch erlebt zu haben.

Die meisten Antworten für die nun erfolgte Erhebung gingen aus Mexiko ein. Dort meldeten sich 429 befragte Ordensfrauen anonym. Aus Brasilien, Argentinien und Peru gab es jeweils mehr als 100 Teilnehmerinnen; aus Ecuador 79. Fast die Hälfte der Antworten stammten von Frauen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, die mehrjährige Erfahrung im Ordensleben haben.

Die Lateinamerikanische Ordenskonferenz CLAR, ein 1959 gegründeter Zusammenschluss nationaler Ordenskonferenzen aus Lateinamerika und der Karibik, hat ihren Sitz in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Mit ihrer Untersuchung nahm sie einen Appell der Lateinamerika-Kirchenversammlung auf. Die hatte im November 2021 gefordert, auf Missbrauchsbetroffene zuzugehen.

Von Damian Raiser / weltkirche.de

Mit Material von CLAR und der KNA