Der große Wunsch nach Veränderung, nach mehr Fairness in der Welt

Der große Wunsch nach Veränderung, nach mehr Fairness in der Welt

Porträt ‐ Mehr als 30 Mal hat Stefanie Frels, Länderreferentin im Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘, den afrikanischen Kontinent bereist und dabei viel erlebt - Tragisches, Berührendes und Mutmachendes. Manches davon treibt sie bis heute an.

Erstellt: 04.07.2021
Aktualisiert: 30.06.2021
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Als das Herz des dreijährigen Mädchens aufhört zu schlagen, hält Stefanie Frels es ganz fest in ihren Armen. Das völlig abgemagerte Kind hat es nicht geschafft, zu kraftlos war am Ende der kleine Körper. „Es war schrecklich und hat mich in diesem Moment verzweifeln lassen. Dieses Kind brauchte keine High-Tech-Medizin, sondern einfach nur genug zu essen“, sagt Frels. Die Erinnerungen an dieses Erlebnis vor einigen Jahren in Kenia sind plötzlich wieder präsent und haben sie bis heute nicht losgelassen. „In Deutschland ist immer etwas zu essen im Kühlschrank oder ich kann es mir im Supermarkt kaufen. Das ist für uns selbstverständlich, aber es ist ein absolutes Privileg.“

Stefanie Frels ist Afrika-Länderreferentin im Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ in Aachen. Seit 2002 arbeitet die 53-Jährige für das Hilfswerk der Sternsinger, hat den afrikanischen Kontinent mehr als 30 Mal bereist und dabei viel erlebt – auch gefährliche Situationen. Ausführlich reden über solche Ereignisse will sie nicht. Viel lieber erzählt Frels von den vielen Erfolgsgeschichten, von den Mut machenden Momenten, von Mädchen und Jungen, die sich mit der Hilfe des Kindermissionswerks und der Partner vor Ort zu starken, selbstbewussten Menschen entwickelt haben. „Ich sehe noch heute dieses 15-jährige Mädchen aus Somalia vor meinen Augen, einem Land, in dem Frauenrechte nicht viel zählen. Wie sie in ihrer Schulklasse plötzlich aufsteht und selbstsicher ihre Meinung vertritt. Da geht mir das Herz auf und ich habe wieder mal gedacht: Unsere Arbeit lohnt sich.“

Im Kindermissionswerk ist Stefanie Frels für Projekte in den Ländern Südsudan, Sudan, Somalia, Dschibuti, Kenia und Tansania zuständig. Auf ein Lieblingsland kann und will sie sich nicht festlegen. „Es geht für mich nicht darum, welches Land oder welche Region landschaftlich besonders schön sind. Ich mag die Orte, an denen sich die Menschen auf Augenhöhe und wertschätzend begegnen, wo eine Offenheit gegenüber dem anderen spürbar ist, und wo die Leute stolz sind auf das Erreichte.“ 

Fünf Jahre in Kenia

Ihre Liebe zu Afrika hat Stefanie Frels schon als Studentin entdeckt, bei einer vierwöchigen Reise durch Tansania. Später lebte die gebürtige Hildesheimerin fünf Jahre lang in Kenia, arbeitete in der Hauptstadt Nairobi am Goethe-Institut als Deutschlehrerin und an der Kenyatta University als Dozentin und brachte einen ihrer drei Söhne in dem ostafrikanischen Land zur Welt. Seit sie als Länderreferentin für das Kindermissionswerk arbeitet, ist Aachen ihre Heimat. Zahlreiche Erinnerungsstücke von ihren Reisen und Projektbesuchen schmücken mittlerweile ihr Zuhause. Mehrere handgeflochtene Körbe stehen in Wohnzimmer und Küche. Zu allem gibt es eine ganz persönliche Geschichte. Stefanie Frels holt einen Spielzeug-Jeep aus dem Regal hervor. Er ist aus Blechresten zusammengebaut, die Räder sind Deckel alter Spraydosen. Auf der Seite des weiß angemalten Jeeps ist die Abkürzung „UN“ zu erkennen. „Ich habe dieses Auto von Kindern im Kongo bekommen, als ich an einem von UN-Soldaten bewachten Checkpoint auf die Weiterreise warten musste“, erinnert sie sich und fügt nachdenklich hinzu: „Die Kinder dort kennen keine anderen Fahrzeuge als die der UN-Soldaten.“  

Wunsch nach mehr Fairness in der Welt

Es ist der große Wunsch nach Veränderung, nach mehr Fairness in der Welt, nach einer besseren Welt, der Stefanie Frels antreibt. „Wenn ich Kindersoldaten treffe, die so alt sind wie meine eigenen Kinder, die rot unterlaufene Augen haben, unter Drogen stehen, ein AK-47-Sturmgewehr tragen und selbst die schlimmsten Dinge erlebt haben, dann motiviert mich das für meine Arbeit. Denn diese Kinder haben keine Alternative gehabt“, sagt die dreifache Mutter und betont: „Aber wir stehen solchen und anderen Problemen nicht ohnmächtig und hilflos gegenüber.“ Als Hilfswerk könne man einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation leisten, zum Beispiel durch Bildung. „Wenn Kinder und Jugendliche Bildung erhalten und ihre Rechte kennen, können sie nicht mehr für dumm verkauft werden, gleichzeitig steigen ihre Chancen auf ein selbstverantwortliches Leben. Deshalb ist unsere Arbeit und die Unterstützung für die Mädchen und Jungen in der Welt so wichtig.“

175 Jahre Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘

Das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ feiert 2021 seinen 175. Geburtstag. Am 2. Februar 1846 wurde das Hilfswerk in Aachen gegründet. Den Anstoß gab Auguste von Sartorius, ein 15-jähriges Mädchen, das von der Not der Kinder in China und Afrika erfahren hatte. Unter dem damaligen Namen „Verein der heiligen Kindheit“ nahm die Hilfe für Mädchen und Jungen in aller Welt ihren Anfang in Aachen. Der Leitgedanke damals wie heute: „Kinder helfen Kindern!“ 1922 erhob Papst Pius IX. den Verein zum Päpstlichen Werk mit dem Namen „Päpstliches Missionswerk der Kinder in Deutschland“, heute heißt es das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘. Markenzeichen des Hilfswerks sind die Sternsinger, die jedes Jahr rund um den Jahreswechsel die Botschaft von Jesu Geburt zu den Menschen bringen und Spenden für Gleichaltrige in aller Welt sammeln.

Von Robert Baumann

© Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘