Bürgerkrieg in Myanmar – mit russischen Waffen
Bankok ‐ Seit mehr als einem Jahr herrscht in Myanmar eine Militär-Junta. Menschenrechtler und Widerstandsorganisationen haben bislang vergeblich ein internationales Waffenembargo gefordert.
Aktualisiert: 14.02.2023
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Putins Krieg gegen die Ukraine ist gerade mal zwei Wochen alt. In Myanmar führt das Militär einen doppelten Krieg. Seit mehr als sieben Jahrzehnten unterdrückt die Armee mit Waffengewalt die ethnischen Minderheiten. Den zweiten Krieg führt das Militär seit rund einem Jahr gegen das ganze Volk, das mit großer Mehrheit entschlossen Widerstand leistet.
Schwerpunkte des Bürgerkriegs sind die Unionsstaaten der ethnischen Völker der Chin, der Kachin und der Karen, die überwiegend dem christlichen Glauben angehören. Katholische Kirchen werden von der Artillerie beschossen, Dörfer von der Luftwaffe bombardiert. Katholische Priester, die Binnenvertriebenen helfen wollen, werden als „Terroristen“ verhaftet. Die Armee beschießt Flüchtlingslager und begeht brutale Massaker an der Zivilbevölkerung.
Seine Waffen bezieht das Militär seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 von Serbien, China, Belarus und vor allem Russland. Das geht aus dem am 22. Februar veröffentlichten Bericht „Ermöglichung von Gräueltaten: Waffentransfers von UN-Mitgliedstaaten an das Militär von Myanmar“ des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte in Myanmar hervor. „Trotz der Beweise, dass die Gräueltaten der Militärjunta seit dem Putsch (...) ungestraft begangen wurden, liefern die UN-Sicherheitsratsmitglieder Russland und China der Militärjunta von Myanmar weiterhin zahlreiche Kampfflugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge.“ Im selben Zeitraum habe Serbien den Export von Raketen und Artillerie an das Militär von Myanmar genehmigt, schreibt UN-Sonderberichterstatter Tom Andrews.
Im Juni 2021 stimmte die UN-Vollversammlung einer Resolution gegen Waffenlieferungen an Myanmars Junta zu. Die einzige Gegenstimme kam von Belarus, einem weiteren Hauptlieferanten. Die Resolution war jedoch das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben wurde. Zwar habe kein einziges Sicherheitsrats-Mitglied gegen die Resolution gestimmt, so Andrews. Aber der UN-Sicherheitsrat, dem Russland und China als ständige Mitglieder mit Vetorecht angehören, habe davon Abstand genommen, die Resolution für die Mitgliedstaaten verbindlich zu machen.
Deutsche Firma baute in Myanmar Gewehre und Landminen
Am 27. März 2021 feierte die Junta mit Pauken, Trompeten und Paraden den jährlichen „Tag der Armee“. Ehrengast und zudem erster offizieller Staatsgast seit dem Putsch war Generaloberst Alexander Fomin, stellvertretender Verteidigungsminister Russlands. Nur wenige Tage vor dem Putsch hatte Verteidigungsminister General Sergei Shoigu bei einem Besuch in Myanmar einen Vertrag über die Lieferung des modernen russischen Kurzstrecken-Flugabwehrraketen-Systems Pantsir-S1 geschlossen. Ein Jahr später bewies die Junta ihre Dankbarkeit mit einer sogar auch auf Russisch verfassten Lobpreisung des Angriffs auf die Ukraine.
Waffenlieferungen aus dem Ausland an das Militär von Myanmar, dem die Verfassung die Rolle eines Staats im Staate ohne Kontrolle durch die demokratisch gewählten Institutionen garantiert, waren auch vor dem Putsch Alltag. Mindestens bis 2018 versorgten laut dem Bericht von Andrews auch Länder wie Israel, Ukraine, Indien und Südkorea die Generäle im ehemaligen Birma mit militärischem Gerät.
Seit dem ersten Militärputsch in Birma vor 60 Jahren lieferte die deutsche Firma Fritz Werner mit dem Segen des westdeutschen Wirtschafts- und Verteidigungsministeriums G3-Sturmgewehre an die birmanische Armee und baute im Land Produktionsstätten für Gewehre, Mörsergranaten und Landminen auf. Auch mit G3-Gewehren schoss die Armee 1988 den Studentenaufstand und 2007 den Aufstand buddhistischer Mönche nieder.
Fliehende sind verzweifelt
„Die intime Beziehung zwischen den Westdeutschen und dem birmanischen Militär war ein sorgfältig gehütetes Geheimnis, bis durch den Aufstand für Demokratie (...) 1988 die Welt auf die Situation in Birma aufmerksam wurde“, schrieb das unabhängige Nachrichtenportal „Irrawaddy“ im Frühjahr 2017. In Folge der Sanktionen des Westens habe die Bundesrepublik dann begonnen, Birma zu kritisieren und die Waffenlieferungen offiziell eingestellt.
In Myanmar ist die dem Militär nahestehende Firma Dynasty International ein führender Waffenhändler, heißt es in dem am 17. Februar veröffentlichten Bericht des Netzwerks „Justice for Myanmar“ über die geschäftlichen und militärischen Verflechtungen südostasiatischer Firmen und Regierungen mit der Armee Myanmars. Darin berichtet die Organisation auch über Geschäftsbeziehungen von Dynasty International mit dem deutschen Flugzeughersteller Grob Aircraft, der seit 2015 an die myanmarische Luftwaffe 20 Trainingsflugzeuge vom Typ G 120TP geliefert habe. „Grob antwortete nicht auf Fragen zum aktuellen Status ihrer Geschäfte mit Dynasty International und dem Militär von Myanmar“, heißt es in dem Bericht.
Im Schatten des Kriegs von Wladimir Putin gegen die Ukraine geht die Junta in Myanmar weiter unter anderem mit russischen Waffen brutal gegen die eigene Bevölkerung vor. Ende Februar bombardierte die Luftwaffe das Dorf Lo Bar Kho im überwiegend christlichen Kayah. In dem Dorf hielten sich rund 3.000 Geflüchtete auf. Ein Mitarbeiter einer Flüchtlingshilfsorganisation der Karen sagte laut Irrawaddy: „Die Flüchtlinge mussten fliehen, ohne ihre Habseligkeiten mitzunehmen. Sie sind verzweifelt. Sie wissen nicht, wo jetzt noch ein sicherer Ort für sie ist.“
Von Michael Lenz (KNA)
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