Frage: Wie hoch stehen die Chancen, dass sich Präsident Maduro gegenüber den Forderungen der EU einsichtig zeigt?
Wilhelm: Maduro hat bislang jegliche Kritik an sich, seiner Führung und an seiner Politik ignoriert. Tendenzen zur Autokratie sind deutlich. Innen- wie auch außenpolitisch steht die Regierung Maduros unter Druck. Ich gehe davon aus, dass die Forderungen zunächst einmal nichts bewirken werden. Langfristig wird der Präsident jedoch seine Politik ändern müssen.
Frage: Die Opposition hat fast zwei Millionen Unterschriften für ein Amtsenthebungs-Referendum gesammelt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Referendum tatsächlich stattfindet und Maduro abgewählt wird?
Wilhelm: Maduro setzt alles daran, das Referendum soweit wie möglich hinauszuzögern, damit er die Präsidentschaft im kommenden Jahr an seinen Stellvertreter übergeben kann. Die Opposition hingegen zielt auf eine baldige Amtsenthebung. Die letzten Wahlen im Dezember 2015, bei denen die Opposition zwei Drittel der Sitze im Parlament erreichen konnte, drücken deutlich die Unzufriedenheit der Venezolaner mit der Regierung Maduros aus. In den Wahlen ging es weder um Personen noch um Konzepte oder Programme. Es war ein klares Votum gegen Korruption, Gewalt, Straflosigkeit, die maßlose Bereicherung einer kleinen Gruppe, Misswirtschaft, Inflation und die zunehmende Verschlechterung der Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Dingen des täglichen Bedarfs. Ich gehe davon aus, dass der Druck auf Maduro so stark werden wird, dass das Referendum noch in diesem Jahr stattfindet.
Frage: Inwiefern sind die Projektpartner von Adveniat von der Krise betroffen?
Wilhelm: Die Kirche ist Teil der Gesellschaft. Daher sind unsere Partner ebenfalls betroffen. Es ist schwierig, die Projekte umzusetzen: mal fehlt es an Baustoffen, mal an Lebensmitteln. Vielfach ist es zu gefährlich, das Haus zu verlassen. Hier ist Improvisationstalent gefragt. Die Situation erfordert auch von uns in Deutschland eine große Flexibilität und Geduld.
Das Interview führte Lena Kretschmann.
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