Nachrichten aus Pretoria
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Blog von Marita Wagner zum Theologie-Studium in Südafrika

Nachrichten aus Pretoria

Pretoria ‐ Praxisorientiert, diskussionsfreudig und nah am Menschen – so erlebt Marita Wagner ihr Theologie-Studium in Südafrika. Für zwei Auslandssemester hat es die 23-Jährige an die University of Pretoria verschlagen. In einem Blog berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Erstellt: 31.08.2015
Aktualisiert: 18.11.2022
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Im Alter von 23 Jahren zog es die Studierende der Theologie und gebürtige Koblenzerin Marita Wagner 2015 von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main für zwei Auslandssemester an die University of Pretoria. In einem Blog für das Internetportal Weltkirche berichtete sie vom Lernen und Leben in Südafrika.

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03.03.2016

Südafrika und seine Sprachverwirrung

Eine Diskussion um Afrikaans als Unterrichtssprache führte in den vergangenen Wochen zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Studenten an der Universität in Pretoria. Ein Bericht über den Kampf um Gleichberechtigung und das schwere Erbe der Apartheid in Südafrika.

Vergangene Woche sendete mir meine Freundin und ehemalige Mitbewohnerin ein Video aus Pretoria zu, das mich zutiefst schockierte. Besagtes Filmmaterial zeigt eine größere Menschenansammlung, bestehend aus Studierenden der University of Pretoria, die aggressiv auf das Sicherheitspersonal und weitere Angestellte losgehen. Die Auseinandersetzung eskaliert schließlich, als ein schwarzer Student rücklings einen der weißen Mitarbeiter anspringt und ihm mit geballter Faust ins Gesicht schlägt. Kommentiert wird diese Gewaltausschreitung durch das hämische Lachen eines Mädchens aus dem Hintergrund (selbst nicht im Video zu sehen), das schadenfroh applaudiert.

Für mich sind diese Szenen unbegreiflich und beängstigend zugleich. Sofort nehme ich Kontakt zu meinen ehemaligen Kommilitonen und Freunden, aber auch zu meinen Professoren auf und erkundige mich nach deren Wohlergehen. Zum Glück wurde niemand aus meinem Bekanntenkreis während der Ausschreitungen auf dem Campusgelände verletzt. Doch was ist vorgefallen, was ist der Auslöser für diesen derartigen Ausnahmezustand, der noch immer herrscht? Ich sprach in den letzten Tagen mit vielen verschiedenen Studierenden, sowohl weißen als auch schwarzen Südafrikanern. Dabei wurde ich mit vielen, zum Teil sehr unterschiedlichen Meinungen konfrontiert. Eines scheinen sie jedoch alle gemeinsam auszudrücken: ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit.

Worum geht es?

Der 22-jährige Jurastudent Vuyisile Malinga, selbst schwarzer Südafrikaner, hilft mir dabei, einen ersten Überblick über die Ausgangslage des Geschehens zu gewinnen: „In den vergangenen Wochen ist eine Protestbewegung aus Studierenden gewachsen, die sich dafür einsetzt, Afrikaans als die Sprache der weißen Südafrikaner und neben Englisch die derzeitige Unterrichtssprache an der Universität aufzugeben. Als sich letzte Woche jedoch das Managementpersonal der Universität mit den studentischen Vertretern traf, um die derzeitige Sprachenpolitik (Language Policy) zu besprechen, eskalierten die Demonstrationen auf dem Campus.“

Wer steht hinter der Protestbewegung?

Als ich nachfrage, wie diese studentische Initiative entstanden ist, erklärt mir Vuyisile weiter: „Es handelt sich hierbei um eine Anschlussbewegung an die „Fees-Must-Fall-Kampagne“ („Studiengebühren müssen fallen“), die Ende des letzten Jahres durch die sogenannte „UPrising“-Gruppierung gegründet wurde. Diese bestand damals ebenfalls aus Studierenden der University of Pretoria, die sich gegen eine Erhöhung der Studiengebühren stark gemacht hatte. Eine weitere Forderung vieler Studierender ist es nun, dass Afrikaans als Unterrichtssprache abgeschafft wird.“

Anders als bei der „Fees-Must-Fall-Kampagne“, so erläutert der evangelische Pfarrer Jacob Corzine, selbst Amerikaner, aber in Pretoria lebend, gibt es für die jetzige Protestbewegung keinen konkreten Auslöser. Auch sei zu beachten, „dass es keine einheitliche Bewegung der schwarzen Studierenden“ sei. Ihn persönlich enttäuscht es zu sehen, dass sich viele Studierende von einer Minderheit vertreten lassen, die „den Gebrauch von Gewalt für ein berechtigtes Mittel hält und auch bereit ist, diese anzuwenden“.

Grund für die Protestbewegung

Obwohl ich selbst vergangenes Jahr in Pretoria studiert habe und somit ein Bild von den zum Teil noch immer bestehenden gegenseitigen Vorurteilen und Vorwürfen der weißen und schwarzen Südafrikaner gewinnen konnte, frage ich Vuyisile nach dem genauen Grund, der sich hinter der Forderung der Protestierenden verbirgt: „Die ‚Afrikaans-Must-Fall-Bewegung‘ verfolgt das Ziel einer höheren Inklusivität und Integration an der Universität. Deshalb soll Afrikaans als ein Restbestandteil der Apartheid-Ära nicht mehr länger als Vorlesungssprache angeboten werden. Viele weiße Studierende, die demnach selbst afrikaanssprachig sind, glauben jedoch fälschlicherweise, es handele sich dabei um einen allgemeinen Angriff auf die Kultur und Identität der Afrikaaner, weshalb sie eine Gegenbewegung gegründet haben, die ‚AfrikaansSalBly‘ (Afrikaans soll bleiben). Es geht vielmehr darum, die Vormachtstellung der Afrikaans-Kultur an der hiesigen Universität aufzugeben, um eine gleichwertige und gerechte Repräsentation der verschiedenen afrikanischen Kulturen und Sprachen zu ermöglichen. Aus diesem Grund, so der Wunsch vieler Studierender, soll es in Zukunft nur noch ein einziges sprachliches Medium geben, durch das sich alle ausdrücken: Aus praktischen Gründen sollen alle Vorlesungen nur noch in Englisch angeboten werden. Zwar haben wir elf verschiedene Landessprachen, doch können diese unmöglich alle an der Universität vertreten werden.“

Rechtfertigung der Gewalt?

„Die Dekolonisierung in unserem Leben stellt das Leben eines jeden afrikanischen Kindes dar“, so Vuyisile im Fortgang unseres Interviews. „Wir müssen die institutionelle Exklusivität und den strukturellen Rassismus aufbrechen. Nur dann kann Versöhnung in unserem Land geschehen. Es ist eine Schande, dass ausgerechnet diejenigen, die am meisten unter diesen Ungerechtigkeiten leiden, nur dann gehört werden, wenn sie zu gewaltsamen Mitteln greifen.“

Auf Vuyisiles Aussage hin frage ich provokant zurück, ob seiner Meinung nach die Gewaltausschreitungen in diesem speziellen Falle somit gerechtfertigt seien. „Das ist keine einfache Frage. Ich kann nicht reinen Gewissens sagen, dass ich diese Gewalt dulde, aber ich kann die Unvermeidlichkeit verstehen, zu diesen Maßnahmen greifen zu müssen.“

„Wir müssen die institutionelle Exklusivität und den strukturellen Rassismus aufbrechen. Nur dann kann Versöhnung in unserem Land geschehen.“

—  Zitat: Vuyisile Malinga, Jurastudent

Konfrontation mit der Vergangenheit und die Angst um Identitätsverlust

Neben Vuyisile habe ich mich auch mit Nola Malan ausgetauscht. Sie studiert Theologie an der University of Pretoria und ist selbst weiße Südafrikanerin. Da ihre Muttersprache folglich Afrikaans ist, besucht sie auch die afrikaanssprachigen Vorlesungen. Anders als Vuyisile hat sie sehr wohl den Eindruck, dass durch die Protestbewegung nicht nur Afrikaans als Unterrichtssprache sondern die Kultur der weißen Südafrikaner insgesamt angegriffen wird. Auch wenn sie nachvollziehen kann, dass Afrikaans-Studierende, die stolz auf ihre Sprache und Kultur sind, eine Gegenbewegung gegründet haben, so betont sie ganz klar: „Beide Parteien müssen sich daran erinnern, was es bedeutet, respektvoll miteinander umzugehen. Respekt ist das Mindeste, was sich alle Beteiligten entgegenbringen müssen, auch wenn sie vielleicht nicht die Standpunkte des jeweils anderen verstehen bzw. akzeptieren können.“

Gestützt wird ihre Aussage ebenfalls durch Jacob Corzine, der eine „Verschiebung des Gegenstands der Debatte“ beobachtet: „Als ich das Thema an einem Abend intensiver mit meinen Studenten besprach (übrigens eine ethnisch sehr gut gemischte Gruppe), haben sie sich einigen können, dass es nicht um Sprache, sondern um Rassismus [...] geht.“ Im Zentrum der Proteste stehe seiner Meinung nach also vielmehr die empfundene Benachteiligung der Schwarzen seit der Apartheid.

Hilflosigkeit und offene Fragen

„Die Universität von Pretoria sollte ein Ort sein, an dem ich mich sicher fühle. Doch das ist momentan nicht der Fall“, gibt Nola zu bedenken. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich nur Fragen, jedoch keine Antworten. Einige Studenten sagen, Afrikaans sei die Sprache der weißen Unterdrücker und der Fremdherrschaft, und das war sie auch: vor 22 Jahren. Ich werde somit für die Sünden meiner Vorgänger bestraft, obwohl weder ich noch die restlichen Menschen meines Alters etwas mit der Apartheid zu tun hatten und haben. Ich bin ganz ausdrücklich gegen die Apartheid und die damit verbundenen geschichtlichen Ereignisse. Natürlich ist es wichtig, unsere Geschichte in Erinnerung zu behalten, aber zugleich müssen wir diese grausame Vergangenheit hinter uns lassen und unseren Weg weitergehen. Wir als ein Land müssen vereint zusammenstehen.“

„Einige Studenten sagen, Afrikaans sei die Sprache der weißen Unterdrücker und der Fremdherrschaft, und das war sie auch: vor 22 Jahren. Ich werde somit für die Sünden meiner Vorgänger bestraft, obwohl weder ich noch die restlichen Menschen meines Alters etwas mit der Apartheid zu tun hatten und haben.“

—  Zitat: Nola Malan, Theologiestudentin

Kritik aus den eigenen Reihen

Ein weiteres Statement hat vergangene Woche Josua Loots, weißer Südafrikaner und Mitarbeiter des Zentrums für Menschenrechte der University of Pretoria, veröffentlicht. Darin stellt er die kritische Frage, ob einige Gruppierungen wirklich noch im besten Wissen und Interesse der Afrikaans-Sprachigen handeln würden. Kämpfen sie wirklich für das Überleben der Afrikaans-Kultur? Oder geht es ihnen nicht doch eher um eine dauerhafte Implementierung einer Unterrichtssprache, die eine kleine weiße Minderheit bevorzugt? Nach Loots versuche man vielmehr ein ungerechtfertigtes Privileg und eine weiße Überlegenheit zu erhalten, was einer Chancengleichheit und Gleichberechtigung aller Studierenden im Wege stehe. Ihm zufolge sei es nur konsequent, alle Vorlesungen in Englisch anzubieten, auch wenn dies für keinen Afrikaner die Muttersprache sei, da der weltweite Arbeitsmarkt nun einmal in Englisch operiere. Zudem sei Englisch im südafrikanischen Kontext diejenige Sprache, die am wenigsten durch historische und soziale Geschehnisse negativ geprägt und belastet wurde. Damit Afrikaans als Kultur auch weiterhin eine Zukunft in Südafrika hat, müssten die Afrikaaner einen Stand gegen radikale Gruppierungen einnehmen und sich konstruktiv, durch eigene Introspektion, in die Debatte mit einbringen.

Jacob Corzine teilt die Meinung, dass man zu Englisch als der Hauptunterrichtssprache wechseln müsse: „Genügend Geschichten habe ich gehört von ‚Vorlesungen’, die tatsächlich darin bestehen, dass eine englische Übersetzung der afrikaansen Vorlesung oder gar Vorlesungsnotizen vorgelesen werden.“ Und auch in englischen Vorlesungen würden rücksichtslos Fragen in Afrikaans gestellt und beantwortet. Trotz allem spricht er sich gegen eine „Missachtung der Geschichte“ aus: „Die afrikaanse Sprache hat hier Platz, weil sie schon so lange Hauptsprache der Uni gewesen ist.“ Den Status quo sollte man seiner Meinung nach nicht einfach leichtfertig verwerfen. Zugleich merkt er aber auch an, dass die Debatte rund um den Sprachenwechsel nicht erst durch die Demonstrierenden initiiert wurde. Sollte durch die Protestbewegung dieser Wandel nun endgültig vollzogen werden, so kann man demnach nicht sagen, dass dieser erst durch das Aufbegehren der Studierenden herbeigeführt wurde.

Zeichen der Hoffnung?

Neben den bereits geschilderten gewaltbereiten Konfrontationen finden sich allerdings auch alternative friedliche Ansätze. So schildert mir Nola: „Studierende beiderlei Hautfarbe haben eine Gebetgruppe ins Leben gerufen und treffen sich seit letzter Woche jeden Morgen zu einem „Prayer Walk“. Es ist unglaublich zu sehen, wie Christen aller Konfessionen zusammenkommen und gemeinsam über das Universitätsgelände marschieren. Wir beten gemeinsam zu Gott und bitten ihn um Beistand in Zeiten dieser Not. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, über den Campus zu laufen und zu wissen, dass Gott unsere Gebete hört und, zu Seiner Zeit, eine Antwort geben wird. Wir glauben an die Einheit in Gott und dass wir zu seinem Volk werden können, indem wir all diesen Hass überwinden und stattdessen die Liebe zu unserem Nächsten sprechen lassen.“

Wie die University of Pretoria selbst verkündete, haben weitere Studierende eine Kampagne unter dem Namen „#ColourBlind“ (farbenblind) gestartet, die sich gegen rassistisch motivierte Gewalt richtet. Die Kampagne fordert alle Menschen dazu auf, ein Bild von sich selbst zusammen mit Freunden einer anderen Rasse zu machen und dieses auf der „#ColourBlind“-Facebookseite hochzuladen.

„Wir glauben an die Einheit in Gott und dass wir zu seinem Volk werden können, indem wir all diesen Hass überwinden und stattdessen die Liebe zu unserem Nächsten sprechen lassen.“

—  Zitat: Nola Malan, Theologiestudentin

War die Universität die ganze letzte Woche aufgrund der Demonstrationen und Ausschreitungen geschlossen, so wurde der Lehrbetrieb bei gleichzeitig erhöhtem Sicherheitspersonal zu Beginn dieser Woche wieder aufgenommen. Die verlorene Studienwoche soll durch das Kürzen der Semesterferien wieder eingeholt werden.

Zudem fand vergangenes Wochenende ein Gespräch zwischen der Kanzlerin der Universität, Frau Cheryl de la Rey, und den studentischen Vertretern beider Parteien statt, in dem die Beteiligten ihre Anliegen und Standpunkte zur Sprache brachten. An dieser Stammtischdebatte nahm auch der Minister für Higher Education and Training, Dr. Blade Nzimande, teil.  Er betonte dabei die Wichtigkeit, in eine fundierte Ausbildung der Jugend zu investieren, damit diese ihre Fähigkeiten dazu gebrauchen, an dem Aufbau und der Stärkung der nationalen Wirtschaft mitzuwirken. Die Studierenden forderte er deshalb dazu auf, mit dem Management der Universität zu kooperieren und in friedlichen Diskussionen nach neuen Lösungen zu streben. Die Gespräche zwischen der Universitätsleitung und den studentischen Gruppierungen werden somit fortgeführt.

Von Marita Wagner
04.01.2016

Grenzgänger zwischen zwei Welten

„Hallo, ich hätte gerne einen Crêpe mit Nutella and banana, please“, sage ich zu der Crêpe-Verkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt und ernte einen irritierten Blick. Erst dieser lässt mich meinen Sprachfehler bemerken. Es ist mein zweiter Tag in meinem „alten Leben“.

Eine dem sehr ähnliche Situation: Ich treffe einen der Hausmeister an meiner Hochschule in Frankfurt am Main. Er ist schwarzer Afrikaner und ohne nachzudenken begrüße ich ihn wie selbstverständlich mit den Worten „Hello Sir, how are you?“ – fühle ich mich doch direkt in mein südafrikanisches Leben zurückgeworfen. Auch er begegnet mir mit Überraschung und entgegnet, dass er Deutsch spräche.

Am 6.12. bin ich nach knapp einem Jahr Studium an der University of Pretoria aus Südafrika zurückgekehrt und lebe seitdem zwischen zwei Welten und deren Sprachen. Es war ein sehr intensives und vor allem prägendes Jahr.

Ein Raum der Begegnung

Auch im Nachhinein erachte ich es als ein Privileg, dass ich an der theologischen Fakultät der University of Pretoria studieren durfte.  Man trifft dort auf eine Lerngemeinschaft, in der jede und jeder respektiert und wertgeschätzt wird. Dies gilt sowohl auf menschlicher als auch auf akademischer Ebene. Diese außergewöhnliche Kultur der Offenheit und aufrichtigen Anteilnahme am Leben des Nächsten eröffnen einen neuartigen Raum zur Begegnung, eine Begegnung auf Augenhöhe aller Beteiligten. Getragen wird die soziale Gemeinschaft durch die Philosophie des Ubuntu („Ich bin, weil du bist“), die in Südafrika noch immer sehr stark den Umgang der Menschen untereinander definiert.   

Das Studium als solches zielt dabei nicht auf Uniformität sondern vielmehr auf Einheit in der Vielfalt ab. Dies spiegelt sich in der Verschiedenheit der Konfessionen wider, die an der Fakultät durch die Studierenden sowie Lehrenden repräsentiert werden. Die theologischen Unterschiede zwischen den Kirchen (die zwar benannt, aber nicht überbetont werden) ermöglichen vielmehr ein Voneinander-Lernen, als dass sie das gemeinsame Studieren behindern.

Den Professoren genügt es dabei nicht, dass die Studierenden lediglich im Unterricht anwesend sind. Es ist kaum möglich, unbeteiligt im Vorlesungssaal zu sitzen. Stattdessen erwarten die Lehrenden zu allen besprochenen Themen und theologischen Fragestellungen eine Einschätzung und persönliche Stellungnahme der Studierenden. Skripte auswendig zu lernen und die Meinung des Professors oder der Professorin wiederzugeben, ist somit nicht ausreichend. So sollte ich beispielweise in meiner Abschlussprüfung in Liturgie (Thema: „Predigen im Kontext der Armut“) methodisch und inhaltlich darlegen, wie ich in einer Gemeinde über das Phänomen der Teenagerschwangerschaften predigen würde, welches in Südafrika sehr verbreitet ist. Dabei sollte ich berücksichtigen, dass sich in besagter Gemeinde ebenfalls kürzlich eine Teenagerschwangerschaft ereignete und die junge unverheiratete Mutter nun von der Gemeinde ausgestoßen wird.

„Wir sind hier eine große Familie“

„Wir sind hier eine große Familie“, erklärt die Sekretärin des Dekans meiner Fakultät, als ich mich kurz vor Abreise von ihr verabschiedete. Diese Selbstbezeichnung verdeutlicht abermals die herzliche Atmosphäre sowie das große Vertrauen, das man einander entgegenbringt. Während meines ersten Monats an der Fakultät war ich sehr verunsichert über den privaten und persönlichen Umgang untereinander – auch mit den Lehrenden. Im späteren Verlauf lernte ich dies jedoch sehr zu schätzen. Zu wissen, dass man sich anderen Menschen derartig offenbaren konnte, ohne dass mit diesen intimen Informationen Missbrauch betrieben wurde oder diese an Dritte gelangten, machte das Studium um ein Vielfaches entspannter. Man wurde von der Gemeinschaft getragen, was den Leistungsdruck deutlich verminderte.

Diese Eigenschaft führte letztlich zu einer Ausgewogenheit zwischen akademischem Studium und „angewandter Theologie“, die sich im gelebten Glauben ausdrückte, sodass eine Symbiose aus Theorie und Praxis stattfand. „Wir sind nicht nur Akademiker und Wissenschaftler, wir sind in erster Linie vor allem Seelsorger“, erklärte mir einer der Professoren, als ich ihn auf meine ersten Beobachtungen an der Fakultät ansprach. Er plädierte auch dafür, dass wir keine Theologie im „Elfenbeinturm“ betreiben dürften, sondern stattdessen gemäß des Taufbefehls in Matthäus 28 hinaus in die Welt gehen und dem Leben zugewandt sein müssten. „Eine Theologie, die nicht für und mit den Menschen betrieben wird, bleibt inhaltsleer und damit bedeutungslos.“

In diesem Sinne kann man nur das enorme Engagement der Professorinnen und Professoren anerkennend hervorheben. Über Facebook, den Nachrichtendienst „Whats App“ oder auch die private Handy- sowie Festnetznummer sind sie selbst nach offiziellem Dienstschluss für Fragen zur Vorlesung, Hausarbeit, Prüfung oder auch bei persönlichen Problemen ansprechbar und bestärken ihre Schützlinge sogar darin, Gebrauch von dieser Hilfestellung zu machen.

„Eine Theologie, die nicht für und mit den Menschen betrieben wird, bleibt inhaltsleer und damit bedeutungslos.“

—  Zitat: Prof. Ernest van Eck, Department of New Testament Studies

Neben meiner akademischen Weiterbildung hat das Auslandsjahr auch meine persönliche Entwicklung entscheidend beeinflusst. Ich habe auf neue Weise gelernt, das Fremde und Andersartige (Kultur, Mentalität, Glaube etc.) als Bereicherung wertzuschätzen. Fremd oder anders bedeutet nicht automatisch minderwertig oder unterentwickelt, so wie Afrika nicht gleich Afrika ist. Ich habe demnach meine Scheu vor dem Unbekannten und meine Berührungsängste abgelegt, bin nach diesem Jahr ausgeglichener, offener, lebendiger und aktiver geworden.

Licht- und Schattenseiten

Für mich als Geisteswissenschaftlerin war es ein wichtiger Ausgleich und ein Gegengewicht zu meinem bisherigen Studium. Ich bin mit dem südafrikanischen Leben und seinen alltäglichen Herausforderungen in Berührung gekommen. Dabei habe ich beeindruckende Persönlichkeiten wie Father Michael Lapsley, Freiheits- und Friedenskämpfer zur Zeit der Apartheid, kennenlernen und mit ihm arbeiten dürfen. Heute therapiert er Opfer der Apartheid, die schreckliche Traumata aus dieser Zeit davongetragen haben.

Im Rahmen einer Vorlesung bin ich auch näher mit einer Frau aus Burundi in Kontakt getreten und konnte von ihr lernen. Vor acht Jahren musste sie mit ihren vier Kindern nach Südafrika fliehen, da in ihrer eigenen Heimat Krieg herrschte. Während diesem musste sie mit ansehen, wie ihre gesamte Familie von Soldaten ermordet wurde. Ihr Mann, der vor ihr nach Südafrika geflohen war, hatte bei ihrer Ankunft bereits eine neue, südafrikanische Frau geheiratet, sodass sie die gemeinsamen Kinder nun alleine großziehen muss. Da sie nicht in Südafrika sondern Burundi studiert hat, wird ihre Ausbildung nicht anerkannt, sodass sie keine Festanstellung finden kann. Und ohne diese erhält sie keine legale Aufenthaltsgenehmigung.

Nicht zu vergessen sind aber auch die sogenannten Xenophobia Attacks (Xenophobie = Ausländerfeindlichkeit), die sich im April und Mai in Durban sowie Johannesburg ereigneten. Es fanden dabei gewaltsame Angriffe, ausgeübt von schwarzen Südafrikanern, auf Migranten aus anderen afrikanischen Ländern statt, die beschuldigt wurden, den Einheimischen die Arbeitsplätze wegzunehmen. Aus dem ehemaligen Kampf zwischen Weißen und Schwarzen wurde ein Kampf zwischen Schwarzen und Schwarzen. Bei diesen Übergriffen starb auch der Cousin meines äthiopischen Studienfreundes, wodurch die Gefahr und Tragik der Ereignisse plötzlich noch viel realer für mich wurde.

Besonders diese Extrembeispiele haben mich als angehende Theologin wachsen lassen, wurde ich doch dazu herausgefordert, neue Denkansätze und Antworten zu entwickeln, um letztlich Trost und Hoffnung spenden zu können. Ich habe auf praktische Weise erfahren, dass Theologie nur unter Berücksichtigung des Kontextes gelingen kann und folglich auf die individuelle Lebenslage und die Nöte der Menschen einzugehen hat, um für deren Leben von Bedeutung zu sein.

„In mir stellte sich ein tiefes Bewusstsein dafür ein, dass ich gerade genau dort bin, wo ich sein soll und wo Gott mich sehen möchte.“

—  Zitat: Marita Wagner

Ab der zweiten Hälfte meines Aufenthaltes konnte ich außerdem feststellen, dass ich mich dem südafrikanischen Leben, seiner Kultur und Mentalität bereits sehr verbunden fühlte. Es gelang mir, mich dem Unbekannten vollständig zu öffnen und mich darauf einzulassen. Und schließlich stellte sich in mir ein tiefes Bewusstsein dafür ein, dass ich gerade genau dort bin, wo ich sein soll und wo Gott mich sehen möchte.

Ich war schließlich nicht mehr nur ein „Gast“ oder „die Austauschstudentin aus Deutschland“, ich wurde Teil der theologischen Familie und somit ein vollwertiges Mitglied. Bei meiner Abschiedsfeier an der Fakultät meldeten mir meine Kommilitonen sowie die Lehrenden zurück, dass ich für sie eine Einheimische geworden sei.

Zurück in Deutschland

Dass ich dermaßen in das südafrikanische Leben eingetaucht bin, macht den Wiedereinstieg in Deutschland nun umso schwerer. Jeden Tag stehe ich mit meinen südafrikanischen Freunden und Professorinnen wie Professoren in Kontakt, die mich fragen, wann ich zurückkehren werde. In Deutschland hingegen kann niemand richtig verstehen und nachvollziehen, was ich während des Jahres erlebt habe und es gestaltet sich schwierig, diese emotionalen Gefühle Außenstehenden nahezubringen. Ich bewege mich parallel zwischen zwei sehr unterschiedlichen Welten und Kulturkreisen.

„Mach’s wie Gott, werde Mensch“. Dieser Ausspruch vom ehemaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus kam mir während dieses Jahres immer wieder in den Sinn. Er symbolisiert das menschliche Miteinander sowie die gelebte Nächstenliebe, die die theologische Fakultät in Pretoria auszeichnen und in denen das menschgewordene Wort Gottes, Jesus Christus, für mich äußerst eindrucksvoll offenbar wurde. Mein eigenes Menschsein wurde stark verändert. In diesem Sinne erhielt das Weihnachtsfest als Fest der Menschwerdung Gottes und Abschluss dieses besonderen Jahres nochmals eine ganz neue Bedeutung für mich.

Von Marita Wagner
29.10.2015

Gleicher Zugang zu Bildung für alle?

„Jesus stands for justice“, schrieb mein Kommilitone Kabelo Motlhakane vergangenen Freitag auf ein Plakat und setzte sich damit zusammen mit mir und anderen Studierenden der Universität von Pretoria für einen fairen und gleichen Zugang aller jungen Südafrikaner zu Bildung ein ...

Viel hat sich in der vergangenen Woche an den südafrikanischen Universitäten ereignet, darunter auch an der University of Pretoria. So wurde bekannt gegeben, dass aufgrund der Einschränkung staatlicher Fördergelder die Registrierungsgebühren für das neue Studienjahr 2016 für südafrikanische Studierende um 50 Prozent angehoben werden sollen. Für Studierende der direkten Nachbarländer war ein Anstieg um 300 Prozent und für internationale Studierende wie mich sogar um 700 Prozent vorgesehen. Auch die Studiengebühren selbst sollten um 10 Prozent steigen.

Konkret bedeutet dies, dass Südafrikaner zukünftig umgerechnet 501 statt 335 Euro Registrierungsgebühr entrichten müssten. Für Studierende der Nachbarländer wären es nach dem Anstieg 1.331 Euro und für internationale Studierende satte 2.662 Euro.

Als mich ein Kommilitone über diese geplante Neuerung informierte kam mir sehr schnell der bedrückende Gedanke: Wäre ich nur ein Jahr später nach Südafrika gegangen, hätte auch ich mir das Auslandsstudium hier nicht mehr finanzieren können. Da kein Austauschprogramm zwischen meiner Hochschule in Frankfurt und der University of Pretoria besteht, muss ich die Registrierungs- und Studiengebühren selbst zahlen.

Große Sorge unter den Studenten

Die Beunruhigung in der Studierendenschaft war folglich groß. Als Reaktion darauf gründeten diese die Organisation „UPrising“ (UP = University of Pretoria,Uprising = Erhebung/Aufstand), die die Stimme der Studierenden repräsentierte und dabei mit dem „Student Representative Council“, der Studierendenvertretung, kooperierte.

Als Folge dieser Entwicklung verstärkte die Universität ihr Wach- und Sicherheitspersonal und Helikopter flogen seit Montag letzter Woche über das Universitätsgelände. Von Mittwoch an wurde der Betrieb an der Universität schließlich ganz eingestellt, da „UPrising“ für diesen Tag einen Protestmarsch ankündigte. Die Organisation hatte eine Liste mit Forderungen zu den geplanten Erhöhungen erstellt und überreichte diese am Ende der Demonstration der Direktorin der Universität, Cheryl de la Ray.

Am Tag darauf versammelten sich die Studierenden erneut auf dem Universitätsgelände und marschierten in einem friedlichen Demonstrationslauf durch Hatfield, wo sich der Hauptcampus befindet.

Höhepunkt der Proteste

Die Protestbewegung fand am Freitag, den 23. Oktober 2015 ihren Höhepunkt. Rund 15.000 Studenten versammelten sich und liefen geschlossen zu den Union Buildings, dem Sitz der südafrikanischen Regierung. Gemeinsam mit einigen meiner Kommilitonen nahm auch ich an dem Demonstrationslauf teil, der die ganze Zeit über friedlich verlief. „Fees must fall“ (= die Gebühren müssen fallen) war der Leitspruch und die Parole, die immer wiederholt und auf den Plakaten der Demonstranten zu lesen war. Meine Studienfreunde waren sich einig, dass dieser Protest die größte Bewegung seit dem sogenannten „Soweto Uprising“ von 1976 gewesen sei. Anders als damals, so mein Kommilitone Justin Strydom, hatte diese Demonstration jedoch nichts mit der Frage nach der Rassen- oder Kulturzugehörigkeit zu tun. Stattdessen sagt er: „Wir standen zusammen gegen ein politisches System ein, das versucht, uns an den Rand der Gesellschaft zu drängen.“

Und meine Freundin Meegan Lombard fügt hinzu: „Die UPrising-Bewegung verfolgt zwei Ziele: Zum einen spricht sie sich gegen eine Erhöhung der Registrierungsgebühren aus und zum anderen für ein gebührenfreies Studium im Allgemeinen. Dies ist für ein Land wie Südafrika, in dem die Mehrheit der Bewohner benachteiligt wird und nicht in der Lage ist, eine universitäre Ausbildung zu finanzieren, von größter Bedeutung.“

Die Situation eskaliert

Angekommen an den Union Buildings warteten die Studierenden auf die Ankunft des Präsidenten, Jacob Zuma, der um 12 Uhr mittags hätte zur Masse sprechen sollen. Als sein Erscheinen jedoch ausblieb, verursachte eine politische Untergruppierung Unruhen und randalierte. Dabei wurden Autoreifen sowie eine Dixi-Toilette angezündet. Sie rissen einen Teil des Zauns nieder, der die Demonstranten von den stationierten Polizisten trennte. Dabei wurden die Sicherheitsmänner mit Wasserflaschen und Steinen beworfen.

Mit Beginn dieser plötzlich gewaltsamen Ausschreitungen entschlossen sich meine Kommilitonen und ich, das Gelände aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Zudem wollten wir nicht mit diesem aggressiven Verhalten in Verbindung gebracht werden. Aus der Ferne konnten wir beobachten, wie die Polizei Tränengas und Wasserkanonen einsetzte, um die aufgebrachte Menge unter Kontrolle zu bringen. Zusätzlich machte sie aber auch Gebrauch von Blendgranaten, die das Seh- und Hörvermögen stark beeinträchtigen.

Präsident Zuma gibt nach

Nach dem harten Eingreifen der Polizei beruhigte sich die Lage wieder und gegen 15 Uhr verkündete Präsident Zuma schließlich in einer privaten Pressekonferenz, anstatt direkt an die Studierenden gewandt, dass es im neuen Studienjahr 2016 keine Erhöhung der Registrierungs- und Studiengebühren geben werde. Er hatte sich am gleichen Tag mit den Direktoren und Direktorinnen der Universitäten des Landes getroffen und war dabei zu dieser finalen Entscheidung gelangt.

Im weiteren Verlauf des Wochenendes bestätigte Cheryl de la Ray diese Information. Sie hatte als Direktorin der University of Pretoria an besagtem Treffen mit Zuma teilgenommen,. Darüber hinaus wird die Universität im kommenden Jahr 20 Millionen Rand (rund 1,3 Millionen Euro) an zusätzlichen Fördergeldern für bedürftige Studenten zur Verfügung stellen. Dieses Geld wird in die „National Student Financial Aid Scheme“ einfließen (NSFAS), eine Organisation, die Stipendien an junge Menschen aus armen und benachteiligten Familien vergibt, um ihnen so das Studium zu finanzieren.

Darüber hinaus verkündete Cheryl de la Rey, dass das Semester aufgrund des Vorlesungsausfalls um zwei Wochen verlängert würde, da viele Termine für Tests und Prüfungen verschoben werden mussten.

Geteilte Reaktionen der Studierenden

„Ein wichtiger Wendepunkt“

Die Meinungen der Studierenden zum Ausgang der Proteste fallen überwiegend positiv aus. So erklärt mein Kommilitone Kabelo Motlhakane: „Man muss ganz klar sagen, dass die Proteste friedlich verliefen. Es war lediglich eine kleine Gruppe von Individuen, die politische Ziele verfolgten und deshalb zu aggressiveren Maßnahmen griffen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Protest ein bedeutungsvolles Symbol der Einheit war, die unter den Studierenden herrschte. Diese Einheit unter den Studierenden kann wiederum einen großen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Dass die Registrierungs- und Studiengebühren 2016 nicht erhöht werden ist ein positiver Anfang, da sich die Regierung endlich eingestehen muss, dass ein gleicher Zugang zu Bildung zu gewährleisten ist. Es sollte aber auch darauf geachtet werden, dass finanzielle Fördermittel effektiver und nachhaltiger eingesetzt werden. So sollten diese in erster Linie an Studierende vergeben werden, die leistungsstark und lernbereit, aber sozial benachteiligt sind.

Die jungen Südafrikaner werden allzu oft als die ‚lost generation‘ (= verlorene Generation) bezeichnet, doch diese Woche haben wir unsere Stimme gegen ein ungerechtes System erhoben, das Gier und die Marginalisierung der schwachen und benachteiligten Menschen dieses Landes begünstigt. Ja, es gab einige unglückliche Vorkommnisse, doch die „Fees must fall campaign“ hatte ein übergeordnetes Ziel, welches mir sehr am Herzen liegt: eine realistische Möglichkeit hinsichtlich des Zugangs zu Bildung.“

Auch Meegan Lombard unterstützt diese Ansicht: „Es ist ein wichtiger Sieg für die Studierenden dieser Generation. Unsere Universität bietet eine sehr gute Ausbildung und wir haben viele intelligente junge Menschen, die begierig sind zu lernen und ihren gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Doch die außerordentlich hohen Gebühren, die für ein universitäres Studium in Südafrika anfallen, begrenzen diese leistungsbereiten Menschen in ihren Möglichkeiten, eine höhere Bildung zu erhalten. Die Proteste stellen meines Erachtens einen wichtigen Wendepunkt dar: Junge Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Zukunft und machen auf die Missstände des aktuellen politischen Systems aufmerksam.“

„Der Zugang zu höherer Bildung ist kein Recht, sondern ein Privileg“

Neben diesen optimistischen Stimmen äußern sich einige Studierende jedoch auch kritisch zu den Forderungen der Protestbewegung. In einem Gespräch erklärt mir Wilbri Vorster, ein weiterer Studienfreund: „Die Möglichkeit zu studieren ist in keinem Fall ein Recht, es ist ein Privileg! Studierenden, die hart an sich arbeiten und deren Familien bereits hart gearbeitet haben, sollte das Privileg eingeräumt werden, an weltweit anerkannten und akademisch herausragenden Universitäten wie der University of Pretoria studieren zu dürfen. Die Regierung, die für ihre Korruption bekannt ist, sollte mehr Gelder für Studierende zur Verfügung stellen, die akademisch hohe Leistungen erbringen, sich jedoch nicht in der Lage sehen, ihr Studium selbst zu finanzieren. Doch leider herrscht eine ‚Kultur des Kommunismus‘ unter vielen schwarzen südafrikanischen Jugendlichen. Sie denken, dass weil eine Person die Möglichkeit erhält zu studieren, alle anderen dieselbe Chance erhalten sollten – ungeachtet ihrer akademischen Leistungen. Doch dies ist keine Option. Man müsse den Standard der Universitäten herabsetzen, damit sich jeder einschreiben und seine Module bestehen kann, doch dies wird das akademische Niveau sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeiten der Absolventen erheblich verschlechtern. Dies ist der eigentliche Grund, warum die südafrikanischen Universitäten so teuer sind: um einen exzellenten und herausragenden Standard sicherzustellen, der sich durch neueste Ausstattungen und Technologien auszeichnet. Doch die Fördermittel der Regierung reichen dazu nicht aus.“

Epilog

Auch am Montag (26.10.2015) gingen die Proteste an der Universität weiter, da nach Ansicht radikal eingestellter Studenten noch nicht alle Forderungen erfüllt wurden. Aus diesem Grund mussten die Vorlesungen abgebrochen und die Fakultäten erneut geschlossen werden. Am Nachmittag fand ein Treffen zwischen der Direktorin Cheryl de la Ray und den Verantwortlichen der „UPrising“-Kampagne statt, bei dem ein Memorandum ausgearbeitet wurde. In diesem wurde nun festgehalten, dass auch die Mietpreise für die Studentenwohnungen nicht weiter angehoben werden. Die Essenspreise auf dem Campus sollen zudem reduziert werden, da diese über dem Marktpreis liegen. Die Universität verpflichtet sich außerdem, weitere Stipendien und finanzielle Unterstützung für benachteiligte Studenten zur Verfügung zu stellen. So wird sie für das kommende Studienjahr zusätzliche 20 Millionen Rand in das NFSAS-Programm einfließen lassen.

Von Marita Wagner
23.10.2015

Zukunft Familie

Nachdem ich in meinem vorherigen Artikel die verschiedenen Formen des Familienlebens in Südafrika skizziert habe, möchte ich nun gerne die von meinen südafrikanischen Professoren und Dozenten vorgeschlagenen Lösungsansätze präsentieren. In diesem Kontext stellen sich zwei zentrale Fragen ... Wir brauchen eine Kirche, die den Familien unabhängig von ihrer konzeptionellen Zusammensetzung dabei hilft, im Alltagsleben als ein Team zu agieren. Wie kann die Einheit und der enge Zusammenhalt in der Familie aufrechterhalten werden trotz der Herausforderungen, die heutzutage an junge Familien gestellt werden? Und wie kann Spiritualität überhaupt noch in einem schnelllebigen und streng getakteten Alltag praktiziert werden?“ Für Han Janse van Rensburg, Dozentin für Missionstheologie, sind dies die kritischen Rückfragen, die sich an die pastorale Seelsorge stellen.

Nachdem ich in meinem vorherigen Artikel die verschiedenen Formen des Familienlebens in Südafrika skizziert habe, möchte ich nun gerne die von meinen südafrikanischen Professoren und Dozenten vorgeschlagenen Lösungsansätze präsentieren. In diesem Kontext stellen sich zwei zentrale Fragen:

  • Wie kann Kirche ganz konkret auf die Bedürfnisse moderner Familien eingehen?
  • Wie können moderne Familien in den heutigen Verkündigungsdienst der Kirche integriert werden?

Welche Hilfestellungen kann die Kirche modernen Familien bieten?

Rückzugsorte bieten

„Die Kirche sollte jungen Familien praktische Lösungen anbieten, um das Familienleben mit dem kirchlichen Leben in Einklang bringen zu können. Familien brauchen einen Rückzugsort, an dem sie zur Ruhe sowie Besinnung kommen und somit Abstand von ihrem hektischen Alltagsleben finden können“, sagt van Rensburg.

Wichtig sei dabei aber auch, dass ein derartiger Raum die Bedürfnisse aller Gemeindemitglieder befriedige, so Cas Wepener, Professor für Praktische Theologie mit Schwerpunkt auf Liturgie: „In der Afrikaans-Gemeinde (= weiße Südafrikaner) werden noch sehr viele Familiengottesdienste angeboten, was grundsätzlich sehr erfreulich ist, da jedes Mal rund 30 bis 40 Familien zusammenkommen, um die Heilige Messe zu feiern. Diese besonders intime Atmosphäre führt allerdings zugleich dazu, dass sich andere Mitglieder vom Gottesdienst ausgeschlossen fühlen. Meine geschiedene Schwester beispielsweise besucht aus diesem Grund die Familiengottesdienste nicht mehr. Es muss folglich ein inklusiver Ansatz gefunden werden, der alle Gläubigen anspricht.“ Ergänzend fügt Prof. Wepener hinzu, dass die Form des Familiengottesdienstes nur in den Afrikaans-Gemeinden, nicht jedoch in den afrikanischen Kirchengemeinden (= schwarze Südafrikaner) angeboten werde.

Kinder- und Jugendkatechese

Des Weiteren nennt Dr. Willem Fourie, Dozent für Dogmatik und Christliche Ethik, die sogenannte Sunday School, welche jeden Sonntag vor oder nach dem Gottesdienst für Kinder und Jugendliche von sieben bis 16 Jahren angeboten wird und der Kinder- und Jugendkatechese entspricht. Oftmals würden die Eltern jedoch ihre Kinder lediglich für die Sunday School an der Kirche absetzen, ohne selbst am Gottesdienst teilzunehmen. Dr. Fourie beobachtet diesen Trend äußerst kritisch und mahnt deshalb an, dass die Kirche wieder verstärkt die Eltern als Adressaten ansprechen und attraktiver für diese werden müsse.  

Unterstützung bei der Erziehung

Neben diesem liturgischen Angebot, so die Dogmatik-Doktorandin Dr. Tanya van Wyk, müsse die Kirche den Eltern Unterstützung bei der Erziehung ihrer Kinder zukommen lassen. Dies könne zum einen durch die Einrichtung von Kindertagesstätten geschehen. Zum anderen sei es aber vor allem mit Fokus auf Südafrika unabdingbar, Kinder und Jugendliche über die Folgen von ungeschütztem Sex aufzuklären. Damit einher geht die Unterrichtung über den Umgang der Geschlechter miteinander und deren gegenseitigen Respekt voreinander.

Inwiefern können Familien in den Verkündigungsdienst der Kirche mit eingebunden werden?

Das Evangelium leben

„Taten sprechen lauter als Worte. Die frohe Botschaft des Evangeliums ist Gottes Liebe für alle Menschen unabhängig von Rasse, sozialer Klasse, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Der beste Weg für Familien, am Verkündigungsdienst teilzuhaben, ist, das Evangelium zu leben. Dies impliziert, dass Eltern und Großeltern ihren Kindern beibringen, was es heißt, allen Menschen mit dem gleichen Respekt zu begegnen und ihren Nächsten mit Würde zu behandeln“, beantwortet Dr. van Wyk die gestellte Frage.   

Und Han Janse van Rensburg merkt außerdem an, dass es weniger um die Frage ginge, wie Familien in gänzlich neue Aufgaben mit eingebunden werden können. Vielmehr müsse man ihnen vor Augen führen, wo sie im Leben stehen und in welchen Bereichen sie bereits integriert sind. Nach dieser Analyse müsse man gemeinsam überlegen, wie die Familien die Botschaft des Evangeliums in ihren spezifischen Lebenskontext einbinden können.

Angebote für unterschiedliche Familienkonzepte

Da es in Südafrika nicht mehr nur den einen traditionellen Entwurf von „Familie“ gibt, muss die Kirche individuell auf die unterschiedlichen Familienkonzepte eingehen – darin sind sich die Professoren einig. Aber wie kann das gelingen?

„Wir sollten uns darüber bewusst werden, was unseren christlichen Glauben in erster Linie prägt – die erlösende und transformative Liebe Gottes. Machen wir dies zu unserem Fokus, so ist es gleichgültig wie eine spezifische Familie zusammengesetzt ist“, plädiert van Rensburg.  Dieser Ansicht schließt sich auch Prof. Wepener an. Für ihn müsse die Vorstellung vom traditionellen Familienkonzept als dem alleinigen überwunden werden. Nur so könne Kirche an Attraktivität für andere Familien gewinnen und ein neuer Raum der Gastfreundlichkeit entstehen. Ein derartiger Wandel könne jedoch nur realisiert werden, so Prof. Wepener, wenn die Kirchengemeinde mit Blick auf diese Prozesse eine neue Kultur der Offenheit entwickele. Als Beispiel verweist er dabei auf die südafrikanische Initiative „The South African Partnership for Missional Churches“, die sich für eine Kirche einsetzt, die missionarisch agiert und die Herausforderungen ihrer Zeit ernst nimmt.

Kultur der Offenheit

Eine neue Offenheit fordert van Rensburg auch beim Thema Ehe und Sexualität. „Ich denke, dass die römisch-katholische Kirche die Möglichkeit ungenutzt lässt, die Themen Ehe und Sexualität klar zu benennen, besonders hinsichtlich junger Paare, die den Bund der Ehe eingehen möchten. Dies hat zur Konsequenz, dass die Kirche vor allem die Bedürfnisse junger Erwachsener unberücksichtigt lässt. Durch die vielen strengen Regeln bleibt wenig Raum für ein offenes Gespräch“, so der Missionstheologe weiter.

Diese Diskussion und die immer lauter werdenden Forderungen nach mehr Offenheit beim Thema Ehe und Partnerschaft kommen mir aus meiner Kirche in Deutschland mehr als bekannt vor. Trotzdem gibt es wesentliche Unterschiede, durch die sich das Familienverständnis in Südafrika von dem in meinem Heimatland unterscheidet, wie mir van Rensburg erklärt.

„Wir als Südafrikaner sind uns der Bedeutung der Familie noch deutlicher bewusst, vor allem auch der Großfamilie“, erläutert  er. In Europa dagegen sei der Begriff „Familie“ zu einem wesentlich kleineren Konzept zusammengeschrumpft, da er zumeist nur die direkten Familienangehörigen umfasse (zum Teil nicht einmal mehr die Großeltern).

Auch Dr. Tanya van Wyk ergänzt: „Das Familienleben in Afrika wird sehr stark betont. Du bist an erster Stelle Mensch, wenn du Teil einer Familie und Gemeinschaft bist. Es ist nicht einfach ‚Cogito ergo sum‘(‚Ich denke, also bin ich‘), sondern vielmehr ‘Ich bin Teil einer Familie und Gemeinschaft, und deshalb bin ich‘. Diese Vorstellung entstammt dem philosophischen Konzept des Ubuntu und ist heute nach wie vor sehr verbreitet.“

Erwartungen an die Familiensynode

Bezogen auf die Bischofssynode in Rom mahnt van Wyk, bei den spirituell-theologischen Diskussionen über Ehe und Familie nicht die Wissenschaft aus dem Blick zu verlieren. „Als südafrikanische Protestantin würde ich gerne sehen, dass die Kirche Notiz nimmt von wissenschaftlichen Forschungen und Studien in den Feldern der Biologie, Anthropologie sowie Ökologie. Die Kirche vergisst allzu oft, dass unser Menschsein nicht nur eine spirituelle sondern auch eine biologische Dimension beinhaltet. Diese Einsicht ist vor allem wichtig, wenn wir über Sexualität, Sex und den Zölibat diskutieren. Doch auch hinsichtlich der Familienplanung sind diese Erkenntnisse unabdingbar, da uns die Wissenschaft aufzeigt, dass unser Planet unter der Last einer immer größer werdenden Bevölkerung leidet.“

„Ich wünsche mir, dass sich die Kirche nicht mehr länger hinter Regeln versteckt, sondern sich auf die Gnade Gottes besinnt, die die Möglichkeit zum Dialog eröffnet und so Wachstum und Wandel bewirkt.“

—  Zitat: Han Janse van Rensburg, Department Science of Religion and Missiology

Han Janse van Rensburg findet die folgenden abschließenden Worte, die die Ansicht aller Befragten zusammenfassend widerspiegelt: „Ich wünsche mir, dass sich die Kirche nicht mehr länger hinter Regeln versteckt, sondern sich auf die Gnade Gottes besinnt, die die Möglichkeit zum Dialog eröffnet und so Wachstum und Wandel bewirkt. Ich erhoffe mir weniger Isolation und mehr ökumenische Arbeit.Wir sind alle durch denselben Christus erlöst. Je mehr wir zusammenarbeiten, desto tiefer wird unser Verständnis und die praktische Anwendung unseres Glaubens ausfallen.“

Von Marita Wagner
14.10.2015

Rainbow nation – rainbow families

Wie schätzen die südafrikanischen Theologen das heutige Familienleben ein? Welche Familienkonzepte existieren in Südafrika? Vor welchen Herausforderungen stehen Familien in Südafrika? Anlässlich der Weltbischofssynode zum Thema Ehe und Familie, die aktuell in Rom tagt, habe ich eine Umfrage innerhalb des hiesigen Professorenkollegiums an der theologischen Fakultät in Pretoria durchgeführt, die aufschlussreiche Ergebnisse zutage gebracht hat.

Alle Themenkomplexe, die die einzelnen Professoren ansprachen, können an dieser Stelle selbstverständlich nur oberflächlich dargestellt werden, um einen ersten Einblick in das südafrikanische Familienleben in heutiger Zeit zu vermitteln. Nur mit diesem Hintergrundwissen lässt sich später nachvollziehen, welche Herausforderungen sich dadurch an die pastorale Seelsorge stellen und wie die Kirche angemessen auf die Bedürfnisse heutiger religiöser Familien reagieren kann.

Worin bestehen die Herausforderungen an das heutige Familienleben?

Alleinerziehende Eltern und Aids-Waisen

„Wir müssen lernen zu verstehen, dass sich das traditionell-klassische Familienkonzept verändert hat und immer noch weiter verändert“, sagt Han Janse van Rensburg, Dozentin im Fachbereich „Science of Religion and Missiology“. Auch Dr. Tanya van Wyk, Doktorin für „Dogmatic and Christian Ethics“, merkt weiterführend an: „Familien bestehen nicht mehr länger nur aus Vater, Mutter und deren beiden Kindern. Ich selbst wurde von einer alleinerziehenden und geschiedenen Mutter sowie meiner Großmutter großgezogen. Die Kirche muss sich diesem Phänomen bewusst werden und dementsprechend Hilfe für verschiedene Typen von Familien bereitstellen.“

Diese Ansicht teilt auch der Leiter des Fachbereichs „Practical Theology“, Prof. Cas Wepener. Gerade in Südafrika gelte es, zwischen verschiedenen sozialen Kontexten zu unterscheiden, die das Familienleben prägen. Besonders sensible Themen seien dabei AIDS-Waisen und damit einhergehend die sogenannten „child-headed families“, in denen ein Kind die Rolle des Familienoberhauptes sowie die Verantwortlichkeit für den Haushalt übernimmt. Dieses Problem stelle sich vor allem in den afrikanischen (schwarzen) Kirchengemeinden. Dr. Willem Fourie, Doktor für „Dogmatic and Christian Ethics“, merkt in diesem Zusammenhang an, dass sich die Kirche mehr im Bereich „Gesundheit“ engagieren müsse, um diese Familien zu stärken. Dies geschehe bislang vor allem durch die katholische und anglikanische Kirche. Aber auch die Bedeutung der Aufklärungsarbeit, dürfe dabei nicht unterschätzt werden. Daher gibt es an der Fakultät in Pretoria ein Modul zum Thema „Sexualethik und Genderfragen“, welches die jungen Theologen auf die HIV/Aids-Problematik hinweisen und sie dazu befähigen soll, ihr Wissen später weiterzuvermitteln.

Gleichstellung von Mann und Frau und der Umgang mit Patchwork-Familien

Mit Bezug auf das Thema Gender erachtet Dr. Tanya von Wyk einen weiteren Wandel als notwendig: die sozial-gesellschaftlich zugewiesenen Rollen, in denen sich Mann (Oberhaupt des Hauses) und Frau (Hausfrau) wiederfinden. In vielen Kulturen, auch in der Afrikaans-Kultur, zu der Dr. van Wyk gehört, werden Frauen noch immer als Eigentum des Ehemannes oder Vaters betrachtet. Aus diesem Grund sieht die Ethikerin die größte Herausforderung an das heutige Familienleben darin, Frauen stärker zu würdigen und sie als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anzuerkennen.

In den Afrikaans-Gemeinden müsse man zudem, so fügt Prof. Wepener an, das Phänomen der „hersaamgestelde families“, sprich der Patchwork-Familien, ernsthafter in den Blick nehmen.

Ein weiteres Problem an der Basis sei zudem das mangelhafte Ausbildungs- und Trainingsprogramm der Priester und Bischöfe, von denen viele nur die 10. Schulklasse abgeschlossen haben. Oft könne man beobachten, dass die Besagten lediglich ihre sonntägliche Predigt halten, jedoch keinen persönlichen Kontakt zur Gemeinde pflegen. Aufgrund ihrer schlechten Ausbildung wüssten sie schlichtweg nicht, wie sie mit den Herausforderungen in ihrer lokalen Gemeinde umzugehen haben. Abermals lege die Fakultät hier deshalb großen Wert auf ihre „Leadership-Programs“, die sie den Studenten während des Studiums anbietet.  

Kirche und Kultur eng verbunden

Geht man nach dieser ersten Analyse zu einer weiterreichenden Betrachtung über, so ist festzustellen, dass Kirche und Kultur in Südafrika in enger Verbindung miteinander stehen, was jedoch vermehrt zu Spannungen zwischen den verschiedenen konfessionellen Kirchen führt. So erläutert Dr. Willem Fourie, selbst Mitglied der Dutch Reformed Church (protestantisch): „Die Dutch Reformed Church zum Beispiel repräsentiert die soziale Mittelklasse und besteht fast ausschließlich aus weißen Südafrikanern. Demnach werden die Gottesdienste nur in Afrikaans gefeiert. Die Kirchenmitglieder weigern sich, ihren Gottesdienst in englischer Sprache zu zelebrieren, um ihre Sprache zu schützen. Für sie ist die Kirche noch einer der wenigen Orte, an dem man ‚ungestört’ Afrikaans sprechen kann. Die Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur ist somit groß. Die enge Verbindung zwischen Kirche und Kultur hat zudem Auswirkungen auf die Demographie: Es gibt Gebiete, in denen nur schwarze Südafrikaner leben und solche, in denen nur Weiße leben. Diese räumliche Trennung führt somit automatisch auch zu einer kulturellen Trennung zwischen Schwarz und Weiß.“ 

Eine weitere kulturelle Hürde, so Dr. Fourie, stelle das Phänomen der Polygamie dar. Dieses sei besonders in afrikanischen Gemeinden, zum Beispiel innerhalb der Kultur der Zulus, noch immer sehr verbreitet. Problematisch ist der Umgang mit Polygamie aber auch deshalb, da keine einheitliche Meinung hinsichtlich dieses Themas vertreten wird. Einige Kirchen akzeptieren Polygamie, andere lehnen sie ab. Die afrikanischen Studentinnen an der hiesigen Fakultät seien überwiegend jedoch gegen  die Polygamie. Es seien wenn eher die männlichen Studenten, die diesen Lebensstil als zulässig erachten, da sie selbst noch aus sehr traditionell afrikanischen Familien stammen, die eng mit ihrer Kultur verwurzelt sind. Zu beachten ist außerdem, dass Polygamie immer nur innerhalb des eigenen Kulturkreises erlaubt ist (ähnlich des indischen Kastendenkens). Folglich darf ein Mann aus dem Stamm der Zulus auch nur Zulu-Frauen heiraten. Geht er jedoch eine Ehe mit einer Frau aus einem anderen Kulturkreis ein, so muss er sich von allen seinen anderen Frauen scheiden lassen. Problematisch an diesem Lebensstil ist auch, dass nur Männer polygam leben dürfen, Frauen jedoch nicht. Von einer Gleichheit der Geschlechter kann hier nicht die Rede sein

Verständnis von Sexualität und Umgang mit Homosexualität

Mit Blick auf den Umgang mit und das Verständnis von Sexualität vertritt Dr. Fourie die Auffassung, dass die Sexuallehre der Kirche und der Lebensstill junger Gläubiger nicht mehr länger miteinander zu vereinbaren sind. Sie entfernten sich vielmehr immer weiter voneinander. Auffällig sei auch, dass sobald in der Kirche über das Thema Sexualität diskutiert werde, dies immer nur mit Hinblick auf homosexuelle Paare geschehe (same-sex couples). Man spräche allerdings nicht über die Bedeutung sowie Bedürfnisse der heterosexuellen Paare und wie diese in den Verkündigungsdienst integriert werden könnten.  Insgesamt, so Dr. Fourie, sei die Dutch Reformed Church liberaler im Umgang mit Homosexualität als andere Kirchen Südafrikas. Demnach dürfen Homosexuelle Pfarrer werden und sogar heiraten. Allerdings obliegt es immer noch der jeweiligen Ortskirche, ob sie homosexuelle Pfarrer einstellt oder nicht. Auch homosexuelle Gläubige werden in der Gemeinde akzeptiert. Ebenso werden ihre Ehen offiziell anerkannt. All diese Beschlüsse wurden erst kürzlich bei der Synode der Dutch Reformed Church Anfang Oktober verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, wie die Ortskirchen mit diesen neuen Regelungen umgehen.

Auch wenn die oben genannten Problemstellungen alle etwas losgelöst voneinander scheinen, spannen sie doch ein weites Feld auf und eröffnen so den Raum für Diskussion und Dialog. Speziell in Bezug auf das Familienleben in Südafrika gilt es, die sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede anzuerkennen, die in den verschiedenen sozialen Gruppierungen vorherrschen. „Südafrika ist wahrhaftig ein Regenbogenvolk (rainbow nation), weil wir so viele verschiedene sozial und kulturell geprägte Ideen haben, was es heißt, eine Familie zu sein“, fasst Han Janse van Rensburg zusammen. Auch Papst Franziskus ist es ein klares Anliegen, dass sich die Kirche näher an der Wirklichkeit der Familien orientiert. Nicht nur mit Blick auf das Familienleben in Südafrika bleibt zu hoffen, dass sich die Teilnehmer der Familiensynode dies zu Herzen nehmen.

Von Marita Wagner
21.09.2015

Ubuntu – „Ich bin, weil ihr seid“

I am because we are and since we are therefore I am“. Dieser Aphorismus beschreibt die Leitvision der südafrikanischen Philosophie des Ubuntu, die von Philosophen wie Augustine Shutte als der „verborgene Schatz“ Südafrikas anerkannt wird.

Ubuntu bedeutet übersetzt „Menschlichkeit“ (Humanity) und verkörpert damit das Verständnis, was es heißt, ein Mensch zu sein, und was das Leben als solches wertvoll und erstrebenswert macht. Zudem drückt der Begriff insofern eine Dynamik aus, als dass er sich auf das Leben bezieht, welches auf Entfaltung gerichtet ist.

Die philosophische Idee des Ubuntu wird in der Sprache der Zulus als „umuntu ngumuntu ngabantu“ beschrieben und bedeutet „Menschen sind abhängig von Menschen, um Mensch zu sein“. Der südafrikanische Philosoph Mogobe B. Ramose erklärt dieses Phänomen wie folgt: „Ein Mensch zu sein heißt, sein Menschsein zu bestätigen durch die Anerkennung des Menschseins anderer Menschen, und auf dieser Grundlage menschliche Beziehungen mit ihnen zu unterhalten.“ Andere afrikanische Philosophen definieren Ubuntu auch als „existing in each other“ oder „caring for each other“.

Wie sich aus all diesen Definitionen erschließen lässt, zielt Ubuntu auf ein ethisch verantwortbares Leben in Gemeinschaft, das sich durch Respekt und Mitgefühl gegenüber dem Nächsten ausdrückt. Der Mensch bedarf persönlicher Beziehungen, um sich als Person weiterentwickeln und seine Fähigkeiten ausschöpfen zu können. Am Beginn des Lebens ist er deshalb nur ‚potentiell’ Mensch. Erst im Verlauf seines Lebens entwickelt er sich durch Interaktion mit seinen Mitmenschen kontinuierlich weiter als Mensch und wird somit ‚mehr Mensch’. ‚Gemeinschaft’ wird aus diesem Grund auch verstanden als ein interpersonales Netzwerk an Beziehungen. In jeder Beziehung, die der Mensch zu anderen Menschen unterhält, lernt er eine andere Facette seiner selbst kennen. Die soziale Gemeinschaft wird in diesem Falle jedoch nicht bloß als eine lose Sammlung von Individuen verstanden, sondern vielmehr als ein zusammenhängender Organismus.

Einheit in Vielfalt

Diese humanistische Ideologie hat besonders für das Südafrika der Post-Apartheid noch einmal an Bedeutung gewonnen, da sie unterstreicht, was das Land in Zukunft auszeichnen und wie es regiert werden sollte. Die menschlichen und moralischen Werte, die Ubuntu beinhaltet, gelten als richtungsweisend für politische Entscheidungen und sind somit fester Bestandteil und Fundament der Gesetzesbücher.

„Ubuntu ist etwas, das in allen Menschen angelegt ist.“

—  Zitat: Johann Broodryk, Sozialwissenschaftler

Ubuntu drückt ein Ideal aus, nach dem es sich insofern zu streben lohnt, als dass es das Allgemeinwohl aller Menschen und deren „Einheit in Vielfalt“ zum Ziel hat. In Gegenüberstellung zu Descartes Ausspruch ‚Ich denke, also bin ich’ konstatiert der Sozialwissenschaftler Johann Broodryk aus Pretoria mit Hinblick auf Ubuntu: „’Ich fühle, ich bin in Beziehung, also bin ich.’ Es ist ganz bestimmt eine spirituelle Praxis, genauso aber eine Art Religion und ohne Frage auch eine Philosophie. Ich sage am liebsten eine Weltanschauung: ... Die Art wie ich denke, die Art, wie ich spreche, die Art, wie ich mich verhalte. ... Ubuntu ist etwas, das in allen Menschen angelegt ist.“

Man muss jedoch auch ehrlich eingestehen, dass Südafrika noch immer großen gesellschaftlichen Unterschieden und somit sozialen Spannungen unterlegen ist. Die Schere zwischen Arm und Reich ist nach wie vor immens. Auch Kriminalität und Korruption sind bislang ungelöste Probleme.

Die Apartheid und Ubuntu

Trotz alledem wäre es falsch zu behaupten, dass Ubuntu nicht existent sei. Bestes Beispiel hierfür ist der relativ gewaltfreie Übergang hin zu einer Demokratie. Als die Apartheid 1994 ihr Ende fand, fürchtete die Welt ein Blutbad der Rache, welches jedoch ausblieb. Stattdessen war die schwarze Bevölkerung, welche jahrelang unterdrückt und diskriminiert wurde, bereit zur Vergebung und reichte der weißen Minderheit die Hand. Viele sehen in dieser Bereitschaft zur friedlichen Koexistenz ein authentisches Zeugnis für die ethische Haltung gemäß des Ubuntu.

Auch mit Blick auf mein Studium an der hiesigen theologischen Fakultät kann ich bestätigen, dass ich die beschriebenen Wertvorstellungen des Ubuntu in den verschiedenartigen Begegnungen mit meinen Kommilitonen und Professoren wiederentdecken kann. Der kollektive Zusammenhalt sowie die Fürsorge füreinander stechen deutlich hervor im Vergleich zu unserem doch eher individualistisch geprägten europäischen Lebensstil. Als ich vor einiger Zeit meinen Professor für Afrikanische Theologie auf die Vorstellungen von Ubuntu ansprach erklärte er mir: „Ubuntu ist mehr als nur Anteilnahme am Leben meines Nächsten. Vielmehr identifiziere ich mich mit meinem Gegenüber. Dein Schmerz wird zu meinem Schmerz und deine Freude wird zu meiner Freude. Ich leide mit dir mit und ich lache mit dir mit.“

Ein einfaches, aber dennoch eindrucksvolles Beispiel für das ethische Selbstverständnis der Südafrikaner zeigte sich mir eines morgens, als ein mir unbekannter Student vor der Fakultät mit seinem Motorrad wegrutschte und stürzte. Er fuhr nur Schrittgeschwindigkeit und schlug somit nicht hart auf. Und dennoch kamen sofort ein Dutzend Studenten aus allen Richtungen angerannt um sicherzustellen, dass es ihm gut ging. Diesen beherzten und direkten Einsatz empfand ich als bemerkenswert, vor allem als ich sah, wie die jungen Leute zusammenarbeiteten. Eine Person half dem Jungen beim Aufstehen und Abnehmen seines Helmes, einige andere richteten gemeinsam das Motorrad wieder auf, wieder andere sammelten die Habseligkeiten des zu Boden Gegangenen auf und gaben sie ihm zurück. Wir standen schließlich in einem Kreis und unterhielten uns noch kurz mit dem Jungen, der sich sehr dankbar über diese Unterstützung zeigte und gingen anschließend wieder unseres Weges. Diese kleine Episode spiegelt meines Erachtens den solidarischen Umgang der Menschen hier sehr bildhaft wider.

„Lebt euer ganzes Potential und erkennt das Potential in jedem anderen und feiert das Wunder eurer Vielfalt.“

—  Zitat: Desmond Tutu, em. anglikanischer Erzbischof und Friedensnobelpreisträger

Abschließend sei gesagt, dass sich auch die Zukunftshoffnungen Südafrikas auf die Philosophie des Ubuntu stützen. So formuliert Desmond Tutu, emeritierter Erzbischof und Friedensnobelpreisträger: „Ich träume von einer neuen Welt und einer reifen Menschheit, die lebt, was Ubuntu meint. Wir sind alle eins. Ich möchte Euch zugleich erinnern an die Magie dessen, was jeder Einzelne ist. Lebt euer ganzes Potential und erkennt das Potential in jedem anderen und feiert das Wunder eurer Vielfalt. Und am allerwichtigsten: Geh, und sei, wer Du bist! Das ist unser gemeinsames Vermächtnis.“

Von Marita Wagner
01.09.2015

Healing of Memories

Mitte Juli besuchte ich einen Wochenend-Workshop in Johannesburg, der unter dem Thema „Healing of Memories“ stand. Geleitet wurde dieser von Father Michael Lapsley, der gebürtig aus Neuseeland stammt. Father Michael gehört dem anglikanischen Orden der Society of the Secret Mission (MSS) an. Sein Orden sendete ihn 1973 nach Südafrika, wo er als Kaplan für die Studierenden an der Universität von Durban arbeitete.

Father Michael schloss sich schon sehr bald der Anti-Apartheid-Bewegung an und wurde in diesem Rahmen Mitglied der ANC-Partei (= African National Congress, führende Bewegung gegen die Apartheid). Während öffentlichen Veranstaltungen predigte er gegen das damalige Regime, geriet somit schnell in den Fokus der Apartheid-Unterstützer und wurde somit 1976 des Landes verwiesen. Zunächst lebte Father Michael in Lesotho. 1982 zog er nach Simbabwe, wo er weiterhin im Untergrund für den ANC arbeitete und diesen im Ausland vertrat.

Die Situation fand schließlich 1990 ihren tragischen Höhepunkt, als Father Michael Opfer eines Briefbombenattentats wurde, bei dem er sowohl beide Hände als auch sein rechtes Auge verlor. Auch sein Trommelfell ist seitdem stark geschädigt, sodass er nur sehr schlecht hören kann. Nach diesem schweren Schicksalsschlag und langsamer Genesung gründete Father Michael 1998 in Kapstadt das sogenannte Institute for Healing of Memories, welches den Opfern der Apartheid bei der psychologischen Aufarbeitung ihrer Traumata Unterstützung bietet (zwei weitere Institute wurden seitdem in Durban (Südafrika) und in den USA gegründet). Mittlerweile reist Father Michael jedoch auch um die ganze Welt und bietet Workshops für Menschen an, denen großes Leid und Schmerz widerfahren ist und hilft ihnen bei ihrer seelischen Heilung.

Father Michael hat seine Lebensgeschichte 2012 in dem Buch Mit den Narben der Apartheid – Vom Kampf für die Freiheit zum Heilen traumatischer Erinnerungen (Originaltitel: Redeeming the Past – My Journey from Freedom Fighter to Healer) veröffentlicht. Dieses hatte ich zur Vorbereitung auf mein Auslandsjahr in Südafrika gelesen, um mehr über die Geschichte Südafrikas zu erfahren. Als ich hörte, dass Father Michael einen Workshop in Johannesburg anbieten wird, stand für mich fest, dass ich diesen außergewöhnlichen Mann nun auch persönlich kennenlernen möchte.

Der „Blick von außen“

Beim Veranstaltungsort angekommen wurde schnell klar, dass ich mit Abstand die Jüngste und neben einer älteren Dame auch die einzige Weiße der insgesamt 25 Teilnehmer war. Ich fühlte mich anfangs noch wie eine Art Eindringling, da ich selbst noch nie derartige Schicksalsschläge erleiden musste wie sie mir von den anderen Teilnehmern berichtet wurden. Aufgrund meiner „unbefleckten“ Biografie, die keine echten Brüche aufwies, war ich unsicher darüber, wie ich echten Trost spenden kann. Ich hatte Angst, von den anderen Teilnehmern womöglich abgelehnt oder nicht ernst genommen zu werden, da ich, anders als sie, keinen Workshop brauchte, um persönliche Traumata zu verarbeiten. Zu meiner Beruhigung stellten sich alle diese Befürchtungen als unbegründet heraus und mein „Blick von außen“ sowie mein aufrichtiges Interesse an ihnen und ihrer Geschichte wurde sehr honoriert.

Während der dreitägigen Veranstaltung ging es darum, den Schmerz, den man in sich trägt, aber normalerweise zu verdrängen versucht, zu benennen und mit anderen zu teilen. In seiner Biografie schreibt Father Michael dazu: „In den Workshops schaffen Teilnehmer Vertrauen, indem sie sich einander mitteilen. Das heilt und verbindet und hilft wiederum, ein neues Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln und das Sozialgefüge wieder aufzubauen… Der Workshop ist eine psychologisch, emotional und spirituell eindringliche Erfahrung,… keine intellektuelle Übung, sondern eine Seelenreise (S.164).“

Am ersten Abend wurden wir mit einer Liste von Fragen zu Bett geschickt, über die wir uns als Vorbereitung auf den nächsten Tag Gedanken machen sollten:

  • Was waren die schönsten und schmerzhaftesten Erlebnisse Deines Lebens?
  • Wie hast Du überlebt? Wie hast Du die Energie dazu aufgebracht?
  • Wie sieht Dein Glaubensweg aus?
  • Wie hat Dich die Vergangenheit deines Landes beeinflusst? Wie hat Dich das Leben Deiner Eltern und Großeltern beeinflusst?

Und zum Schluss die drei wichtigsten Fragen, die sich durch den ganzen Workshop zogen:

  • Was hast Du getan?
  • Was wurde Dir angetan?
  • Was hast Du unterlassen (What did you fail to do)?

Am nächsten Morgen (Samstag) forderte uns Father Michael dazu auf, mit Bezug auf die gestellten Fragen unsere Lebensgeschichte auf einem großen Papierbogen aufzumalen. Anschließend wurden wir in Kleingruppen, bestehend aus fünf bis sechs Leuten sowie einem Seminarleiter als Moderator (Mitarbeiter/in in Father Michaels Team) eingeteilt. Nacheinander erzählten wir uns unsere Biografie und verwiesen dabei auf unsere gemalten Bilder, die in der Mitte des Stuhlkreises auf dem Boden lagen. Endete eine Person mit ihrem Bericht, so waren danach Beiträge und Rückfragen aus der Gruppe willkommen, durch die man dem Sprecher Mut und Trost zusprach.

„Als Opfer sind wir passiv. Durch das Heilen werden wir aktiv und handlungsfähig.“

—  Zitat: Father Michael Lapsley

Emotionale Momente

Während der einzelnen Schilderungen liefen viele Tränen, einige Teilnehmer sprachen zum ersten Mal laut aus, was ihnen in ihrer Vergangenheit angetan wurde. Es war emotional sehr herausfordernd diese grausamen Geschichten anvertraut zu bekommen, die allesamt von sexuellen Vergewaltigungen, Ermordungen, Anschlägen, Diskriminierungen und Vertreibungen handelten. Und trotzdem empfand ich es auch als ein großes Privileg, Teil dieses Workshops sein zu dürfen. Diese persönlichen Eindrücke haben in mir noch einmal ein tiefergehendes Verständnis und eine Einsicht geweckt, die mir sicherlich im zukünftigen Umgang mit meinen südafrikanischen Freunden helfen werden. Dieses neu gewonnene Hintergrundwissen wird mich hoffentlich dazu befähigen, noch besser auf die Bedürfnisse der Menschen hier einzugehen.

Nachdem wir den ganzen Samstag damit verbrachten, uns gegenseitig aus unserem Leben zu erzählen, kamen wir abends wieder in der großen Gruppe zusammen und schilderten uns unsere momentane Gefühlslage. Im Verlauf dieser Reflektion des Tages kamen Grundsatzfragen auf wie „Wie vergibt man?“ oder „Ist es möglich, die Vergangenheit zu vergessen?“.

Der letzte Tag bestand in einer ausgelassenen Feier, die durch die einzelnen Kleingruppen künstlerisch gestaltet wurde. Es wurden Lieder, Gedichte und kleine Rollenspiele vorgetragen, die allesamt unter dem Thema „Heilung und Versöhnung“ standen. In diesem Rahmen formten wir außerdem unser ganz persönliches Friedenssymbol aus Ton, welches wir in die Zeremonie einbrachten. Zum Abschluss erhielten wir alle ein kleines Blatt Papier, auf welches wir schreiben sollten, welche Last oder destruktives Gefühl wir in Zukunft hinter uns lassen wollen. Der Inhalt des Blattes blieb unser Geheimnis. In einem liturgischen Festzug gingen wir nach draußen, wo wir unsere beschriebenen Zettel in ein entzündetes Feuer warfen. Die Liturgie endete mit einer gemeinsamen Schweigeminute am Feuer. Der Wochenend-Workshop wurde schließlich durch ein gemeinsames Mittagessen beendet.

Ein Workshop, der Spuren hinterlässt

Der Workshop hat einen nachhaltigen Eindruck auf mich hinterlassen. Besonders beeindruckt haben mich Father Michael und seine eindringliche Aura. Er ist ein Mensch, bei dem alle aufsehen, wenn er den Raum betritt. Er strahlt eine große Zuversicht und ein Selbstbewusstsein aus, was ich bei alledem, was er schon durchleben musste, wirklich bemerkenswert finde. Father Michael kann sich, verständlicherweise, sehr gut in die Lage der Südafrikaner hineinversetzen und findet somit die passenden Worte. Er hat während des Workshops immer wieder betont, dass Vergeltung niemals der Schlüssel zu Heilung sein kann, die seines Erachtens als ein langwieriger Prozess zu verstehen sei. Er selbst weiß bis heute nicht, wer ihm vor 25 Jahren die Briefbombe geschickt und seinen Namen auf den Briefumschlag geschrieben hatte. Aus diesem Grund sei es ihm bislang noch nicht möglich zu vergeben, da ihm dazu das Gegenüber fehle.

Statt zwei Händen hat Father Michael nun zwei Prothesen mit Greifzangen an seinen beiden Armstümpfen, die er sehr geschickt einsetzen kann. Dass er, obwohl er selbst so stark verwundet und gezeichnet wurde, Menschen auf der ganzen Welt dabei hilft, zu vergeben und zu heilen, zollt mir großen Respekt. Er ist in jedem Falle ein außerordentlicher Zeitzeuge mit einer besonderen Persönlichkeit.

Von Marita Wagner
Bild: © Privat
01.09.2015

Make Today Matter

Make today matter“– Dies ist die Leitvision der University of Pretoria, einer der führenden Universitäten in Südafrika, die 1908 gegründet wurde. Seit 1996 ist sie offiziell die Forschungseinrichtung mit dem größten wissenschaftlichen „Output“. Das eigentliche Ziel wird dabei klar benannt: man möchte zu den führenden Universitäten in Afrika gehören, die akademisch herausragende Leistungen und einen hohen Standard verkörpern. „Make the future a better place“, mit diesen Worten begrüßte die Direktorin der Universität, Cheryl de la Rey, die Erstsemesterstudenten Anfang diesen Jahres und lud sie dazu ein, ein Teil dieser intellektuellen Gemeinschaft zu werden. Die Institution beheimatet derzeit über 50.000 Studenten, die 113 verschiedenen Ländern entstammen, wodurch sich eine große internationale Vielfalt ergibt.

Zu den insgesamt neun verschiedenen Fakultäten gehört unter anderem die Faculty of Theology, die 1917 gegründet wurde und an der ich noch bis Dezember studieren werde. Diese ist die älteste und größte theologische Fakultät (nicht Seminar!) Südafrikas. Das besondere an ihr, und dies ist der Grund, warum ich mich für sie entschieden habe, ist die Tatsache, dass hier Studenten unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam studieren und in Dialog miteinander treten. Die Fakultät hat ein gut ausgebautes Netzwerk. Neben der katholischen Kirche kooperiert sie auch mit der anglikanischen, presbyterianischen, lutherischen und reformierten Kirche und beteiligt sich sehr aktiv an diversen sozial-gesellschaftlichen und kirchlichen Projekten.

An der Fakultät beeindruckt mich, dass sie sehr breit aufgestellt ist. Die Professoren verstehen es, das akademische Studium mit der Praxis in Einklang zu bringen. Sie zeigen deutlich auf, wie die jeweilige Vorlesung in den größeren theologischen Kontext einzuordnen ist und wozu deren Inhalt die Studenten am Ende befähigen soll bzw. wie sie ihr neu gewonnenes Wissen in der Kirche und lokalen Gemeinde anwenden können. Man bleibt somit nicht bei der reinen wissenschaftlich-theoretischen Forschung stehen. Dies sei, so Dr. Attie van Niekerk, Dozent für Missionstheologie, eine Stärke der südlichen Theologie gegenüber der nördlichen. Während der Norden versuche, die Theologie in erster Linie mithilfe der Wissenschaft zu begründen, liege der Fokus im Süden darauf, Theologie als eine Möglichkeit zu begreifen, Menschen zu inspirieren und sie zu Vertretern der göttlichen Schöpfung zu machen. Auch meine neuen Studienfreunde bescheinigen mir im Gespräch, dass sich viele der Studenten unabhängig von ihrem Studium, und damit auf freiwilliger Basis, äußerst aktiv in Sozial- und Hilfsprojekten der jeweiligen Kirchen engagieren würden.

Durch ihren Vorlesungsstil regen die Professoren ihre Studenten ebenfalls zur Eigeninitiative an. Im Gegensatz zu dem uns bekannten Frontalunterricht gestalten sich die meisten Vorlesungsstunden hier in Form von Diskussionen. „Die Professoren möchten wissen, was die Studenten denken, sie sind wirklich interessiert an deren Meinung“, erklärt mir einer meiner Kommilitonen. „Sie wollen die Studenten zu einem selbstständigen und reflektierten Denken herausfordern.“ Damit bestätigt er meinen bisherigen Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Professoren und Studenten ein sehr persönliches und menschliches ist. Immer wieder wird uns die Frage gestellt: „Was denkt ihr über die Meinung des Autors? Teilt ihr seine Ansicht?“ Anfangs war ich es nicht gewohnt so direkt nach meiner persönlichen Einschätzung gefragt zu werden, aber da die meisten Professoren ihre Studenten mit Namen kennen, sprechen sie uns auch ganz gezielt an. Folglich wird jeder Student dazu aufgefordert, sich in den Unterricht mit einzubringen und seine Meinung zu vertreten. Es reicht nicht aus unbeteiligt in der Vorlesung zu sitzen und ein vorgefertigtes Konzept des Professors mitzuschreiben. Mehrmals konnte ich bereits erleben, dass Studenten auch ehrlich sagen, wenn sie mit der Ansicht des Professors nicht übereinstimmen und ihm deshalb entschieden widersprechen. In dieser Hinsicht denke ich, dass es gerade im Hinblick auf die südafrikanische Geschichte rund um das Thema Apartheid sehr wichtig ist, junge Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigene Meinung zu entwickeln und sie zu einem verantwortungsbewussten Handeln zu erziehen.

Inhaltlich wird die Theologie in einem sehr viel größeren Kontext bzw. auf mehreren Ebenen betrachtet. In einem ersten Schritt wird die Theologie Südafrikas untersucht, anschließend die des afrikanischen Kontinents und zum Schluss erfolgt eine globale Betrachtung (vom Mikro- zum Makrokosmos). Dabei kommt es oft zu Vergleichen zwischen dem theologischen Verständnis in den nördlichen Industriestaaten und den südlichen developing countries. Wie bereits angesprochen dreht es sich dabei nicht ausschließlich um die katholische Theologie sondern vielmehr um die Zusammenarbeit der einzelnen Kirchen, zwischen denen die Trennung weniger strickt erscheint. Dies liegt wohl vor allem daran, dass Südafrika aus so vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen besteht, die nach der Apartheid einen neuen gemeinsamen Lebensweg finden müssen. Bestes Beispiel ist der South African Council of Churches (SACC), der als Dachorganisation fast alle christlichen Kirchen Südafrikas repräsentiert und sich in der Vergangenheit gegen das Apartheid-Regime gestellt hat.

Insgesamt ist außerdem festzustellen, dass die südafrikanische Theologie in einem viel engeren Verhältnis zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft steht als dies in Deutschland der Fall ist. Grund hierfür ist ein nicht realisiertes demokratisches System gepaart mit einer Wirtschaft, die nicht auf Nachhaltigkeit basiert. Die Schere zwischen Arm und Reich wird folglich eher größer als kleiner. Aus diesem Grund sieht sich die Kirche dazu genötigt einzugreifen und gegen diese Missstände vorzugehen.

Prof. Johan Buitendag, Rektor der theologischen Fakultät, stellt mir in diesem Rahmen das aktuelle Forschungsprogramm der Fakultät vor, welches auf die genannten Probleme zu reagieren versucht. So wurde ein Faculty Research Theme (FRT) ausgearbeitet, welches den Projektnamen Ecodomy – Life in ist fulness trägt (abgeleitet vom griechischen Wort oikodomé). Dabei werden sozialgesellschaftliche Themen einer ethischen Hinterfragung unterzogen. Prof. Buitendag fasst die Intention des Vorhaben wie folgt zusammen: „Ecodomy will look at religious world views and norms, but will have a strong interdisciplinary research focus on aspects of global justice, human dignity, reconciliation, moral formation and responsible citizenship. Ecodomy’s central message of a holistic approach to life looks at the interrelations of the economy, ecology, theology, religion, life and poverty to the self and society.” In meiner Vorlesung Mission in Practice, die Dr. van Niekerk leitet, nähern wir uns dieser Thematik auf praktische Weise, indem wir über die Bedeutung von sustainable communities sprechen. Wir nehmen dabei eine Gesellschaftsanalyse vor und diskutieren die derzeitigen sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit, HIV/AIDS und Armut sowie mögliche Lösungskonzepte. Die zentrale Frage dabei ist: Welche Rolle nimmt die Kirche in diesem Konflikt ein? Wie muss sie reagieren? Kann die Kirche überhaupt mit politischen Gruppierungen oder der Industrie zusammenarbeiten, die für Korruption bekannt sind, ohne ihre moralischen Werte aufzugeben?

Im Interview benennt Dr. van Niekerk deshalb die aktuellen Herausforderungen für die südafrikanische Theologie: „The faith should find expression in sustainable, humane and just ways of life among both rich and poor. It is important that theology can engage with the issues of everyday life: poverty and inequality, violence and crime, family breakdown and HIV/AIDS, the destruction of creation as well as the loss of hope and vision.“

Doch auch hier bleibt es nicht bei bloßen Feststellungen. In seiner Vorlesung erklärt Dr. van Niekerk: „You have to know what is going on outside. You have to know about the social problems families in the communities are suffering from. How can you otherwise preach them the gospel authentically?“ Aus diesem Grund besuchen wir im Rahmen der Vorlesung ein Mal pro Woche sozial benachteiligte Familien in verschiedenen Armenvierteln der Stadt. Jeder Kleingruppe, bestehend aus zwei Studenten, wurde eine feste Familie zugewiesen. Zusammen mit einem äthiopischen Kommilitonen begleite ich eine alleinerziehende Mutter von vier Kindern, die vor acht Jahren von Burundi nach Südafrika geflohen ist. In ihrem Heimatland musste sie mit ansehen, wie Soldaten während des Kriegs ihre ganze Familie ermordet hatten. Als sie schließlich mit den Kindern in Südafrika ankam, stellte sich heraus, dass ihr Ehemann, der vor ihr nach Südafrika geflüchtet war, bereits eine neue, südafrikanische Lebensgefährtin hatte. Ihr Studium in Accounting wird nicht anerkannt, da sie es nicht in Südafrika absolviert hat. Trotz dieser schweren Schicksalsschläge ist sie fest in ihrem Glauben verwurzelt. Er gab ihr schließlich auch die Kraft, eine Vorschule für die Kinder im Armenviertel von Sunnyside zu gründen, um ihnen eine erste Erziehung und Ausbildung zu ermöglichen.

Es sind diese außerordentlichen menschlichen Begegnungen, die mich als angehende Theologin hier in Südafrika noch einmal besonders herausfordern und zum Nachdenken anregen. Wie können wir als Seelsorger für diese Menschen da sein, wie müssen wir zu ihnen sprechen? Ich bin dankbar dafür, einmal aus meinem wohlbehüteten Umfeld hinauszutreten und mich „dem echten Leben“ und seinen Schrecken stellen zu können/müssen. Anhand von Beispielen wie diesen wird mir wieder bewusst, in welch einer privilegierten Welt ich aufwachsen durfte und dass dies keineswegs selbstverständlich ist.

Interessant ist es auch zu sehen, wie sehr die traditionell afrikanische Religion in das Alltagsleben der Menschen integriert ist. Diesbezüglich erklärt mir Dr. van Niekerk in unserem Interview, dass die afrikanische Religion einen großen Einfluss darauf habe, inwiefern Menschen das Gesundheitssystem oder die modernen Technologien für sich nutzen. Ebenso große Auswirkungen habe sie auf menschliche Beziehungen, sowohl positive als auch negative. Positiv im Sinne der afrikanischen Ethik des Ubuntu, die man als „existing and caring for each other“ definieren kann, negativ insofern, als dass man befürchtet, durch Menschen in seinem näheren Umfeld verhext zu werden. So gestalten sich besonders die Beerdigungen von Familienmitgliedern als eine sehr kostenintensive Angelegenheit, da man darum bemüht ist, den Geist des Verstorbenen friedlich zu stimmen (ähnlich der Jenseitsvorstellungen im Zweistromland). Diese Schilderungen bestätigen sich in den Gesprächen, die ich mit der Frau aus Burundi geführt habe. Sie erzählte mir davon, dass sie vor drei Jahren an Lungenkrebs erkrankt sei, dieser aber nach einem Jahr von den Ärzten nicht mehr diagnostiziert werden konnte. In ihren Augen steht es außer Frage, dass es Gottes Gnade und Barmherzigkeit waren, die sie von ihrer Krankheit geheilt haben. In der afrikanischen Tradition werden folglich auch wundersame Heilungen nicht ausgeschlossen.

Doch wie lässt sich die traditionell afrikanische Religion mit der christlichen Theologie in Einklang bringen? Dr. van Niekerk entgegnet als Missionswissenschaftler: „Progress is not to move forward and leave something behind, progress is to make the circle (as the most telling symbol in African culture) bigger to include the new with the old.“

Abschließend bleibt zu sagen, dass Südafrika noch einen weiten Weg vor sich hat. Auch nach 20 Jahren sind die Folgen der Apartheid und der Schmerz, den diese Zeit bei vielen Menschen hinterlassen hat, noch deutlich zu beobachten. Die hiesige Theologie steht vor der Frage, wie sich eine neue Zukunft Südafrikas gestalten lässt. Dabei müssen neue moralisch-ethische Leitvisionen formuliert und in der Gesellschaft etabliert werden. Wichtig ist es dabei auch, dass die noch immer in den Köpfen vieler Menschen verankerten rassistischen Vorurteile – gegenüber Schwarzen und gegenüber Weißen! – abgebaut und ein Dialog zwischen den Bevölkerungsgruppen gefördert wird. Da die derzeitige  Regierung von Korruption durchzogen ist, obliegt es nun der Kirche, einen gesellschaftlichen Wandel zu bewirken und neue Hoffnung zu säen. Aus diesem Grund legen die Professoren so großen Wert darauf, ihre Studenten zu einem verantwortungsbewussten und reflektierten Handeln zu motivieren – „to make the future a better place“.

Von Marita Wagner
Bild: © Privat
31.08.2015

Brückenbauer zwischen Deutschland und Südafrika

Praxisorientiert, diskussionsfreudig und nah am Menschen – so erlebt Marita Wagner ihr Theologie-Studium in Südafrika. Für zwei Auslandssemester hat es die 23-Jährige von Frankfurt am Main an die University of Pretoria verschlagen. Im Gespräch mit dem Internetportal Weltkirche erklärt die gebürtige Koblenzerin, wie Studenten verschiedenster Konfessionen, Kulturen und Sprachen an ihrer Gastuniversität zusammentreffen und welche Chancen daraus entstehen.

Frage: Frau Wagner, Sie studieren seit Anfang dieses Jahres an der University of Pretoria. Wie kam es dazu?

Wagner: Schon seit meinem ersten Semester arbeite ich an der Frankfurter Hochschule Sankt Georgen am Institut für Weltkirche und Mission. Dadurch habe ich bereits viele Einblicke in die Themen Weltkirche, Missionstheologie und interreligiöser Dialog bekommen – allerdings nur auf theoretischer Basis. Mein Wunsch war es, selbst einmal in ein sogenanntes „Missionsland“ zu reisen und mich mit der heutigen Form der Theologie dort auseinanderzusetzen – und zwar aus Sicht der Missionierten. Da die Universität in Pretoria ein sehr großes Angebot in Missionstheologie hat, fiel die Wahl sehr schnell auf Südafrika.

Bild: © Privat

Frage: In Pretoria studieren Studenten unterschiedlichster Konfessionen, Sprachen und Religionen. Wie funktioniert das?

Wagner: Es klappt erstaunlich gut. An der Uni kommen beispielsweise Studenten der katholischen, anglikanischen, der presbyterianischen, der evangelisch-lutherischen, der reformierten Kirche und der Dutch Reformed Church zusammen. Der Unterricht funktioniert in der Regel so, dass die Themen zunächst einmal aus allgemein christlicher Perspektive besprochen werden. Im zweiten Schritt können die Studenten ihren eigenen religiösen Hintergrund einbringen und erklären, welche Spezifika es in ihren Kirchen und Konfessionen gibt. Diese Vorgehensweise finde ich sehr spannend, da sich direkt die Chance zum Dialog ergibt. So entsteht eine viel größere Bandbreite an Theologie. Gleichzeitig ist man selbst stärker herausgefordert, sich und seinen Glauben zu reflektieren. In Frankfurt teilen alle Studenten dieselbe Konfession und Grundansichten, so dass man sich nicht erklären muss.  

Frage: Inwiefern unterscheidet sich Ihr Studium in Sankt Georgen von dem in Pretoria?

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