Auf Friedensmission
Seit dem Staatsstreich im März 2013 ist die Zentralafrikanische Republik gespalten. Damals stürzte die Rebellenarmee Seleka den Präsidenten François Bozize.
Aktualisiert: 18.11.2022
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Dieser ist wie mehr als die Hälfte der Einwohner Christ – ebenso wie die sogenannten Anti-Balaka Milizen, die sich inzwischen zur Gegenwehr gegen die Rebellen gebildet hat. Die Seleka-Gruppe und ihr Anführer Michel Djotodia sind fast ausschließlich Muslime. Trotzdem betonen die Glaubensführer des Landes mit Nachdruck, dass es sich nicht um einen Religionskonflikt handelt . Vielmehr steckten Machtinteressen und der Streit um Ressourcen hinter den Kämpfen.
Um für den Frieden zu werben und die Internationale Gemeinschaft um Unterstützung zu bitten, reisten die drei höchsten Religionsführer des krisengebeutelten Landes, der Erzbischof der zentralafrikanischen Hauptstadtdiözese Bangui, Dieudonné Nzapalainga, Imam Omar Kobine Layama und Pastor Nicolas Guerekoyame-Gbangou, Anfang des Jahres nach Deutschland. Als Antwort auf diese Friedensmission haben sich nun Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz , des Internationalen Katholischen Missionswerk Missio und der Erzdiözese Köln ihrerseits auf den Weg in die Zentralafrikanische Republik gemacht. Mit dabei ist auch Nadim K. Ammann, Referent im Bereich Weltkirche der Erzdiözese Köln. In seinen Reiseberichten spricht er über die Situation vor Ort und über die Hoffnung, dass endlich Frieden einkehrt.
Erste Station: Kamerun
Nach dem Besuch der „Interreligiösen Plattform“ aus der Zentralafrikanischen Republik im April in Deutschland sahen die Deutsche Bischofskonferenz, das Internationale Katholische Missionswerk Missio und die Erzdiözese Köln die Notwendigkeit, sich ein eigenes Bild vor Ort zu verschaffen.
Die Agentur APTE, die auf Beratung und Friedensarbeit spezialisiert ist, stellte uns das Projekt INOVA-RCA in der Zentralafrikanischen Republik vor. In dessen Rahmen hatte APTE 2009 in der Hauptstadt Bangui eine dreiwöchige Friedensuniversität durchgeführt. Diese findet seit dem Jahr 2000 jedes Jahr in einem anderen Land statt. Insgesamt gibt es 175 Absolventen. Vertreter der Ortskirche und anderer Religionsgemeinschaften sowie Absolventen der Friedensuniversität wollten wir auf unserer Solidaritätsreise treffen. Gemeinsam sollte überlegt werden ob INOVA-RCA eine Möglichkeit für eine Friedensinitiative sein könnte.
Der erste Tag
Im Vorfeld der Reise legte unsere kleine Delegation – Burchard Schlömer von Missio, Hubert Heindl von APTE und ich, Nadim K. Ammann von der Erzdiözese Köln – einen Stopp in der Stadt Yaoundé in Kamerun ein. Hier wollten wir erste Gespräche führen. Wir waren für zwei Nächte im Gästehaus von Afrique Future untergebracht, einer lokalen Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich vor allem um Erziehungs- und Gesundheitsprojekte bemüht, und eigene Schulen und Krankenhäuser betreibt. Das Gästehaus liegt auf einem Hügel, von dem man einen schönen Blick auf die Stadt hat. Schon bei der Landung empfing uns die typische Schwüle Afrikas. Die Regenzeit hat schon begonnen. Entsprechend regnete es immer mal wieder und es war erstaunlich frisch, vor allem in den Morgenstunden.
Gespräche mit dem Generalsekretär der Kamerunischen Bischofskonferenz
Der Generalsekretär der Kamerunischen Bischofskonferenz, Mgr. Sebastién Behon, hatte bei seinem letzten Besuch in Deutschland bereits von den Flüchtlingen im Norden des Landes berichtet. Er empfing uns in seinem Büro und lud auch den Direktor der Caritas Kamerun zu dem Gespräch ein. Beide bestätigten zunächst, dass die Religionen im Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik manipuliert würden. Das Interesse der Konfliktparteien und derer, die hinter den beiden Seiten stehen, seien Ressourcen wie Gold und Eisen. Viele Händler aus den Anrainerländern mischten eifrig in dem Konflikt mit. Die Flüchtlinge in Kamerun seien nicht nur Zentralafrikaner sondern auch Kameruner, die seit vielen Jahren in der Zentralafrikanischen Republik lebten. Sie kommen in ihr Land zurück, in dem sie jedoch nichts besitzen, weil sie sich in der Zentralafrikanischen Republik niedergelassen haben.
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Die Pfarreien aus den vier Anrainerdiözesen (Bertoua, Batouri, Ngaoundere und Yokodouma) seien für ihr Engagement zu loben. Sie hätten sofort Flüchtlinge – egal welcher Religion – aufgenommen. Allerdings seien die Pfarreien nicht für die Betreuung von Vertriebenen geschult. Wichtig sei es, die Flüchtlinge schon jetzt auf die Rückkehr in ihr Land vorzubereiten. Versöhnungsarbeit müsse bei ihnen anfangen. Den Flüchtlingen müsste eine Perspektive für den Wiederaufbau geboten werden. In Kamerun wurde eine Kollekte gestartet, um den betroffenen Diözesen zu helfen. 25 Millionen CFA-Franc, umgerechnet rund 38.000 Euro, seien gesammelt worden. Einige Diözesen haben zudem eigene Hilfsprogramme entwickelt.
Wir vereinbarten, uns nach der Rückkehr aus der Zentralafrikanischen Republik mit dem Präsidenten der Kamerunischen Bischofskonferenz, Erzbischof Samuel Kleda, und dem Caritas-Direktor in Douala zu einer Auswertung zu treffen.
Bei den Salesianern
Am Nachmittag hatten wir einen Termin im Provinzialat der Salesianer. Schon in Deutschland hatten wir die Missionsprokur der Salesianer und andere Prokuren über unsere Reise informiert. Mit Albert van Buel stellen die Salesianer einen Bischof in der Zentralafrikanischen Republik und in der Hauptstadt Bangui haben sie zwei Gemeinschaften, in denen sich auch Flüchtlinge aufhalten. Daher war es uns wichtig, den Orden zu kontaktieren. Wir unterhielten uns mit dem Ökonom P. Sabé und dem Verantwortlichen des Entwicklungsbüros, M. Clément.
P. Sabé betonte, dass Dieudonné Nzapalainga, der Erzbischof von Bangui, eisern seinen Einsatz für den Frieden fortsetzt. Seine Ansprachen seien erstaunlich und würden in die Tiefe gehen. Er fordert auch von seinen Mitbrüdern, seinen Priestern und den Ordensleuten, sich für den Frieden einzusetzen und keinen Hass zu schüren. Wer das nicht könne solle gehen. Rache und Hass seien das große Problem in der Zentralafrikanischen Republik. Die verschiedenen militärischen Eingreiftruppen würden kaum etwas erreichen. Es fände keine Entwaffnung statt, die Plätze seien immer noch nicht befriedet. Dabei sei das doch der Auftrag der Eingreiftruppen.
Aus der Sicht der Salesianer bedeutet humanitäre Hilfe nicht, dass man französische Soldaten schickt. Vielmehr seien Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen notwendig. Man müsse auch die Anfänge des aktuellen Konflikts besser begreifen. So soll der ehemalige Präsident Bozize vor seinem Sturz die Konten geleert haben. Als dann die Seleka-Rebellen mit Michel Djotodia an der Spitze die Macht übernommen hatten, sei kein Geld vorhanden gewesen, um die Rebellen für ihr Engagement zu bezahlen. Zunächst hatte sich die Bevölkerung noch über den Sturz Bozizes gefreut. Weil es jedoch kein Geld gab, „bedienten“ sich die Rebellen beim Volk und plünderten willkürlich. Dies sei der Anfang des Stimmungswandels gewesen.
Bischof Aguire von Bangassou in der Zentralafrikanischen Republik soll sich damals wiederholt zur Situation geäußert haben. Er hatte schon vor der Machtübernahme der Seleka geahnt, was auf das Land zukommen würde. Denn in seiner Diözese soll die Seleka-Bewegung schon vor dem Sturz Bozizes versucht haben, Frauen und Mädchen das Tragen einer Kopfbedeckung nahezulegen und Jungen in die Moschee zu begleiten.
Aus der Sicht der Salesianer bedeutet humanitäre Hilfe nicht, dass man französische Soldaten schickt. Vielmehr seien Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen notwendig. Man müsse auch die Anfänge des aktuellen Konflikts besser begreifen. So soll der ehemalige Präsident Bozize vor seinem Sturz die Konten geleert haben. Als dann die Seleka-Rebellen mit Michel Djotodia an der Spitze die Macht übernommen hatten, sei kein Geld vorhanden gewesen, um die Rebellen für ihr Engagement zu bezahlen. Zunächst hatte sich die Bevölkerung noch über den Sturz Bozizes gefreut. Weil es jedoch kein Geld gab, „bedienten“ sich die Rebellen beim Volk und plünderten willkürlich. Dies sei der Anfang des Stimmungswandels gewesen.
Bischof Aguire von Bangassou in der Zentralafrikanischen Republik soll sich damals wiederholt zur Situation geäußert haben. Er hatte schon vor der Machtübernahme der Seleka geahnt, was auf das Land zukommen würde. Denn in seiner Diözese soll die Seleka-Bewegung schon vor dem Sturz Bozizes versucht haben, Frauen und Mädchen das Tragen einer Kopfbedeckung nahezulegen und Jungen in die Moschee zu begleiten.
Werben für den Frieden
Aktuell ist aus der Sicht der Salesianer vor allem Friedensarbeit notwendig. Man müsse behutsam vorgehen und die Menschen sensibilisieren. Zudem müsse man bei der Jugend anfangen. Man solle nicht glauben, dass Erzbischof Nzapalainga und Imam Omar Kobine Layama in ihrer Friedensmission überall willkommen seien. Als die beiden Geistlichen die Salesianer in Bangui besuchen wollten, weil sich dort viele junge Menschen aufhielten, drohten diese, den Imam umzubringen.
Zudem betonten die Salesianer, dass die Kinder unbedingt zurück in die Schulen müssten. Dafür würden Mittel benötigt. Es sei sehr wichtig, ihnen eine Alternative zum Leben auf der Straße zu bieten. Erziehung und Berufsperspektiven für junge Menschen spielten dabei eine große Rolle. In den Schulen müssten darüber hinaus Kurse zur Traumabewältigung und Friedenserziehung angeboten werden.
Die Ordensleute gingen in unserem Gespräch auch auf die Rolle der Medien ein. Deren Potenzial müsste besser genutzt werden. Radios, Zeitungen, Gottesdienste und Schulen sollten über Frieden und Versöhnung berichten.
Mehr Unterstützung für Flüchtlinge
Die Salesianer betonten, dass mit Blick auf die große Zahl der Flüchtlinge die Anrainerländer stärker unterstützt werden müssten. So habe auch der Tschad Vertriebene aufgenommen. Allerdings handele es sich meist um Menschen aus dem Tschad, die aus dem eigenen Land geflohen waren und in der Zentralafrikanischen Republik gearbeitet und gelebt haben. Der Sudan habe selber große Probleme. Dort sei es aktuell nicht sicherer als in der Zentralafrikanischen Republik. Auch in den Kongo seien Menschen geflohen. Dort sei jedoch nichts organisiert.
Aus Sicht der Salesianer verfügt die Kirche in der Zentralafrikanischen Republik über die besten Mittel, um Friedensarbeit zu leisten. In vielen Ländern Afrikas steht das Volk hinter seinen Bischöfen. Deshalb könnten diese auch offen die Regierungen kritisieren. Darin müsse die Ortskirche unterstützt werden.
Nach diesem interessanten Austausch verbrachten wir den Abend bei Familie Hellemann. Burkhardt Hellemann hat vor drei Monaten seine Arbeit als Koordinator des Zentralen Friedensdienstes (ZFD) in Kamerun begonnen. Er erzählte von der Eingewöhnungsphase und wie sinnvoll es sei, als Verantwortlicher bei der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) auch selber Ortserfahrung gesammelt zu haben.
Der zweite Tag: Gespräche mit dem Friedensaktivist Vincent
Das Wetter war am zweiten Tag schon besser. Wir nahmen früh unser Frühstück auf der Terrasse ein und wurden danach zum Flughafen gefahren. Der Flughafen von Yaoundé und dessen Umgebung ist sehr gepflegt. Man kann sehen, dass es dem kamerunischen Präsidenten wichtig ist, hier Eindruck zu schinden. Der Flug ist die schnellste und sicherste Verbindung zwischen den Städten und so gelangten wir innerhalb von drei Stunden vom Gästehaus in Yaoundé ins Hotel in Douala.
Nach unserer Ankunft trafen wir nun auf den vierten Mann unserer kleinen Delegation: Alexi Rusine aus Ruanda. Alexi wird zusammen mit Hubert Heindl das INOVA-RCA-Friedensprojekt koordinieren. Zusätzlich trafen wir auf Vincent, Absolvent der Friedensuniversität und Praktikant bei INOVA-RCA. Er stammt aus dem Norden Kameruns und berichtete von der Situation der Flüchtlinge dort.
Vincent machte uns darauf aufmerksam, dass man bei der Durchführung des Friedensprojektes INOVA-RCA auf die Jahreszeiten achten müsse. In der Regenzeit seien die Menschen tagsüber auf den Feldern. Wenn man zu dieser Zeit ein Programm anbietet, muss dies am Nachmittag beginnen. Außerdem müsse man sehr vorsichtig mit kulturellen Begebenheiten sein. So könnten Muslime es falsch auffassen, wenn man bei ihnen die Schuhe nicht auszieht. Daher wäre es ratsam, auch muslimische NGOs mit einzubeziehen, um gemeinsame Ziele zu formulieren. In Kamerun scheinen die muslimischen Organisationen besser aufgestellt zu sein. Auch die Mehrheit der Flüchtlinge seien Muslime. Vincent empfiehlt uns für das Friedensprojekt eine Durchführungsdauer von sechs Monaten. Er betont jedoch, dass auch die Friedensaktivisten dazu bereit sein müssten, sich für sechs Monate zu engagieren.
Gegen Mittag verabschiedeten wir uns von Vincent und checkten für den Flug nach Bangui ein.
Fortsetzung folgt ...
Zweite Station: Zentralafrikanische Republik
Tag 1: Ankunft in Bangui
Die Ankunft in Bangui war sehr stimmungsvoll: Wir flogen vom Kongo her über den Oubangui-Fluss in die Zentralafrikanische Republik. Doch schon während der Landung sahen wir zahlreiche Flüchtlinge, die neben der Piste leben. Auf dem Flugplatz standen einige kleine UN-Flugzeuge und zwei Maschinen der Zentralafrikanischen Fluggesellschaft Karinou, die offensichtlich schon seit einiger Zeit nicht mehr in der Luft waren.
Die Fahrt in die Stadt erfolgte über kaputte Straßen. Der Straßenrand war ein Markt voll mit Menschen. Wir sollten in der Nähe des Stadions wohnen, das erst vor ein paar Jahren von China gebaut wurde. Im Centre Mgr. Joseph Cucherusset bekamen wir unsere Zimmer.
Tag 2: Gottesdienst im Flüchtlingslager und Gespräche mit Kirchenvertretern
Den nächsten Tag begannen wir mit dem Gottesdienst in der katholischen Kapelle im Flüchtlingslager am Flughafen. Zelt an Zelt ist das Lager errichtet. Manche Unterkünfte bestehen nur aus einigen Planen, andere sind stabiler gebaut. Es gibt einige zentrale Wasserstellen und Latrinen. Dort in der Nähe befindet sich auch die katholische Kapelle. Die Stimmung im Camp ist so, wie man sie aus Afrika kennt: Die Menschen winken einem zu. Vor allem die Kinder freuen sich, Weiße zu sehen.
Die Kapelle war schon gefüllt, als wir ankamen. Wir wurden auf die Ehrenplätze im Seitenschiff gebracht. Die Kapellengemeinde war gut organisiert. So gab es einen Chor, ein Schlagzeug und eine E-Gitarre. Die Ministranten und Lektoren trugen weiße Gewänder und die Messe wurde stilvoll gefeiert. Zur Kollekte gingen alle nach vorne und legten Münzen in die Körbe. Man konnte keine getrübte Stimmung feststellen.
Nach dem Gottesdienst wurden wir vor allem von Kindern umringt, die sich fotografieren lassen wollten. Einige der Erwachsenen erzählten, dass die meisten Flüchtlinge in ihre Stadtviertel zurückgekehrt seien. Die, die noch im Camp blieben, könnten aus Sicherheitsgründen nicht zurück. Die Rebellen hätten Waffen und die Häuser seien komplett zerstört, abgebrannt und geplündert worden. Man müsse erst aufbauen, bevor man zurückgehen kann. Es dürften noch gut 10.000 Flüchtlinge in dem Camp leben.
Unser Fahrer berichtete, dass nach dem 5. Dezember 2013, als die Anti-Balaka-Milizen in Bangui wüteten, alle geflohen seien. Auch er habe drei Monate im Camp gelebt. 100.000 Flüchtlinge sollen es damals gewesen sein. In dem Lager finden alle Gesellschaftsschichten Unterschlupf: Lehrer, Beamte, Arbeiter, Bauern, etc.
Wie unser Fahrer berichtete, lebt heute kein einziger Muslim mehr in dem Flüchtlingslager und im Zentrum der Hauptstadt. Alle wurden vertrieben. Die Geschäfte der Muslime würden nun von Christen geführt. Dies sei auch nicht gut. Früher habe man friedlich zusammengelebt, erinnerte sich der Fahrer. Heute herrsche der Hass. Bevor die Muslime zurück könnten, müsse ein Versöhnungsprozess stattfinden. Dabei waren weder die Seleka-Rebellen noch die Anti-Balaka-Milizen jeweils religiös geprägt.
Die Franziskaner in der Zentralafrikanischen Republik
Zurück im Zentrum frühstückten wir und besprachen anschließend das Programm der kommenden Tage mit Abbé Frédéric von der Commission Justice & Paix. Den Rest des Tages verbrachten wir auf der Terrasse des Zentrums und empfingen Gesprächsgäste.
Zunächst besuchte uns der frisch geweihte Koadjutor von Kaga Bandoro, der Franziskanerpater Mgr. Thaddée. Die Franziskaner haben zwei Gemeinschaften in der Zentralafrikanischen Republik: eine in Bimbo, am Stadtrand von Bangui, und eine in der Diözese Bangassou. Dort wurde die Pfarrei von den Seleka-Rebellen und der Lord’s Resistance Army (LRA) geplündert.
Der Bischof kam in Begleitung von Frère Raymond (aus dem Kongo) und einem weiteren polnischen Mitbruder. Frère Raymond ist Bauingenieur. Er plant den Bau eines großen Sozialzentrums für Straßenkinder. In Zusammenarbeit mit der Diözese und in Absprache mit den Salesianern vor Ort sollen die Franziskaner das Zentrum führen.
In unserem Gespräch kritisierte Mgr. Thaddée die französischen Medien. Er warf ihnen gezielte Provokation vor. Dadurch, dass die Christen ständig in einem negativen Licht dargestellt würden, könnte es sein, dass die Fundamentalisten aus dem Ausland ihren muslimischen Mitbrüdern zur Hilfe kämen, um Rache an den Christen zu verüben. Dass es gerade die Kirche ist, die sich um Versöhnung und Zusammenarbeit mit den Muslimen bemüht, wird nie erwähnt.
Austausch mit dem Bischof von Alindao
Nach unserem Treffen mit Mgr. Thaddée besuchte uns der Bischof von Alindao, Mgr. Nestor Yapaupa. Er berichtete, dass in seiner Diözese die Seleka das Sagen haben. Zwar sei die UN-Mission „MISCA“ in der Nähe, aber im Prinzip gehe nichts ohne die Rebellen. Viele Menschen würden im Dschungel oder auf ihren Feldern leben, weil sie sich dort sicherer fühlten. Mgr. Yapaupa betonte, dass die Seleka von der Bevölkerung weder respektiert noch akzeptiert werde.
Mit Blick auf den interreligiösen Dialog erklärte er, es bestünden sehr gute Kontakte zu den vier Imamen und den Protestanten. Gemeinsam hätten sie Ansprachen gehalten und eine Interreligiöse Plattform aufgebaut. Auch die Seleka wurde zu den Gesprächen der Plattform eingeladen. Weil die Imame deutlich machten, dass sie in Frieden mit den Christen leben wollten, seien die Muslime in seiner Diözese geblieben. Ferner unterstrich Mgr. Yapaupa, dass vor allem die Traumabewältigung und die Versöhnungsarbeit Priorität in dem Konflikt habe. Die Commission Justice & Paix sei hier am besten geeignet, diese Arbeit zu koordinieren.
Für den Abend stand ein Besuch im Bischofshaus auf dem Programm. Der Erzbischof von Bangui, Dieudonne Nzapalainga, erwartete uns bereits auf seiner Terrasse und empfing uns mit einem festlichen Abendessen.
Fortsetzung folgt …
Teil 3: Bei den Peulh
Hubert Heindl wollte heute in Bangui bleiben, um mit Abbé Frédéric einige Dinge für den Workshop am Mittwoch vorzubereiten, während der Erzbischof von Bangui, Dieudonné Nzapalainga, heute früh mit uns in die Provinz fahren wollte. Um nicht zu spät zurück zu sein, sollte es früh losgehen. Der Konvoi bestand aus vier Fahrzeugen, weil Caritas Bangui und die mobile Klinik mitfahren sollten. Allerdings musste die UN-Mission „MISCA“, die den Erzbischof bei all seinen Fahrten begleitet, noch einen anderen Auftrag erledigen und es gab ein Spritproblem in der Stadt, so dass sich die Abfahrt verspätete.
Der Erzbischof nutzte die freie Zeit, um uns den Compound zu zeigen. Das Grundstück der Mission war sehr groß. Es umfasste auch das Haus der Präsidentin, das in der Nachbarschaft steht. Teile des Grundstücks wurden nach und nach verkauft. Die Ordensgemeinschaft der Spiritaner hatte hier ihre erste Missionsstation. Als die Mission Bischofshaus wurde, wurden Räumlichkeiten für den Erzischof angebaut. Die anderen Gebäude behielten ihre Funktion. So gibt es eine Schreinerei, die momentan wenige Aufträge hat. Der Erzbischof geht davon aus, dass sich dies nach dem Krieg ändern wird, weil dann wieder aufgebaut wird.
Auf dem Compound arbeitete eine junge Frau mit Baby auf dem Rücken an einem Feldstück. Der Erzbischof erzählte, dass die Christin einen Muslim geheiratet habe. Dieser sei aufgrund seiner Ehe verprügelt, aber wie durch ein Wunder nicht getötet worden. Die kleine Familie flüchtete daraufhin zum Erzbischof und seitdem wohnen sie dort. Das Baby kam hier zur Welt. Der Mann arbeitet nun in der Schreinerei, um etwas zu tun und zu lernen.
Besichtigung der Kathedrale
Nach der Besichtigung fuhren die vier Fahrzeuge in die Stadt zur Kathedrale, die eine sehr schöne Architektur hat. Auch die Nebengebäude, Bibliothek und Druckerei sind in hübschen Gebäuden untergebracht. Die Kathedrale ist innen sehr schlicht. Bedauerlich ist, dass der Altarraum mit Fliesen „verschönert“ wurde. Sie erinnern eher an ein Badezimmer. Über dem Altar sieht man Einschusslöcher. Die Seleka-Rebellen hatten die volle Kirche gestürmt und einige Male in die Luft geschossen, ohne jemanden zu verletzten. Die Menschen waren jedoch zu Tode erschrocken.
Ständiger Schutz
Die „MISCA“ begleitete uns in zwei Fahrzeugen mit 16 Soldaten. Der Erzbischof erzählte, dass es immer das gleiche Team sei, das ihm beigestellt würde. Die Soldaten stammen aus Ruanda. Wenn er alleine unterwegs sei, nehme er zwei Soldaten mit ins Auto. Je ein Fahrzeug fuhr am Anfang und am Ende des Konvois.
Kaum hat man die Stadt verlassen, wird die Straße besser. Wie oft in Afrika zu sehen, fährt man immer wieder an kleinen Dörfern vorbei. Die Häuser sind meist mit Lehmziegeln gebaut und mit Stroh oder Blech bedeckt. Kleine Kinder spielen auf dem Boden, ältere spielen Fußball. Die Frauen gehen unermüdlich lange Strecken mit Waren auf dem Kopf.
Die Anti-Balaka-Milizen haben Checkpoints aufgestellt, die wir aber nur dadurch erkennen, weil der Erzbischof uns darauf aufmerksam macht. Sobald sie die Fahrzeuge der „MISCA“ sehen, ziehen sie ihre Barrieren auf die Seite. Andere Fahrzeuge würden aufgehalten und müssten für die Weiterfahrt zahlen.
In Baoli, Bossambele und Yaloke
Wir kamen in Baoli an, der Pfarrei von Abbé Xavier, dem Interimskanzler, der uns in Bangui begrüßt hatte. Die Seleka hatte sich damals rechtzeitig zurückgezogen und in Sicherheit gebracht. Allerdings wurde das Vakuum nicht von der „MISCA“ oder anderen Soldaten gefüllt. Dies nutzte die Anti-Balaka, um gegen die Muslime vorzugehen. In der Pfarrei wurden 1.000 Muslime aufgenommen. Abbé Xavier hatte sich vor diese gestellt und mit der Anti-Balaka verhandelt. Eines Tages wurde Abbé Xavier zu einem Interview gebeten. In dieser Zeit kamen mehrere LKW und nahmen die Muslime mit. Dies muss vorbereitet gewesen sein. Der Erzbischof findet das bedauerlich. Zwar seien die Menschen frei und könnten kommen und gehen wie sie wollten. Besser wäre es aber, wenn man mehr Zeit gehabt hätte, um mit ihnen zu arbeiten. So besteht die Gefahr, dass sie eines Tages zurückkommen, um sich an der Anti-Balaka zu rächen.
Nach der kurzen Pause ging es weiter nach Bossambele. Ebenso wie der Konvent der Schwestern in Baoli wurde auch hier der Konvent geplündert. Die französischen Soldaten des Militäreinsatzes „Sangaris“ hatten in der Region für Ruhe gesorgt und darum gebeten, das Behindertenheim zu beziehen. Sie haben es in einem guten Zustand hinterlassen. Pfarrhaus und Konvent müssten renoviert werden, damit der Pfarrer und die Schwestern zurück können.
Nun ging es bis nach Yaloke. Abbé Dani empfing uns im Pfarrhaus und berichtete, dass der Konvent und das Pfarrhaus geplündert worden seien. Die Schule sei nicht in Betrieb genommen worden, weil die Schwestern nicht da seien. In der Pfarrei läuft momentan ein Programm, bei dem Kinder in die Pfarrei eingeladen werden, um Fußball zu spielen. Gleichzeitig erhalten sie Katechese und weitere Begleitung. Damit sind sie von der Straße fort und nicht mehr unter dem Einfluss der älteren Jugendlichen. Zukünftig möchte man ein Jugendzentrum bauen, um solche Angebote für Kinder langfristig durchzuführen.
Die Pfarrei hat 12 Kapellen, die in Brand gesteckt wurden. In jeder Kapellengemeinde sind zwei Katechisten. Für den Pfarrer ist der regelmäßige Besuch eine finanzielle Belastung, weil der Sprit, der aus Kamerun geliefert wird, sehr teuer ist.
Das Volk der Peulh
Die Muslime, die vornehmlich im Handel tätig waren, haben den Ort verlassen. Einige ihrer Geschäfte wurden daraufhin von Christen übernommen. Die drei Moscheen wurden dem Erdboden gleich gemacht. In der Nähe war eine Gruppe Peulh unterwegs. Die Peulh sind muslimische Nomaden, die mit ihren Rinderherden leben. Das Vieh ist ihr ganzer Besitz und für das Leben der Gesellschaft von größter Bedeutung. Durch den Rinderhandel werden Familien gegründet und Besitz definiert. Die Anti-Balaka hatten die Peulh in eine Falle gelockt und ihnen gesagt, sie würden sie in Sicherheit bringen. Stattdessen stahlen die Milizen jedoch die 12.000 Rinder der Peulh. Während dieses Vorfalls war zufällig der Erzbischof vor Ort. Gemeinsam mit der Unterpräfektin wurde beschlossen, dass die 600 Peulh in und um ihre Residenz leben sollten. Sie selber würde ein Zimmer des geplünderten Konvents beziehen. Das Nomadenvolk wird nun von der Caritas und UNICEF betreut.
Zu unserem Gespräch stießen nun auch die Unterpräfektin und der Bürgermeister hinzu. Gemeinsam gingen wir zu den Peulh, wo wir sehr herzlich empfangen wurden. Die Nomaden haben ihre Matten rund um die Residenz gelegt. Sie würden gerne Matratzen und Zelte bekommen, um mit ihren Familien darin leben zu können. Die Geschlechter sind bei dem Volk streng getrennt. Wir wurden auf die Matten eingeladen und saßen mit den Männern zusammen, während die Frauen im Hintergrund blieben und sich um das Essen und die Wäsche kümmerten. Wir fragten uns, warum es bisher nicht möglich war, einige Zelte zu liefern. Es wird viel Geld für Militär ausgegeben, aber solche einfachen Dinge wie Matratzen und Zelte können nicht finanziert werden?
Der Besuch bei den Peulh war für uns sehr wichtig – nicht nur wegen des Zeichens der Solidarität, sondern auch weil wir mit eigenen Augen sehen konnten, unter welchen Umständen sie leben und welche Hilfe sie erhalten.
Für den Abend hatte der Erzbischof ein Abendessen in seinem Haus vorbereiten lassen. Ein weiterer Tag in der ZAR ging damit mit neuen Eindrücken zu Ende.
Fortsetzung folgt …
4. Teil: Die Interreligiöse Plattform
Der nächste Höhepunkt der Reise stand an: Wir sollten die Interreligiöse Plattform im Bischofshaus treffen. Nach dem Frühstück nahmen wir uns ein Taxi und fuhren die uns mittlerweile vertraute Straße am Oubangui-Fluss zum Bischofshaus. Auf der Terrasse warteten bereits Erzbischof Nzapalainga, Imam Koubine und Pastor Nicolas. Das war ein schönes und herzliches Wiedersehen. Wie in Deutschland auch fand der Austausch im Gesprächszimmer in herzlicher und vertrauter Weise statt. Die drei Religionsführer beeindrucken in ihrer Art und in ihrem Respekt.
Fehlende Mittel
Bei dem Gespräch wurde deutlich, dass die Plattform keine geeignete Struktur hat, um professionell Anträge zu formulieren. Um jemanden zu beauftragen, fehlen jedoch die Mittel. Zwar hätten NGOs wie „Inter News“ versprochen zu helfen, bisher sei aber nichts geschehen. Dabei sei die Plattform als solche offiziell anerkannt und kann als Einrichtung aktiv werden.
Man wünscht sich, dass die Plattform Strukturen erhält, also ein operatives Büro mit Fachkräften. Allerdings fehlen auch dafür die Gelder. Bisher wurden die Ausgaben der Plattform von NGOs wie „Crisis Action“ oder von befreundeten Bischofskonferenzen getragen.
Die Plattform war vor ein paar Wochen in Ruanda gewesen. Zwar sei die Situation nicht zu vergleichen, dennoch gebe es Parallelen und gerade bei der Konfliktbewältigung gäbe es Ansätze, die interessant seien. Der Imam und der Pastor informierten über anstehende Wahlen in ihren Gremien. Auch ihre Ämter stünden zur Wahl an. Wir sollten beten, dass sie wiedergewählt würden. In der aktuellen Situation ist die Kontinuität dieses Teams sehr wichtig.
Fortsetzung folgt …
Teil 5: Der Workshop für den Frieden
Wir hatten uns ja schon daran gewöhnt, abends ohne Licht ins Bett zu gehen und früh aufzuwachen. Der staatliche Strom wird gegen 18:00 abgeschaltet. Im Zentrum gibt es einen Generator, den die Schwestern bis um 21:00 Uhr betreiben. Dann ist Nachtruhe. Wenn man nicht beim Licht der Taschenlampe oder im Kerzenschein arbeiten möchte, bleibt einem nichts anderes übrig als früh ins Bett zu gehen.
Auf der anderen Seite hört man nachts die Pfingstgemeinden bis 3:00 Uhr morgens singen. So oder so ist man also früh wach. Am Mittwoch wurden wir jedoch von einem Gewitter geweckt. Es donnerte und blitzte. Man meinte, der Blitz würde direkt neben einem einschlagen. Wassermassen kamen vom Himmel herunter. Der ganze Platz war überschwemmt, so dass man erfinderisch sein musste, um von einem Gebäude zum anderen zu gelangen.
Dabei sollte heute ab 8:00 Uhr unser Workshop stattfinden. Nur spärlich kamen die Teilnehmer an. Ich fürchtete, dass es insgesamt nur Wenige sein würden. Um 10:00 Uhr waren aber doch über 40 Teilnehmer eingetroffen. Der Saal war voll.
„Siriri – Friede“
Wir begannen unter der Moderation der Kollegen von APTE mit einer Vorstellungsrunde. Dabei stellte jeder sich selbst und seine Arbeitsstelle vor. Viele nutzten die Gelegenheit, um deutlich zu machen, dass sie Frieden in ihrem Land wünschen und mit ihrem Netzwerk einen Beitrag dazu leisten wollen.
Im Anschluss an die Vorstellungsrunde bat Alexi Rusine die Teilnehmerin Clarisse, ein Lied zu singen. Es war ergreifend, als sie ein Friedenslied anstimmte und alle – Jung und Alt, Männer und Frauen, Christen und Muslime –gemeinsam mit dem Erzbischof das Lied sangen: „Siriri – Friede“.
Aktivitäten und Perspektiven
Nach einer kurzen Pause ging es mit der Vorstellung der Aktivitäten weiter. Vertreten waren die Kommission Justitia et Pax, Muslimische Jugend, Gläubige Frauen, das Netzwerk der NGOs für die Menschenrechte, die Diözesen Bossangoa, Bouar und Berberati, das Netzwerk „Glaube – Kultur – Erziehung“, die Evangelikale Allianz in Zentralafrika, Medien, Dynamik Frieden und Entwicklung. Sieben Absolventen verschiedener Friedensuniversitäten (UPAs) waren anwesend, die zu den genannten Gruppierungen gehören.
Viele der teilnehmenden Gruppierungen nutzen das Radio für ihre Programme, um Werbung zu machen und um für ihre Themen zu sensibilisieren. Einige arbeiten eng mit der Interreligiösen Plattform zusammen. Andere haben Kontakte zur Seleka und den Anti-Balaka. Einige sind in den Flüchtlingscamps aktiv, zum Beispiel die Gläubigen Frauen, die den muslimischen Frauen dort Unterstützung leisten. Auch auf akademischer Ebene gibt es Aktivitäten, wie beispielsweise die Seminare und Kolloquien der Menschenrechtsgruppen und des Kulturnetzwerks.
Im nächsten Schritt wurden in gemischten Gruppen die Perspektiven der Friedensarbeit ausgelotet. Dabei kamen die Themen „Sicherheit wieder herstellen“, „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ und „Frieden“ zur Sprache. Um diese Ziele zu erreichen seien Ausbildungsmaßnahmen notwendig – und zwar auf allen Ebenen: sowohl auf der Führungsebene als auch in den Dörfern. Auch sei eine bessere Zusammenarbeit zwischen den lokalen und den internationalen NGOs notwendig.
Fortsetzung folgt …
Teil 6: Bei den Salesianern und im Großen Seminar
Am letzten Tag unserer Reise in die Zentralafrikanische Republik konnten wir noch einige Einrichtungen besuchen. So fuhren wir beispielsweise zu den Salesianern. Im Konvent angekommen wurden wir von P. Léon empfangen, der aus Congo-Brazzaville stammt. In der Kommunität leben vier Salesianer. Der Salesianer-Pater berichtete, dass die Mission am 24. März 2013 von der Seleka überfallen wurde. Alle Fahrzeuge, PCs und Geld wurden damals entwendet.
Als die Anti-Balaka-Milizen am 5. Dezember 2013 in Bangui ihr Unwesen trieben, flohen viele Familien zu den Salesianern. 60.000 Menschen lebten damals auf 8 Hektar. Auch im Konvent wurden Leute untergebracht. Mit Hilfe der Salesianer aus Bonn und der USA konnte diesen Menschen geholfen werden. Nach zwei Wochen kamen Unicef, Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen, um sich um die Kinder und Kranken zu kümmern. Eine Wasserversorgung und Latrinen wurden eingerichtet. Dem Danish Refugee Council (DRC) obliegt derzeit die Verwaltung des Camps. Das Programme Alimentaire Mondial (PAM) stellt Nahrungsmittel, die von der Organisation „Copy“ verteilt werden. Momentan befinden sich noch 2.000 Flüchtlinge auf dem Gelände. Sie leben unter großen Zelten, in denen notdürftig Abtrennungen und Moskitonetze angebracht sind. Privatsphäre gibt es nicht. Die Gewalt ist alltäglich. Nach 19:00 Uhr gehen die Patres nicht mehr raus. Schlägereien und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Das Sozialgefüge ist massiv gestört. Streitende werden nicht getrennt, Vergewaltigungen nicht verhindert. Die Flüchtlinge können noch nicht zurück, weil ihre Häuser zerstört sind oder die Sicherheit nicht gewährleistet ist. Viele waren Mieter und haben jetzt kein Geld mehr, um ihr Zuhause zu bezahlen.
Zentralafrika vor Verfassungs-Referendum: Fragiler Friede in Gefahr
Rund 60 Verletzte nach Wahlen in Zentralafrikanischer Republik
Wahl in Zentralafrikanischer Republik – Spannungen in Provinzen
Fehlende Gelder für die Schulen
Einige Anti-Balaka-Milizen haben darum gebeten, in die technische Schule aufgenommen zu werden. Aufgrund der großen Zahl der Flüchtlinge funktioniert diese momentan nicht richtig. Dabei wäre die Schule eine gute Möglichkeit, die jungen Menschen von der Straße zu holen. Einige der Anti-Balaka waren früher Schüler von Don Bosco und wollen zurück, andere melden sich neu. Bedingung zur Aufnahme ist jedoch die Abgabe der Waffen.
Aktuell fehlt es jedoch an Geldern, um die Schulen weiter zu betreiben. Unicef hat das Programm vor einer Woche beendet. Man hofft nun, dass die UN-Mission „MINUSCA“ helfen wird.
Im Flüchtlingscamp
Während wir das Camp besichtigten traf ein LKW mit Nahrungsmitteln ein. Das war eine große Freude für die Leute. Kinder rannten hinter dem Laster her. Die Situation der Flüchtlinge ist erbärmlich. Nach dem gestrigen Regen steht das Wasser zwischen den Zelten. Trotzdem wird in und vor diesen gekocht. Man lebt sehr eng zusammen. Die Kinder begrüßten uns mit Jubel und hingen in Trauben an uns. Im Camp gibt es auch Kleinhandel. Frauen verkauften Gebäck, Gemüse und Haushaltswaren.
Man kann nur hoffen, dass bald eine Lösung für diese Situation gefunden wird. Lange können die Flüchtlinge nicht mehr auf dem Gelände bleiben. Man muss auf jeden Fall eine permanente Installation verhindern.
Das Große Seminar
Nach einer kurzen Pause im Zentrum fuhr ich mit Abbé Frédéric von der Kommission Justitia et Pax nach Bimbo zum Großen Seminar. Da der Rektor, P. Edouard, krank war, wurde ich von P. Richard, dem Spiritual des Seminars, empfangen. Nachdem dieses im Jahr 2005 geschlossen worden war, bat man die Jesuiten und Dominikaner, sich um die Ausbildung der Seminaristen zu kümmern. Das Team wird von Dozenten der Universität unterstützt.
Derzeit ist ein Lehrbetrieb im Seminar allerdings nicht möglich. Am 5. Dezember 2013 flüchteten 15.000 Menschen dorthin. Wegen der großen Bibliothek und der Einrichtung selbst, hatten die Geistlichen die UN-Mission „MISCA“ gebeten, das Seminar zu schützen. So konnten es die Seleka-Rebellen nicht plündern. Der Eingang des Seminars wird nun von einem eigenen Selbsthilfekomitee bewacht. Alle Flüchtlinge, die dort Unterschlupf suchten, wurden auf Waffen durchsucht und registriert. Es gibt eine organisierte Lagerverwaltung. Das Camp selbst ist in Parzellen aufgeteilt, wovon jede einen Chef hat.
Durch diese Struktur wurde die Gewalt von Anfang an verhindert. Die Flüchtlinge leben auch in den Klassenräumen und Unterkünften der Seminaristen. Die Kapelle hat man wieder frei gegeben. Derzeit leben noch 8.000 Flüchtlinge dort.
Der Betrieb des Seminars war nur dadurch möglich, dass man zu den Kongregationen in der Nähe umgezogen ist. Im kommenden Jahr soll der Unterricht wieder im Seminar selbst stattfinden. Dafür sollen die Flüchtlinge auf eine Seite des Seminars verlegt werden, so dass die Räumlichkeiten freigegeben werden.
Das Seminar hat derzeit 20 Seminaristen und 20 Seminaristen der Kongregationen, die jedoch in ihren Häusern wohnen. Aktuell gibt es drei Jahrgänge der Philosophie sowie das praktische Jahr. 2015 beginnt das erste Jahr Theologie.
Gespräch mit dem Kanzler von Bambari
Während des Gesprächs war der Kanzler von Bambari gekommen, der auch am Workshop teilgenommen hatte. Er berichtete, dass der Bischof von Bambari, Edouard Mathos, in Frankreich sei. Die Situation in seiner Diözese habe ihn mitgenommen. Am 7. Juli 2014 hätten die Seleka-Rebellen die 12.000 Flüchtlinge, die sich in der Kathedrale aufhielten, angegriffen. Alle seien daraufhin geflohen. Das Bischofshaus und die Kathedrale seien geplündert und drei Fahrzeuge angezündet worden. Die Seleka hätten dem Bischof angeboten, ihn im eigenen Lager zu schützen. Der Bischof habe dies verweigert und sei stattdessen im Bischofshaus geblieben. Deshalb sei er bis zum Schluss von der Seleka dort bewacht worden. Mittlerweile seien die Rebellen jedoch abgezogen.
Nach diesem interessanten Austausch besuchten wir das Sekretariat der Bischofskonferenz, der Caritas und weitere Kongregationen. Dabei legten wir einen kurzen Stopp bei den Kapuzinern ein, die ebenfalls Flüchtlinge untergebracht haben. Außerdem hielten wir bei den Franziskanern und wurden von P. Norman empfangen. Frère Raymond und P. Barnabe waren leider nicht da.
Die Franziskaner haben eine Gemeinschaft in Rafai in der Diözese Bangassou. Dort führen sie eine Pfarrei. Frère Raymond hat dort ein Jugendzentrum aufgebaut. Mit den dort ausgebildeten Jugendlichen wurde vor drei Jahren das Haus in Bimbo gebaut. Dieses ist sehr schön und sieht robust aus. Frère Raymond schwebt nun vor, ein solches Jugendzentrum auch in der Hauptstadt Bangui zu bauen, um Jugendlichen eine Ausbildung zu vermitteln. Dabei wird an eine ähnliche Struktur wie diejenige der Salesianer gedacht. Eine Absprache mit dem Bischof und den Salesianern scheint nötig zu sein.
Wir fuhren zurück zum Zentrum und nach einer kleinen Pause ging es dann zum Bischofshaus, wo uns der Erzbischof mit einem Abschiedsessen erwartete.
Fortsetzung folgt …
Teil 7: Grünes Licht für das Friedensprojekt - Zurück in Kamerun - Epilog
Im Bischofshaus in Bangui werteten wir zunächst die Reise aus und zogen ein positives Fazit des Workshops. Auch Erzbischof Dieudonné Nzapalainga war angetan und sagte seine Unterstützung für das Projekt „INOVAR-CA“ zu.
Zum Abendessen kam auch Imam Koubine. Pastor Nicolas konnte nicht kommen, weil er in der „roten Zone“ wohnt und abends das Haus nicht verlassen soll. Erzbischof Nzapalainga hatte Ziege aus der eigenen Haltung zubereiten lassen. Es war ein sehr schöner letzter Abend und wir verabschiedeten uns in der Hoffnung, uns bald wieder zu sehen.
Am Freitag ging es schon früh zum Flughafen. Als wir ankamen war dieser jedoch noch nicht geöffnet. Eigentlich hätte der Erzbischof mit uns fliegen sollen. Die Spiritaner hatten dann aber wohl aus Kostengründen einen anderen Flug gebucht. Obwohl an diesem Tag nur zwei Flüge gingen, war im Terminal großes Chaos. Auch aus diesem Grund und weil uns Internet angeboten wurde, bezahlten wir den Zugang zur Lounge.
Mit einer Stunde Verspätung flogen wir nach Douala in Kamerun. Bei der Ankunft regnete es in Strömen. Aus dem Fenster sahen wir überflutete Felder und Häuser, die illegal gebaut wurden. Unser Kollege Alexi Rusine hatte Probleme, ein Transitvisum zu bekommen.
Eine Kollegin der Organisation „Afrique Future“, Mme. Aline, nahm uns im Taxi mit zur Kathedrale, während der Fahrer Michel auf Alexi wartete. Die Kathedrale befindet sich im Zentrum der Stadt. Wir konnten froh sein, dass Samuel Kleda, Erzbischof von Douala und Vorsitzender der Kamerunischen Bischofskonferenz, uns trotz Verspätung empfing. Denn am kommenden Tag sollte er zum Ad-limina-Besuch nach Rom fliegen.
Der Leiter der Kommission Justita et Pax, Abbé Isaac, war extra aus Yaoundé gekommen, um an dem Gespräch teilzunehmen. Wir berichteten von unserer Reise und von INOVARCA.
Das Projekt im Detail
INOVAR-CA steht für „Intervention non violante active et rapide en Centrafrique“. INOVAR-CA ist ein Projekt der Agentur APTE, die seit vielen Jahren die Friedensuniversitäten (UPA) in verschiedenen Ländern Afrikas organisiert. Aus der Universität heraus ist das neue Projekt „INOVAR-CA“ entstanden, das erstmals 2009 in Burundi durchgeführt wurde.
Im Rahmen der „AKTION Gewaltfreie Intervention zu Deeskalation, Gewaltprävention und Versöhnung“ leben und arbeiten internationale (afrikanische) Friedensfachkräfte für zunächst sechs Monate zur Solidarität und Unterstützung lokaler Initiativen in der Zentralafrikanischen Republik.
Das Projekt „INOVAR-CA“ besteht aus drei Schritten, die zunächst je einzeln realisiert werden und aus denen jeweils der nachfolgende Schritt entsteht und geplant wird.
- Solidaritäts- und Kontaktreise nach Bangui (ggf. auch in umliegende Flüchtlingsländer, insbesondere Kamerun/Douala).
- Die Versammlung von 20 FriedensarbeiterInnen zur Vorbereitung der Interventionsteams in den Dörfern und Gemeinschaften, die ein internationales Friedensteam einladen möchten. Hier greift man vor allem auf die Erfahrung des Modells „INOVAR“ zurück und die 175 Friedensfachkräfte, die aus der Friedensuniversität UPA-Université de Paix en Afrique hervorgegangen sind.
- Sechs Monate Piloteinsatz von zunächst vier Teams, mit jeweils vier afrikanischen internationalen FriedensarbeiterInnen.
Da auch geplant ist, im Grenzgebiet zwischen Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik ein Team einzusetzen, das dort in den Flüchtlingscamps tätig werden soll, wollten wir die Zustimmung der Kamerunischen Bischofskonferenz einholen.
Gespräche mit dem Erzbischof von Douala
Mgr. Kleda hörte aufmerksam zu und zeigte sich sehr interessiert. Er macht sich große Sorgen, weil zusätzlich auch an der Grenze zu Nigeria immer mehr Flüchtlinge ankommen, die vor Boko Haram fliehen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Übergriffe der radikal-islamischen Gruppe in Kamerun. Er fragt sich, wer genau hinter Boko Haram steht und die Terrorgruppe unterstützt. Dass man bis heute nicht in der Lage sei, die entführten Mädchen zu finden, kann er nicht glauben. Er ist überzeugt, dass die Fundamentalisten Unterstützung aus dem Westen bekommen.
Daher begrüßte er die Initiative von APTE und sagte seine Unterstützung zu. Unter der Koordinierung von Justitia et Pax und der lokalen Caritas solle man in der Erzdiözese Bertoua aktiv werden. Diese grenzt an die Diözese Bouar. Ein Vertreter dieser Diözese hatte an dem Workshop in Bangui teilgenommen. Der Erzbischof betonte, dass es bei dem Einsatz vor allem um Versöhnung gehen müsse. Er würde mit Mgr. Joseph Atanga, dem Erzbischof von Bertoua, sprechen.
Die nächsten Schritte
In zwei Wochen soll ein Koordinierungstreffen mit allen beteiligten Hilfswerken bei der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH, heute AGIAMONDO) stattfinden. Im Oktober findet die zweite Phase des INOVAR-Projekts statt. Dann treffen sich die acht Friedensaktivisten mit APTE zu einem zweiwöchigen Vorbereitungsseminar in Bangui.
Im Januar beginnt schließlich der sechsmonatige Einsatz der vier Interventionsteams. Als Einsatzorte in der Zentralafrikanischen Republik hielten wir zunächst die Orte Yaloke und Bouali fest. Hier wurden Konvente und Häuser geplündert und die Peulh beraubt. Eine gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung dort ist gewährleistet. Ein weiterer Einsatz ist in der Hauptstadt Bangui angedacht. Hier wird mit der protestantischen Seelsorge der Polizei zusammengearbeitet. Das dritte Team soll in der Diözese Alindao aktiv werden. Erzbischof Nzapalainga hatte uns berichtet, dass dort die Interreligiöse Plattform installiert worden und eine Kommunikation mit den rivalisierenden Gruppen möglich sei. Das vierte und letzte Team soll in Kamerun aktiv werden. APTE wird in den kommenden Wochen mit den jeweiligen Bischöfen Kontakt aufnehmen und den weiteren Ablauf klären. Nur wenn die Zusage der Bischöfe vorliegt, ist ein Einsatz gewährleistet.
Ein positives Fazit
Insgesamt können wir ein positives Fazit unserer Reise ziehen. Wir waren zu einer Solidaritäts- und Recherchereise aufgebrochen, hatten interessante Gespräche mit verschiedenen Persönlichkeiten geführt und konnten unsere Solidarität zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig gewannen wir den Eindruck, dass es Persönlichkeiten in der Zentralafrikanischen Republik gibt, mit denen man arbeiten kann und die in der Lage sind, als Partner in Projekten tätig zu werden. Im Medienbereich, wie dem Radio, müssen Fachleute ausgebildet werden. Bei der Caritas scheint bereits fachliche Hilfe vor Ort zu sein. Der Catholic Relief Service „CRS“ und „Cordaid“ stellen entsprechendes Personal bereit. Außerdem verfügt die Caritas mit M. Bernard über einen Berater.
Am 15. September 2014 kommen tausende UN-Blauhelme in die Zentralafrikanische Republik, die das Land befrieden sollen. Der Beitrag der Kirche mit dem Projekt „INOVAR“ erscheint klein im Vergleich. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der Einsatz der kleinen Friedensteams eine sinnvolle friedliche Ergänzung zum militärischen Einsatz ist und möglicherweise nachhaltiger sein wird.
Am Abend wurden wir zum Flughafen gefahren. Alexi Rusine verbrachte die Nacht in Douala, weil der Flug der Ruandair erst am kommenden Morgen stattfand. Mit einer Stunde Verspätung flogen wir gegen Mitternacht zurück nach Europa.
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