Der Öko-Flüsterer des Papstes

Der Öko-Flüsterer des Papstes

Auszeichnungen ‐ Erwin Kräutler gehört zu den bekanntesten Bischöfen Lateinamerikas. Sein Einsatz für Menschen und Umwelt am Amazonas brachte ihm den „Alternativen Nobelpreis“ - und jetzt den Bayerischen Naturschutzpreis.

Erstellt: 22.02.2016
Aktualisiert: 22.02.2016
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Hätte es einer Bestätigung für das Lebenswerk von „Dom Erwin“ Kräutler bedurft, dann wäre es die Papstwahl von Jorge Mario Bergoglio im März 2013 gewesen. An die Ränder gehen, sich auf die Seite der Entrechteten stellen, wie es Franziskus fordert - das tut der gebürtige Österreicher bereits seit vielen Jahrzehnten.

Als „Amazonas-Bischof“ wird Kräutler landläufig bezeichnet; sein Bistum Xingu ist das flächenmäßig größte Brasiliens. Zuletzt ist „Dom Erwin“ sogar so etwas wie der Übersetzer von Papst Franziskus für den Begriff „Human-Ökologie“ geworden: als einer der „Ghostwriter“ der päpstlichen Umweltenzyklika „Laudato Si“. Am Sonntag wurde er in Nürnberg mit dem Bayerischen Naturschutzpreis ausgezeichnet.

„Dom Erwin“ trägt gern Turnschuhe und einen schlichten Priesterornat. Der Platz des 76-Jährigen ist in den Gemeinden im Regenwald, die sonst nur selten einen Priester zur Messfeier haben; an der Seite der entrechteten Indios, deren Lebensraum von Großunternehmen zerstört wird. Kräutler ist ein Mann des geraden Wortes, auch wenn es bedrohlich wird. Wirtschaftsbossen und Landräubern, Holzhändlern und Großgrundbesitzern stellt er sich in den Weg.

An der Seite der Ureinwohner und der Landlosen

1939, nur wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in Vorarlberg geboren, personifiziert „Dom Erwin“ die Entwicklung der Kirche Lateinamerikas seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965). Den jungen Ordenspriester rief 1965 sein Onkel, Bischof Erich Kräutler, nach Brasilien. Bei ihrer Generalversammlung in Medellin 1968 beschlossen die Bischöfe Lateinamerikas eine grundlegende Neuordnung der Seelsorge: eine Kirche, gemeinsam auf dem Weg. Kleine Gemeinden mit viel Laienverantwortung, schon bald „kirchliche Basisgemeinden“ genannt, sollten zur Keimzelle der Kirche werden; die wenigen Priester sollten möglichst viel bei den Menschen sein.

Als langjähriger Bischof von Xingu und Präsident des CIMI, des Indigenen-Missionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz – von beiden Ämtern wurde er Ende 2015 entpflichtet – kämpfte Kräutler für die Rechte der Ureinwohner und der Landlosen im Amazonas und für den Schutz des Regenwaldes. 2010 wurde er dafür mit dem sogenannten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet; auch er selbst erhielt Morddrohungen. Bis heute steht er unter dauerndem Polizeischutz. Seinen allmorgendlichen Fünf-Kilometer-Spaziergang kann er deshalb nicht mehr am Fluss absolvieren, sondern nur noch im Haus.

1983 machte Kräutler international Schlagzeilen, als er während der Militärdiktatur von der Polizei verprügelt wurde. Er hatte sich mit Zuckerrohrschnittern solidarisiert, die fast ein Jahr auf ihren Lohn gewartet hatten. In ihrer Verzweiflung besetzten sie die zentrale Straße „Transamazonica“. Auch Kräutler, der zur Verhinderung einer Eskalation herbeigeeilt war, wurde als vermeintlicher Aufwiegler angegangen. Journalisten dokumentierten, wie er von Sicherheitskräften zu Boden geworfen und abtransportiert wurde.

„Lasst ihn los – er ist unser Bischof!“

Kräutler selbst meint, er habe damals nur seinen Job gemacht: Er sei bei den Menschen gewesen. Die scharten sich um ihn und schrien: „Lasst ihn los – er ist unser Bischof!“ Das war, sagt er rückblickend, „für mich wie eine zweite Bischofsweihe“. 1987 wurde er bei einem mysteriösen Autounfall schwer verletzt – als er sich dafür einsetzte, die Rechte der Indigenen in der neuen Verfassung zu verankern. Der Kampfeswille ist weiter da – auch die Empörung über Menschenrechtsverletzungen, soziale Missstände und das Riesenstaudammprojekt am Xingu-Fluss, durch das Zehntausende Menschen ihnen Lebensraum verlieren und die Natur weiträumig verwüstet wird.

Ende Dezember hat Franziskus „Dom Erwin“, einen der „Ghostwriter“ seiner vielbeachteten Umweltenzyklika „Laudato Si“, mit 76 Jahren in den Unruhestand entlassen. Seinen Kampf an der Seite der Indios und der Umweltschützer will er weiterkämpfen – wenn Kampf bedeutet, sich Unrecht entgegenzustellen.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

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