Zu Fuß durch Europa für Gott und das Klima
Klimapilgerweg ‐ Mehr als 130 Klimapilger haben in diesen Tagen den westfälischen Teil des Bistums Münster erreicht. Für die Teilnehmer des Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit, der Ende November beim Weltklimagipfel in Paris endet, ist die ökumenische Aktion weit mehr als nur ein politisches Statement.
Aktualisiert: 14.10.2015
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Die vegetarische Suppe ist fast aus. „Bei Menschen, die aus Klimaschutzgründen wandern, hätte man sich das ja denken können“, meint Maria Bäumer trocken. Die Katholikin hilft, die rastende Pilgergruppe im Stiftshof der evangelischen Kirchengemeinde in Tecklenburg-Leeden zu versorgen, und bei den meisten Pilgern ist Fleisch, da als klimaerwärmender CO2-Treiber bekannt, verpönt.
Es sind die kleinen Zeichen, die zählen, wie die vegetarischen Speisen oder der selbstgemachte Apfelsaft des Heimatvereins Leeden, auf dem Weg zum großen Weltklimagipfel Ende November in Paris: Unter dem Leitgedanken „Geht doch!“ führt der ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit am 13. Oktober mehr als 130 Klimapilger über die Bistumsgrenze von Osnabrück nach Lengerich. Schon einige Tage vorher hatten die Pilger den niedersächsischen Bistumsteil durchquert.
Sie sind Teil einer europaweiten Klimaschutz-Kampagne von evangelischer und katholischer Kirche, Entwicklungsdiensten und Naturschutzverbänden. In Leeden stoßen unter anderem 60 Teilnehmer der Konferenz Europäischer Kirchen dazu. Die ersten Pilger sind im Juni im norwegischen Spitzbergen gestartet. Ziel ist die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Frankreich, wo ein neues internationales Klima-Abkommen beschlossen werden soll.
„Soweit mich meine Füße tragen und Gott will, bin ich dabei.“
Philosophie der kleinen Schritte und politische Aktion
Die Philosophie der kleinen Schritte im Mix mit politischer Aktion ist es, die die Pilger am Laufen hält. „Wir gehen achtsam“, betont Carmen Speck. Die 57-Jährige ist seit Hamburg dabei. Für sie ist es ein Pilgerweg, keine Wanderung. Das macht die Gruppe deutlich, indem sie zumindest eine Stunde pro Etappe schweigend zurücklegt. Augen und Ohren offenhalten und die Umwelt bewusst wahrnehmen, das stecke dahinter. Der Hamburgerin ist es ein großes Anliegen, dass die Botschaft der Klimapilger von der globalen Dimension des Klimawandels in Paris ankommt. „Soweit mich meine Füße tragen und Gott will, bin ich dabei“, sagt sie.
In Lengerich werden die Pilger am „Markt der Möglichkeiten“ empfangen: Vom Bund für Naturschutz über Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und Klima-Kommune Saerbeck bis zur Öko-Rockband stellen sich Naturschutz-Akteure in der Gempthalle vor.
Konkrete Infos für ökofairen Einkauf hat Thomas Kamp-Deister von der Fachstelle Weltkirche/Schöpfungsbewahrung des Bischöflichen Generalvikariats Münster im Gepäck. „Kosten einsparen und ökologisch einkaufen, da rennen wir ja bei den Kirchen offene Türen ein“, wirbt er für die Initiative „Zukunft einkaufen – glaubwürdig wirtschaften in Kirchen“. Als Etappenkoordinator für den Klimapilgerweg durch Deutschland sieht Kamp-Deister den ersten Weg durch den westfälischen Teil des Bistums als „gelungene Auftaktveranstaltung“.
Klimapolitik – auch eine Frage des Glaubens
„Es ist nicht nur eine Frage der Politik, es ist auch eine Frage des Glaubens, wie wir mit den Herausforderungen des Klimawandels umgehen“, macht der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Abend bei der Begrüßungsveranstaltung in der Gempthalle deutlich. Das Tempo, mit dem sich das Klima verändere, lasse keine politischen Verzögerungen zu: „Die USA haben einen CO2-Ausstoß von 17 Tonnen pro Kopf pro Jahr, Deutschland 10 Tonnen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es maximal zwei Tonnen pro Kopf sein dürfen, um die Klimaerwärmung aufzuhalten“, lässt der EDK-Ratsvorsitzende und einer der Schirmherren des Klimapilgerweges Fakten sprechen.
Die Emission in Tansania liege bei 0,5 Tonnen pro Kopf pro Jahr. In dem afrikanischen Land verdorrten Felder, die vor Jahren mit Geldern der Entwicklungshilfe entstanden: „Ich weiß, dass nicht die Menschen dort für das verantwortlich sind, was sie erleiden, sondern Menschen in anderen Ländern der Welt, die Wohlstand genießen“, kritisiert Bedford-Strohm. Das Wort Pilgerweg passe sehr gut zum Thema Klimagerechtigkeit: „Es drückt die Basis aus, auf der unsere Engagement besteht, nämlich die Basis unseres christlichen Glaubens, im Gebet.“ Wer pilgere, bewege sich, halte inne und erspüre „die Ressourcen Gottes, der in uns wirkt, und bekommt so die Kraft für sein Handeln“. Klimapilgern heiße, die geistliche Gründung, die geistliche Kraft mit dem öffentlichen Engagement, mit der Liebe zur Welt zu verbinden.
Keine Demo
Auf die inhaltliche Leitspur des Klimapilgerwegs geht Weihbischof Stefan Zekorn ein, indem er aus der Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus zitiert: „Alles ist miteinander verbunden, Kultur, Technik, Wirtschaft, Umwelt und Lebensstil greifen so ineinander, dass es keinen Sinn macht, nur an einer Stelle zu arbeiten.“ Einzelmaßnahmen seien hilfreich, aber da alles verbunden sei, „brauchen wir eine veränderte Grundhaltung bei uns und in der ganzen Gesellschaft“. Eine große Chance des Pilgerweges sei es, „alle mitzunehmen, mitzureißen in so eine Spiritualität hinein, die das Bewusstsein in der Gesellschaft verändert und uns daraus leben lässt, dass wir nicht die letzte Instanz der Schöpfung sind, sondern ein Teil von ihr“. Der Pilgerweg sei keine Demo, sondern eine Weise des Lebens, die Schöpfung zu achten.
„Sie wissen nicht, wie wichtig es ist, was Sie machen“ bekomme er oft von Politikern zu hören, sagte der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit aus Genf. Politiker hätten viele Themen zu bearbeiten, „die Kirche habe nur eine Agenda: die Wahrheit zu sagen und die Botschaft zu geben. Es wäre ein Skandal, wenn diese Botschaft nicht Paris erreichen würde“, sagt der norwegische Lutheraner in seinem Grußwort.
Noch sieben Tage sind die Pilger im westfälischen Teil des Bistums unterwegs. Nächster Halt ist die Klimakommune Saerbeck, gefolgt vom Flughafen Münster / Osnabrück, Greven, Münster, Rinkerode, Herbern und Lünen.
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