Willkommen in Mexiko!

Willkommen in Mexiko!

Nicht erst seit Papst Franziskus ist deutlich geworden, dass lateinamerikanische Theologie und pastorale Praxis der europäischen Kirche wertvolle Impulse zu geben vermag. Daher machen sich Mitte August 27 engagierte Männer und Frauen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf den Weg nach Mexiko – und berichten live von vor Ort. Ab dieser Woche können Sie das entsprechende Reisetagebuch auf dem Internetportal Weltkirche lesen.

Erstellt: 18.08.2014
Aktualisiert: 18.11.2022
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Nicht erst seit Papst Franziskus ist deutlich geworden, dass lateinamerikanische Theologie und pastorale Praxis der europäischen Kirche wertvolle Impulse zu geben vermag. Daher machen sich Mitte August 27 engagierte Männer und Frauen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf den Weg nach Mexiko – und berichten live von vor Ort. Ab dieser Woche können Sie das entsprechende Reisetagebuch auf dem Internetportal Weltkirche lesen.

Bild: © Angelika Kamlage

Durch den Leiter der Betriebsseelsorge, Wolfgang Herrmann, pflegt Rottenburg-Stuttgart seit vielen Jahren intensive Kontakte zur Diözese Ciudad Guzmán in Mexiko. Ziel der Reise vom 16. August bis 1. September, ist es, die pastorale Praxis vor Ort kennenzulernen und Impulse für die eigene Gemeindeentwicklung in Deutschland zu sammeln.

Neben dem gemeinsamen Austausch über den pastoralen Weg in beiden Diözesen, stehen unter anderem Exposure-Besuche in drei Gemeinden der Diözese Ciudad Guzmán, Gottesdienste in verschiedenen Basisgemeinden, Gespräche zum Thema Großstadtpastoral in Mexiko-Stadt und eine Wallfahrt zur Basilika der Jungfrau von Guadalupe auf dem Programm.

Wer neugierig ist, was die Reisegruppe darüber hinaus alles in Mexiko erlebt, kann dies hier nachlesen. (lek)

Exposure-Reisegruppe Mexiko 2014
04.09.2014

Migranten in Mexiko

Oaxaca ‐  Nach drei Tagen touristischen Programms haben wir das Glück und die Ehre, dass wir eine Einrichtung zur Unterstützung von Migranten in Oaxaca besuchen dürfen. Wir treffen Padre Fernando Cruz Montes im „Centro de Orientacion del Migrante de Oaxaca, A.C.“, kurz: „COMI“.

Dieses Zentrum, das auf seine Initiative hin entstanden ist, begleitet Migranten auf ihrem Weg in die USA, der sie zufällig durch Oaxaca führt. Der Strom an Migranten, die aus Zentralamerika, vorwiegend aus Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua kommen, nimmt kein Ende. Aber auch aus Mexiko selbst wandern jährlich um die 500.000 Migranten gen Norden.

Täglich begleitet Padre Fernando mit seinem Team von vier Personen 20-30 Migranten. Die Migranten, vor allem Männer, unbegleitete Jugendliche und auch einige Frauen und Familien, sind alle auf dem Weg in die USA. Sie flüchten vor der Gewalt und der fatalen ökonomischen Situation in ihren Heimatländern und manch eine/r versucht, die bereits migrierten Familienmitglieder wiederzufinden.

Weg in eine ungewissen Zukunft

Viele der Migranten wissen beim Aufbruch aus der Heimat noch nicht, wie lange sie unterwegs sein werden und welch beschwerliche und auch gefährliche Reise vor ihnen liegt. Auf die Frage, welches Ziel, welchen Ort sie in der USA anstreben, antworten viele: Hauptsache in die USA. Dass allein die Länge der Grenze zwischen Mexiko und den USA 4.000 Kilometer beträgt, ist den Wenigsten bewusst.

So erhalten die Migranten neben Essen und einer Schlafmöglichkeit für drei Nächte (die meisten gehen bereits nach ein bis zwei Tagen weiter) vor allem Informationen über den ihnen bevorstehenden Weg, über die Gefahren, über sichere Anlaufstellen und über ihre Rechte als Migranten auf ihrer Reise durch Mexiko.

Bild: © Kamlage

Ein Wandbild im „Centro de Orientacion del Migrante de Oaxaca, A.C.“. Foto: Kerstin Engelhardt

Am Ende der Kräfte

Das Zentrum bietet zudem medizinische Versorgung, zum Teil sind auch Operationen notwendig. Hier arbeitet das Zentrum mit der Volksklinik e. V. zusammen, welche medizinische Hilfe außerhalb des klassischen Gesundheitssystems anbietet. Viele der Migranten werden auf ihrem Weg Opfer von Gewalt, Überfällen, Vergewaltigungen, Missbrauch jeglicher Art bis hin zu Entführungen, Organ- oder Menschenhandel. Padre Fernando berichtet von einer Frau, die vier Monate unterwegs war bis sie in Oaxaca ankam. Auf ihrem Weg wurde sie sechsmal vergewaltigt und misshandelt und musste aufgrund gesundheitlicher Umstände eine Abtreibung vornehmen lassen. Diese Frau war psychisch und physisch am Ende ihrer Kräfte.

In einzelnen Fällen hilft die Einrichtung auch bei der Beantragung von Asyl in Mexiko. Manche erhalten dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen und finden eine Arbeit in oder um Oaxaca. Soweit es ihnen möglich ist, unterstützt das Zentrum auch die Familien aus und um Oaxaca, die den Kontakt zu ihren in die USA migrierenden Familienmitgliedern verloren haben. Manche haben die Reise nicht überlebt oder befinden sich in Krankenhäusern oder Gefängnissen. Aber manche haben es auch geschafft und melden sich mit einem Gruß oder auch mit solidarischer Hilfe als Dank für die Unterstützung auf der Reise.

Ein sicherer Hafen

Was das Zentrum vor allem sein möchte, ist ein sicherer Ort für die Migranten. Ihre Arbeit gründen sie aus dem Evangelium und so stehen sie den Menschen auf ihrem schwierigen Weg bei. Die Gemeindemitglieder unterstützen die Arbeit des Zentrums mit Lebensmittelspenden. Doch wie bereits die Schwestern, welche wir in Mexiko-City bei ihrer Arbeit mit den Prostituierten getroffen haben, berichtet Padre Fernando, dass die Mittel viel zu knapp sind und sie auf Spenden angewiesen sind, um den durchreisenden Migranten weiterhin auf diese Art zu helfen. Vom Staat könnten sie zwar mehr Fördermittel erhalten, doch dann würden sie ihre Unabhängigkeit verlieren und die Hilfe für die Migranten würde wohl in eine andere Richtung tendieren ...

Wer ein Projekt sucht, um dieses zu unterstützen, wird im Mexiko nicht lange suchen müssen. Weitere Informationen finden Sie hier: www.comioaxaca.org.mx .

 

Von Kerstin Engelhardt, Referentin beim Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Nezahua Coyol Mexiko Delegationsreise
Bild: © Ulrike Roth
30.08.2014

Wer bewegt die Pfarrer?

Ciudad de México ‐  Priest moving – church moving“ – „Wer bewegt den Pfarrer?“ – „... hoffentlich der Heilige Geist.“ Dieser Dialog wurde heute in der Diözese Nezahua Coyotl (Hungernder Wolf) geführt. Vor uns waren schon einige Freiwillige aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart hier. Mit Orgelmusik und einem Jugendchor werden wir empfangen.

Unsere Gastgebergemeinde trägt den Namen „Benito Juarez“ (Gründer der Unabhängigkeit). Seit dem Dokument der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Aparecida aus dem Jahr 2007 , in dem geschrieben steht „Gott wohnt in der Großstadt“, hat man hier im Bistumsbüro der Pastoralen Entwicklung ein Animationsteam zusammengestellt, das die Gemeinden in dem Erneuerungsprozess zu mehr Geschwisterlichkeit begleitet.

Pfarrer Martinez stellte uns die unterschiedlichen Ansätze zur Veränderung der Strukturen (Nuevas Estructuras) vor:

1. Coordinator de Sector (28 Sektoren der Gemeinde)

2. Catequese (Der Sämann wirkt überall. Warum tut er das? Er hat Hoffnung.)

3. Adolescentes y Juventudes (Jugendarbeit)

4. Adultas mayores (Altenarbeit)

5. Religiosidad popular (Volksreligiösität)

6. Weiterbildung der Evangelisatoren

7. Professores de las Alumnas

Nach Gründen danach gefragt, eine Basisgemeinde zu werden, kommt die Antwort: Die Wirklichkeit hat uns dazu gebracht. Wir haben viel „Entführung, Erpressung, Drogen, Diebstahl und Mord“. Bis jetzt haben sich 25 Prozent der Pfarreien der Diözese auf den Weg gemacht. Im „Haus des Gebets“ geht es bei wöchentlichen Treffen um die Verknüpfung von biblischen und sozialen Themen.

 

Von Ruth Mathey-Drumm, Religionslehrerin

Neue Wege einer Großstadtpfarrei. Mexiko-Tagebuch
Bild: © Angelika Kamlage
28.08.2014

Neue Wege einer Großstadtpfarrei

Mexiko-City ‐  Am Vormittag standen zwei Begegnungen auf dem Programm. Im Haus der Solidarität hatten wir ein Gespräch mit Mauricio Solazar von der Initiative „Serapaz – Dienste für den Frieden“. Wir erfuhren von dem unermesslichen Konfliktpotenzial und den Maßnahmen, mit denen „Serapaz“ Menschen befähigen will, gewaltfrei mit Auseinandersetzungen umzugehen. Ein Schwerpunkt liegt auch in der Begleitung von Leuten, in deren Familien eine Person verschwunden ist. Rund 2.700 Menschen verschwinden in Mexiko jährlich. Sehr wichtig ist für die Initiative die internationale Solidarität.

Unsere zweite Station am Vormittag war eine Großstadtpfarrei der gehobenen Mittelschicht, mit circa 15.000 Katholiken. Pfarrer Eloy Diaz erzählte uns von dem großen Transformationsprozess der letzten 20 Jahre. Während sich früher alle Leute kannten, pendeln heute in etwas 50 bis 60 Prozent ein und aus. Es wurde deutlich, dass die klassischen Antworten der Pastoral der gebildeten Mittelschicht nicht mehr gerecht werden. Sie mussten nach Wegen suchen, wie das Evangelium auch bei Menschen ankommen kann, die von dem Katholizismus nichts mehr erwarten. So wurden Kurse entwickelt, die von den Fragen der Menschen ausgehen, die nicht belehren wollen, sondern Gruppen ins Gespräch über die Botschaft Jesu bringt und sie mit ihrem Alltag in Beziehung setzt.
 
 

Deutschland ist da

Am Nachmittag wurden wir in der Gross-Pfarrei „Medalla Milagrosa“ im Bistum Nezahuacocoti erwartet. Eine Delegation begrüßte uns mit Plakaten und deutschen und mexikanischen Fähnchen. Alle erhielten ein T-Shirt der Pfarrei und gemeinsam zogen wir zur Kirche, begleitet von Sprechchören „Se ve, se siente, Alemania es presente“ (Man sieht es, man spürt es, Deutschland ist da).

Im Zentrum erläuterte uns Bruno, der Leiter der Koordinatoren, das Konzept der Sektorisierung, der Aufteilung der Pfarrei in überschaubare Wohngebiete. Jugendliche stellten uns ihr Engagement vor. Zurzeit läuft ein Filmprojekt auf Diözesanebene. Der Kurzfilm mit dem Titel „Wunder sind möglich“ soll Jugendlichen durch das Zeugnis von Jugendlichen zeigen, dass ein Ausstieg aus dem Drogenmilieu möglich ist. Das Projekt wird u. a. von Adveniat und der Diözese Rottenburg-Stuttgart finanziell gefördert.

 

Ursula Schieler, Diözesanreferentin im Bischöflichen Ordinariat

Kirche auf einem Markt in Mexiko-City
26.08.2014

Gott auf den Märkten

Mexiko-City ‐  Kaum steigen wir aus der Metro, spricht uns eine alte Frau an: „Ihr wollt doch nicht etwa da hoch gehen?“ Wir schauen uns irritiert an und antworten mit einem sicheren „Si“. Das Viertel hat zwar keinen besonders guten Ruf, aber unter der Leitung von Alfons Vietmeier wollen wir uns einen eigenen Eindruck verschaffen. Ein Schritt aus der Metro-Station, und wir stehen bereits mitten im bunten Markt von „La Merced“. Es ist laut, bunt und jeder Händler preist seine Waren an. Schaut man nach oben, sieht man keinen Himmel. Alles ist mit Planen abgedeckt zum Schutz vor Sonne und Regen – eine Markthalle aus Zelten.

Die Stände eng an eng, Gemüse, Obst, Gewürze, Spielsachen, Schuhe, Kleidung und dazwischen Fleischtheken mit frischen Hühnern. Unsere Menschenschlange zieht sich auf dem knapp 1,5 Meter breiten Weg durch das Labyrinth an Ständen. Wir passieren die Haushaltswaren, dann die Werkzeuge. Die Größeren unter uns laufen bereits seit einiger Zeit gebückt um nirgends anzustoßen.

Ein weiterer Schritt und wir landen bei den Kochküchen des Marktes. Es duftet nach so vielem, dass manche den Kopf sehnlich zum Himmel recken, doch die Frischluft ist noch ein gutes Stück von uns entfernt. Es geht weiter durch Gemüse, wieder Spielzeug, Fleischwaren, Süßigkeiten, Spielhallen.

Mitten unter den Menschen

Der Markt scheint riesig und immer wieder begegnen wir religiösen Statuen – zumeist Jesus oder Maria. Sie stehen an einer Ecke des Standes und wachen über das Geschehen. Sie sind permanent anwesend in dieser Welt der Händler und Kunden und werden zum Teil auch von Passanten berührt. Ein Bild der Jungfrau von Guadalupe hängt direkt neben einer kleinen Spielhalle – ein seltsames Bild. Und es bestätigt wieder unseren Eindruck, dass die Heiligen hier mitten unter den Menschen zuhause sind. Von ehrfürchtiger Distanz ist hier nichts zu spüren, von Verehrung hingegen sehr viel.

Nach einigen weiteren Schritten dann (endlich) Frischluft und freie Sicht nach oben. Wir stehen im Innenhof vor der Kirche Santa Muerte. Eine kleine Kirche direkt am Rande des umtriebigen Marktes, die bei all dem Lärmen und der Enge Ruhe und Freiheit ausstrahlt. Wir waren ca. eine Stunde in dem Markt und sind beeindruckt und entsetzt zugleich.

Die Markt-Gemeinde

Die Menschen von La Merced leben tagtäglich in diesem Getümmel. Dies zeigt uns neben den vielen schönen, offenen und freien Plätzen in Mexiko-City ebenfalls eine soziale Realität – eine andere, als die der Besucher des Anthropologischen Museums, der Pilger von Guadalupe oder der vielen Arbeiter, die uns abends in den Metro-Stationen begegnen. Eine Realität, die Tausende betrifft, die ihr Leben auf dem Markt verbringen. Sie leben dort ebenfalls in einer Art Gemeinde, helfen und schützen sich gegenseitig. Zusammenhalt gegen Diebe, Ausbeutung und Gewalt. Abends werden die Stände von Nachtwächtern aus den eigenen Reihen bewacht und die Händler und ihre Familien schlafen in den Häuserruinen rund um den Markt von La Merced. Tagsüber ruhen sich die Nachtwächter in den Hinterhöfen aus – wenn sie Glück haben in Holzbaracken, ansonsten unter freiem Himmel.

Es ist schon beeindruckend, wie sehr der Glaube in diesem Menschen verankert ist, dass er einem sogar hier begegnet.

 

Kerstin Engelhardt, Referentin beim Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Bild: © KNA
26.08.2014

Leben und Prostitution

Mexiko-City ‐  Unser Weg führt uns weiter zum nächsten „Markt“. Über die Hauptstraße und schon befinden wir uns direkt am Straßenstrich von Mexiko-City. In kleinen Abständen stehen die Mädchen und Frauen und warten auf die Freier. Es ist elf Uhr. Unser Ziel ist das „Centro Madre Antonia“ – eine Einrichtung der Oblatenschwestern der Heiligen Erlösung. Hier finden die Prostituierten Unterstützung und vor allem einen Ort, der sich um ihre Kinder kümmert.

Insgesamt arbeiten acht Personen im Innenteam und nochmals drei Schwestern plus vier Ehrenamtliche im Außenteam. Darin nehmen die Schwestern und die Ehrenamtlichen Kontakt zu den Prostituierten auf, informieren über die Einrichtung und die Angebote oder halten einfach ein „Schwätzchen“ darüber, wie es so geht. Alle Möglichkeiten der Kontaktaufnahme werden genutzt. Die Schwestern verteilen auch Visitenkarten und hoffen, dass die eine oder andere den Weg ins Centrum findet.

Das Centrum wurde bereits 1864 von Schwester Antonia de la Misericordia (1822–1898) und dem spanischen Bischof José Maria Benito gegründet und ist heute als eingetragener Verein organisiert. Seit 150 Jahren helfen die Schwestern den Prostituierten. Im ganzen Viertel sind Hunderttausende davon betroffen.

Ein Markt, der weit über die Grenzen Mexiko-Citys hinausgeht

Schwester Carmen betont, dass ihre Einrichtung keine Rettungsstation ist. Vielmehr wollen sie die Frauen auf ihrem Weg in und aus der Prostitution begleiten – ohne Vorurteile und ohne Verachtung. Die Frauen finden hier Unterstützung – egal, wie ihr Weg aussehen mag.

Dort wird dann das Innenteam aktiv. Ziel der Schwestern ist es, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken, einen besseren Umgang miteinander zu fördern und die Frauen beim „Mutter-Sein“ zu unterstützen. Die Schwestern und Mitarbeiter der Centrums – im Übrigen alle in ziviler Kleidung, um keine Distanz aufzubauen – bieten zum einen rechtliche Beratung zu den Arbeitsverhältnissen/ Arbeitsverträgen, zum anderen psychologische in allen Lebenslagen. Immer wieder wird betont, dass die Frauen ihren eigenen Weg gehen und die Schwestern sie hierbei lediglich unterstützen, begleiten und je nach Entscheidung Hilfestellungen geben.

Hierfür gibt es im Centrum ein vielfältiges Angebot:

  • Die Schule (Grund-, Haupt-, Real- oder auch Oberstufe) kann nachgeholt werden.
  • Im eigenen Friseursalon können die Frauen nach Wunsch eine Ausbildung machen.
  • Es werden Computerkurse angeboten.
  • Workshops zu folgenden Themen werden veranstaltet: Schönheitspflege, Schreibwerkstadt „Die Geschichte deines Lebens“, Gesundheitsfürsorge, „Wie kann ich in eine legale Beschäftigung kommen?“, Selbstverteidigung – „Wie kann ich mich gegen Übergriffe wehren?“ usw.

Die Angebote der Erwachsenenbildung werden von staatlicher Seite angeboten und von den Schwestern vermittelt. Die Kurse finden dann im Centrum statt – auch hier um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten.
 
 
Ca. 500 Frauen werden von den Schwestern auf der Straße betreut und ca. 170 dieser Frauen nehmen aktiv an den Angeboten des Centrums teil. Das Centrum hat einen zweigruppigen Kindergarten mit 30 Kindern zwischen 1/2 Jahr und 6 Jahren. Ab dem Schulalter gehen die Kinder in die staatlichen Schulen. Derzeit kümmern sich die Schwestern um 18 Kinder.

Ehrenamtliche und die Mütter helfen selbst bei der Betreuung

Für die Betreuung haben sie unter ihren Mitarbeiterinnen eine Erzieherin. Zudem helfen Ehrenamtliche oder zum Teil auch die Mütter im Kindergarten mit. Die Öffnungszeiten sind von 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass die Schwestern bis 19.30 Uhr oder länger warten bis die letzte Mutter ihr Kind abgeholt hat.

Finanziell wird die Einrichtung hauptsächlich durch drei mexikanische Stiftungen unterstützt. Ebenso erhalten die Schwestern Spenden aus dem Ausland, z. B. von Adveniat und der spanischen Caritas. Diese Fördermittel sind jedoch meist befristet. Daher werden dringend Spenden benötigt. Derzeit leidet die Einrichtung unter finanziellen Schwierigkeiten, da sie aufgrund einer Änderung der Steuergesetzgebung, momentan keine Genehmigung zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen haben. Alle Kosten werden daher zurzeit vom Orden übernommen. Es ist wieder einmal sehr beeindruckend, wie sich die Menschen hier für ihre Mitmenschen einsetzen.

Kerstin Engelhardt, Referentin beim Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart

25.08.2014

Die Mutter von Guadalupe

Villa de Guadalupe ‐  Guadalupe, Torre Latinoamericano, Teotihuacan oder anderes – ein klein wenig Sightseeing muss auch dabei gewesen sein. „Bin ich nicht hier, weil ich Deine Mutter bin?“ Die Jungfrau von Guadalupe gibt dem Land mit diesen Worten Liebe, Sicherheit und Zuversicht. Die Mutter ist in jedem Haus, in jedem Laden zu finden. Die Menschen tragen ein Bild von ihr um den Hals oder am Schlüsselbund. Sie hält das Land zusammen, schützt und segnet es.

Der Weg von der U-Bahn-Station zur Basilika von Guadalupe ist nicht schwer zu finden. Ein großer Strom von Menschen zieht von dort Richtung Basilika. Vorbei geht es an Ständen mit Bildern, Figuren, Taschen, Ketten, CDs. Schließlich stehen wir unten an der Straße und sehen hinauf zum großen Tor, hinter dem man die alte Basilika mit ihrem goldenen Dach erkennen kann.

Mit Hunderten von Menschen pilgern wir hinauf – unter ihnen viele schwangere Frauen und Familien mit Säuglingen und Kleinkindern. Viele tragen Statuen oder Bilder der Jungfrau mit sich. Einige singen oder musizieren. Sie alle erbitten den Segen der Mutter.

Ein Erlebnis fürs Herz ist die Wallfahrt zur Jungfrau von Guadalupe für uns alle. Es ist beeindruckend mit welcher Innigkeit die Mexikaner „ihre“ Jungfrau verehren. Schon in den Tagen in Sayula haben wir erleben dürfen, wie präsent Maria in den Familien ist. Sie ist nicht die heilige Jungfrau, die verehrt wird – sie ist Teil der Familie. Der Mexikaner spricht von „unserer Mutter“. Sie nimmt Teil am Leben des Einzelnen. Ihr wird jeder Kummer und jede Sorge erzählt. Beeindruckend.

 

Von Angelika Kamlage, Dekanat Böblingen

Bild: © Angelika Kamlage
23.08.2014

Das Fest

Sayula ‐  Alle sind am letzten Tag in Sayula gekommen, um die Alemanas zu verabschieden. Fast eine Woche durften wir hier zu Gast sein. Jeder hat seine Spezialität gekocht. Wir sitzen auf Bänken. Es wird viel geredet und gelacht. Die ersten kleinen Tränen rollen bei dem einen oder anderen. Geschenke werden ausgetauscht.

Nach dem Essen feiern Gastgeber und Gäste einen gemeinsamen Gottesdienst. In persönlichen Statements erinnern wir uns an die vielen Ereignisse der letzten Woche – darunter auch viele berührende Momente. Auch wenn wir die Sprache des anderen nicht gesprochen bzw. verstanden haben, so verbindet uns doch der gemeinsame Glaube auch über den Atlantik hinweg miteinander.

Padre José spricht von der tiefen Dankbarkeit, die er dafür empfindet, dass es diese Freundschaft gibt und davon, dass vielleicht auch eines Tages ein Gegenbesuch möglich sein wird.

Dios te bendiga
Dios te proteja
Dios te dé la paz
Dios te dé la paz

segnen sich alle am Ende des Gottesdienstes mit großer Ernsthaftigkeit gegenseitig. „Kommt gut Heim und bald wieder. Wir freuen uns auf Euch!“ ist einer der letzten Sätze bevor wir in den Bus steigen, der uns nach Mexico City fährt.

 

Von Angelika Kamlage, Dekanat Böblingen

Bild: © Angelika Kamlage
22.08.2014

Vom Überleben einer Reifenfabrik

Guadalajara ‐  Am Freitagmorgen finden wir uns wieder vor einem großen Werkstor im Industriegebiet von Guadalajara. Das Ziel ist, zu sehen, wie die Firma „Cóocsa“ in Mexiko Reifen für PKW, LKW und andere produziert – und zugleich die Geschichte einer spannenden Betriebsübernahme zu erfahren.

Vormals gehört dieses größte Reifenwerk Mexikos nämlich dem Hannoveraner Unternehmen „Continental“. Als es ohne triftige ökonomische Gründe geschlossen werden sollte, mobilisierte die Gewerkschaft „Tradoc“ die Belegschaft und blockierte die Fabrik. Mit dem Faustpfand des wertvollen Maschinenpools gingen sie in wohl einen der längsten Arbeitskämpfe Mexikos. Die Arbeiter waren fest entschlossen, einen Tag länger als Continental zu kämpfen – letztlich waren es 1.141 Tage.

Welche Motivation dazu gehört, eine solche Zeitspanne durchzustehen, kann man bei einem Rundgang durch die Fabrik noch spüren. Wir sehen Menschen, die unter schwierigen Bedingungen hart arbeiten und zugleich stolz auf die Fabrik, ihre Produkte und ihren Verdienst sind. Heute produzieren die 1.100 Mitarbeiter von „Cóocsa“ täglich 18.000 Reifen, die vor allem in den Export gehen. Ein Fließbandarbeiter verdient weit über durchschnittliche 2.000 Dollar im Monat – Ingenieure und das gewählte Leitungspersonal knapp das Doppelte. Auch die Krankenversicherung und die sehr gute Rente sind weit von Mexikos (Niedrig-)Standards entfernt.

Gelungener Neustart

Allerdings sah es im Jahr 2005, als ein mexikanisches Gericht den streikenden Arbeitern das Recht zusprach, kaum danach aus. Zwar konnten sie mit den Lohnnachzahlungen der letzten Jahre – gemeinsam mit einem großen Reifenhändler – das Werk aufkaufen. Aber die Bänder liefen drei Jahre nicht. Vieles war kaputt und die Rohstoffe unbrauchbar. Dennoch fingen sie an zu arbeiten, obwohl es unklar war, wann und ob sie überhaupt einen Lohn erhalten würden.

Letztlich gelang jedoch der Neustart – auch weil die Belegschaft durch den vorangegangenen Arbeitskampf gelernt hatte, was Solidarität bedeutet. Dennoch war die Umstellung nicht leicht. Aus abhängig Beschäftigten werden eben nicht über Nacht verantwortungsfähige Miteigentümer. Für ihren Kampf, der auch uns ein eindrückliches Beispiel an Hoffnung und Solidarität gab, erhielten sie im Jahr 2007 den Public-Eye-Award für alternatives Wirtschaften in Davos.

Von Wolf-Gero Reichert, Misso-Referent in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Bild: © Angelika Kamlage
21.08.2014

Auswerten und Weitergehen

Sayula ‐  Das „Neue Modell von Kirche“ in der Diözese Ciudad Guzmán nennt vier Organisationsebenen. Neben den Basisgemeinden, die an einem Ort als Gemeinschaft von Gemeinschaften die Kirchengemeinde bilden, und der Diözesanebene nimmt die Ebene der Dekanate (Vicaria) eine wichtige Steuerungsfunktion ein.

In die Dekanatsversammlung werden Delegierte aller Pfarreien sowie aller Arbeitsfelder (Katechese, Bibelgruppen, Liturgie, solidarische Ökonomie ...) entsandt. Die Dekanatsversammlung steuert die Umsetzung der diözesanen Prioritäten im Dekanat einerseits, andererseits diskutiert sie die Themen, die „von der Basis“ kommen.

Am heutigen Tag konnten wir an der Dekanatsversammlung des III. Dekanats teilnehmen. Mehr als 50 Delegierte aus elf Pfarreien fanden sich im an allen vier Himmelsrichtungen offenen Versammlungsraum ein (mit einem phantastischen Blick auf die Lagune von Sayula) und sicherten die Ergebnisse ihrer Delegierten, die am 19. nationalen Basisgemeinschaftstreffen und der neunten nachsynodalen Versammlung der Diözese teilgenommen hatten.

Offene Aussprache

Vier zentrale Fragestellungen wurden bearbeitet: Welches Gottes-, Kirchen- und Hirtenbild scheint auf bzw. ist sichtbar geworden? Welche zentralen Themen wurden mit Blick auf die Lebenswelt der Menschen identifiziert? Mit viel Selbstkritik, aber auch Wertschätzung ihres eingeschlagenen Weges wurden die Ergebnisse aller elf Pfarreien gesammelt vorgestellt und anschließend einer Bewertung unterzogen: Was hilft uns auf unserem weiteren Weg? Was müssen wir anders bzw. besser machen?

Auch unsere Delegation wurde um eine Rückmeldung gebeten. Uns beeindruckt die Offenheit der Rückmeldung. So wurde beispielsweise deutlich Kritik am Klerikalismus einiger Priester und leitender Ehrenamtlicher geübt.

Wir konnten wahrnehmen, wie konsequent entlang der diözesanen Prioritäten gearbeitet wurde, und wie eng verzahnt Glaube und Leben in der Reflektion verbunden sind. Wir sahen auch Bestätigungen für unseren Rottenburger Weg des Kirche-Seins, denn was wir unter Blickwechsel, Lebensorientierung, Kirche im Nahraum etc. buchstabieren, findet sich – allerdings im soziokulturellen Kontext – auch in der Diözese Guzmán. Gut, sich nebeneinander auf dem Weg zu wissen. Und, wie eigentlich immer: es wurde viel gesungen, das Wort Gottes in den Mittelpunkt des liturgischen Impulses gestellt und am Ende lecker gegessen.

 

Von Wolfgang Hermann, Betriebsseelsorger

Fahrradfahrer in Jiquilpan/Apango, Mexiko
20.08.2014

Leben auf dem Land

Jiquilpan/Apango ‐  Exposure-Besuche in Jiquilpan und Apango standen für uns, eine kleine Gruppe von acht Leuten, für zwei Tage an. Wir sind in die Berge gefahren – viele Kurven in eine wunderschöne Berglandschaft, bewaldet und dünn besiedelt. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet.

WILLKOMMEN stand mit großen Buchstaben auf einem großen Plakat und so herzlich und gastfreundlich wie der Empfang, sollte unser ganzer Besuch werden. Unsere Gastgeber haben ein wahres Feuerwerk für uns abgebrannt, um uns ihr Dorf und ihre Gemeinde vorzustellen. Gleich nach der ersten Stärkung sollten wir Gelegenheit bekommen, den Ort kennenzulernen – und sie hatten sich dazu eine Fahrradtour für uns ausgedacht. So konnten wir erleben wie die Menschen in Jiquilpan leben. Dabei haben wir gesehen:

  •  eine Tortillafabrik,
  • eine Kooperative von Frauen, die aus heimischen Früchten Süßigkeiten herstellen,
  • zwei Bäckereien,
  • ein Rosen- und ein Chillifeld
  • und die Herstellung von Piñatas.
     

Überall werden wir herzlichst empfangen und sollten die Köstlichkeiten probieren. Wir hatten alle miteinander viel Spaß und waren erstaunt, wie perfekt zwei junge Frauen Englisch sprechen und wie gut wir uns somit verständigen konnten. Natürlich hatten wir auch in Jiquilpan bei gastfreundlichen Gemeindemitgliedern eine Aufnahme für die Nacht gefunden.

Tanz, Spiele, Folklore und mexikanische Köstlichkeiten

Was am Abend für uns vorbereitet war, war unglaublich. In perfekter Organisation und mit bester Moderation, begleitet von Musik, Spielen zur Auflockerung, mexikanischer Folklore und natürlich Essen und Trinken, konnten wir die Basisgemeinde kennenlernen. Wie alle Basisgemeinden hat sich die Gemeinde mit den Schwerpunkten der Diözese auseinandergesetzt, hat sich ihre Situation vor Ort intensiv vor Augen geführt und daraus einen „Plan Parroquial“ erstellt, also einen Plan für die Arbeit in der Gemeinde.

Aus den Notwendigkeiten vor Ort sind viele verschiedene Dienste entstanden, in denen sich die Gemeindemitglieder engagieren. Es gibt Katecheten für die Kinder, Menschen, die sich in der Tauf- und Ehevorbereitung engagieren, Verantwortliche für das jährliche Fest der Patronin, eine Gruppe, die sich um den Schutz und Verteidigung der Schöpfung kümmert (Müllrecycling, Kompost aufbauen, Gartenbau, Säuberungsaktionen in der Gemeinde), eine Gruppe, die sich um ganzheitliche Bildung kümmert und viele andere mehr. Insgesamt fällt auf, dass die Mitarbeiterinnen sehr jung sind und sich mit großem Engagement einsetzen.

Stets präsent: die Jungfrau von Guadalupe

All dies geschieht in enger Verbindung mit der Patronin der Gemeinde, der Jungfrau von Guadalupe, zu der eine intensive, persönliche und sehr unerschrocken unmittelbare Verbindung besteht. Die Jungfrau ist überall mit ihrem Bild präsent – auch in den Häusern. Die Menschen reden von ihr wie von einem Familienmitglied. Eine wunderbare Idee war, dass jeder Dienst nach seiner Vorstellung auf einem großen Bild der Jungfrau Früchte, Mais, Chilis und sogar Popcorn ausgelegt hat, so dass die Jungfrau am Ende durch die Früchte der Erde in Jiquilpan erfüllt war.

Tief beeindruckend ist, mit welchem Selbstbewusstsein und Stolz die Menschen sich selbst und ihren Dienst vorgestellt haben, wie groß ihr Engagement und wie tief und warm ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft für uns war. Wir haben alle diese gemeinsame Fiesta genossen. Ich meine, wir können viel lernen von der Ernsthaftigkeit für die Anliegen einerseits und der überwältigenden Lebensfreude andererseits, die eng zueinander gehören. Wie anstrengend und langatmig können doch bei uns Versammlungen sein und wie energieerfüllt war dieser Abend!

Der Abschied am nächsten Morgen war wirklich ein Abschied von Freunden. Symbol dafür waren auch acht Luftballons mit kleinen Zetteln „komm bald wieder“, die wir vor unserer Abfahrt in den Himmel geschickt haben.

In der Gemeinde Apango

Wir haben am zweiten Tag die Gemeinde Apango mit ihren fünf Wohngebieten Ojo die Agua, Sanisidro, Venadero, Lacañada, Centro Apango und deren Basisgemeinden kennengelernt. In den Wohngebieten haben sich die Basisgemeinden mit den Lebensbedingungen der Menschen beschäftigt. Auf dieser Grundlage wurde ein Pastoralplan geschrieben. Alle haben uns stolz präsentiert, wie ihr Gemeindeleben aussieht und welche Dienste und Gruppen es in ihrem Wohngebiet gibt.

Ganz besonders beeindruckend war für mich der Besuch in der ärmsten Basisgemeinde, Ojo die Agua. Viele Frauen und Kinder haben uns dort empfangen und uns beeindruckt mit ihrem Engagement. In dieser armen ländlichen Gemeinschaft kümmert sich die Gemeinde besonders um Familien, die in Not sind, und um ökologische Fragen. So stehen bei der Ökologiegruppe die Qualität des Wassers und die Aufforstung im Mittelpunkt. Es gibt eine Gruppe, die sich um eine gesunde und nahrhafte Ernährung für die Kinder kümmert und in der die Frauen sich gegenseitig beibringen, aus den vorhandenen Lebensmitteln gute Gerichte herzustellen. Sie schätzen die gute Gemeinschaft in der Basisgemeinde, ihre Traditionen und Feste und die wunderschöne Natur an dem Ort, in dem sie wohnen.

Bei allen Besuchen der Basisgemeinden haben wir gemeinsam gesungen und gebetet. Auf diese Weise konnten wir unsere Verbindung über alle Unterschiede hinweg erleben. Ein großartiger Abschluss war jeweils der Segen am Ende unseres Besuches: das älteste Gemeindemitglied – und das waren immer sehr alte, vom Leben gezeichnete Menschen – hat uns gesegnet – uns als Gemeinschaft und dann noch jeden Einzelnen von uns.

 

Von Gabrielle Maier-Güttler, Organisationsberaterin für die Diözese Rottenburg-Stuttgart

Kleinstadt Mexiko
20.08.2014

In der Kleinstadt

Usmajac ‐  Eine Gruppe von neun Personen besuchte am Dienstag und Mittwoch die 8.000 Einwohner zählende Stadt Usmajac. Die Pfarrei dieser Stadt ist in vier Wohngebiete unterteilt. Jedes hat eine Basisgemeinde. Diese widmen sich in ihren Wohngebieten verschiedenen pastoralen und sozialen Diensten. So gibt es in jeder Basisgemeinde WortgottesdienstleiterInnen, KommunionhelferInnen und Krankenbesuchsdienste.

Sehr fasziniert haben uns die sozialpastoralen Projekte der Basisgemeinden. Im „tostada-Projekt“ stellen acht Frauen aus den Basisgemeinden Mais-tostada her und verkaufen diese. In diesem gewinnbringenden Projekt bekommen die Frauen mit nur drei Stunden täglicher Arbeit etwa 70 Prozent des Lohnes eines Landarbeiters.

In einem weiteren Projekt sind fünf junge Menschen aus den Basisgemeinden für ökologische Kompostierung zuständig. So werden nicht nur die umweltschädlichen Pestizide in der Landwirtschaft vermieden, sondern auch das Grundwasser geschont. Der sehr niedrige Grundwasserspiegel und der hohe Wasserverbrauch stellen die Region Jalisco in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen.

Bohnen-Projekt und Sparkooperative

In einem dritten Projekt bauen 24 Mitglieder Bohnen an. Diese verkaufen sie dann zu niedrigen Preisen auf dem Markt. So unterstützt die Kooperative einkommensschwache Familien in der Kleinstadt. Derzeit erntet das Projekt drei Tonnen Bohnen jährlich. Das „Bohnen-Projekt“ hat schon sehr schwierige Zeiten überstanden. Einige Male ging die Ernte verloren, zum anderen belastet der sehr arbeitsintensive Betrieb die ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeiter der Kooperative zeitlich sehr.

Des Weiteren hilft eine Sparkooperative derzeit 40 Mitgliedern beim Zugang zu günstigen Krediten. Jedes Mitglied zahlt jede Woche mindestens zehn Pesos ein und kann die zweifache Summe seiner Einlage als Kredit nehmen. Dieser Kredit muss innerhalb eines Jahres zurückgezahlt werden. Der Zinssatz beträgt nur ein Prozent.

Die zwei Tage in Usmajac waren eine sehr gute Erfahrung für uns. Unsere Gastgeber haben uns nicht nur herzlich empfangen, sondern uns auch einen guten Einblick in die soziale und pastorale Arbeit der Basisgemeinden verschafft. Mehr Informationen gibt es auf der Facebook-Seite der Gemeinde Usmajac .

 

Von Jürgen Traparelli, Religionslehrer im kirchlichen Dienst

20.08.2014

Vorbereitung auf ein Leben mit Jesus

Sayula  ‐  Wir sind willkommene Gäste in der Diözese Ciudad Guzmán. In jedem Lächeln, jeder Geste unserer Gastgeber ist das zu spüren. Jeder von uns wird mit einer großen Fürsorge und Liebe umgeben. Die Gastfamilien fühlen sich geehrt, uns beherbergen zu dürfen. In den folgenden Tagen werden wir noch mehr von der eigentlichen Basis kennenlernen dürfen. Wir begegnen den Menschen, die sich in den verschiedenen Sektionen der Kirchengemeinde Sayula für die Gemeinschaft und den Glauben an Jesus Christus engagieren.

Unsere Gesprächspartner in den nächsten Tagen sind Katecheten, die in der Tauf-, Erstkommunion- und Firmkatechese engagiert sind. In Mexiko sind 92 Prozent der Bevölkerung katholisch. Genau wie in Deutschland hat in den letzten Jahren die Zahl der Kirchenbesucher stark abgenommen. Viele Menschen kommen nur noch in die Kirche, um die Sakramente zu empfangen, und werden dann nicht mehr gesehen. Außerdem hat die Zahl der Kinder, die nicht getauft werden, in den letzten Jahren stark zugenommen. Diesem will die Kirchengemeinde in Sayula entgegen wirken. Deshalb haben sie einen neuen Weg in der Katechese beschritten. Ziel muss es sein, die Menschen für ein Leben mit Jesus Christus zu begeistern. Denn: Die Katechumenen werden nicht für die Sakramente vorbereitet, sondern für ein Leben mit Jesus.

Intensiver Weg zur Taufe

Grundlegendste Veränderung ist der Zeitraum in dem die Katechese stattfindet. Wer sich als Erwachsener taufen lassen möchte, muss sich in einem intensiven Prozess zwei bis drei Jahre darauf vorbereiten. Kinder werden in neun Monaten vorbereitet. In dieser Zeit werden die Katechumenen intensiv von den Katecheten zusammen mit den Paten und Eltern begleitet. Bei regelmäßigen Treffen arbeiten sie zusammen an verschiedenen Themen.

So geht es zum Beispiel in den ersten drei Monaten darum, Jesus besser kennenzulernen. Hinzu kommen regelmäßige wöchentliche Treffen mit der Basisgemeinde. Jeder soll jeden kennen und achten lernen, damit sie in die Gemeinschaft der kleinen Gemeinden hineinwachsen. Auch in Mexiko wünschen sich viele junge Menschen dann die Taufe, wenn sie heiraten wollen. Sie versuchen in der Situation den Pfarrer zu überzeugen, die Taufe nach einem kürzeren Zeitraum empfangen zu dürfen. Padre José erklärt uns, dass es keine Ausnahmen gibt. Jeder muss diesen langen Weg gehen, denn nur mit ihm ist ein wirkliches Verstehen, was ein Leben mit Jesus bedeutet, möglich. Wir sind sehr beeindruckt von der Konsequenz, mit der die Gemeinde diesen Weg geht. Bei ihnen ist keine Angst zu spüren, mehr Menschen zu verlieren als zu gewinnen.

Die Kinderkatechese

Am zweiten Morgen stellt sich das Führungsteam der Katecheten für die Stadt Sayula vor. Insgesamt 17 interessierte Menschen sitzen uns gegenüber und stellen mit viel Liebe sich selbst und das, was sie tun, vor. Die Anzahl der Katecheten selbst beläuft sich zurzeit auf 230 Personen. Die Kinderkatechese teilt sich in zwei Abschnitte. Von 6 bis 10 Jahren bereiten sich die Kinder auf die Erstkommunion vor. Gleich im Anschluss daran beginnt die Vorbereitung auf die Firmung (11–14), die dann mit 14 Jahren empfangen werden kann. Auch hier gilt, dass an allen wöchentlichen Treffen teilgenommen werden muss, damit die Sakramente empfangen werden können. Anzumerken ist jedoch, dass es im Gegensatz zu Deutschland hier in Mexiko keinen schulischen Religionsunterricht gibt.

Uns fällt auf, dass Padre José von den Katecheten niemals mit „Herr Pfarrer“ angesprochen wird. Er sitzt bei allen Veranstaltungen am Rande und hört zu. Alle treten mit großem Selbstbewusstsein auf. Sie erzählen von ihren regelmäßigen Treffen, auf denen sie besprechen, welche Methoden für welches Thema geeignet sind. Padre José unterstützt sie nur dann, wenn sie ihn um seinen Rat fragen.

An beiden Abenden stehen jeweils Besuche in verschiedenen Basisgemeinden auf dem Programm. Dort hören wir miteinander Gottes Wort und teilen unsere Empfindungen. Es ist natürlich auch Zeit, um zu hören, welche Erfahrungen sie in ihrem Gemeindeleben machen. Umgekehrt sind sie interessiert am Leben in Deutschland. Überall werden wir sehr herzlich unter großem Applaus begrüßt. Die Menschen sind gerührt, dass wir uns für sie interessieren. Beim Abschied gibt es Umarmungen und Segenswünsche.

 

Von Angelika Kamlage, Dekanat Böblingen

Bild: © Angelika Kamlage
19.08.2014

Kirche bei den Menschen

Sayula ‐  Für den Dienstagmorgen hat sich Bischof Braulio Rafael León Villegas (Diözese Ciudad Guzmán) angekündigt. Bei seinem Besuch spricht er davon, wie sehr er sich freut, dass wir aus Deutschland kommen, um seine Diözese zu besuchen. Wir seien herzlich willkommen. Ganz Südamerika und besonders Mexiko habe viel Hilfe und Unterstützung durch die deutschen Hilfswerke erfahren. Dafür seien sie sehr dankbar.

Der Bischof selbst hat während seines Studiums einige Zeit in Deutschland gelebt. Dabei habe er auch für einen Monat bei Mercedes gearbeitet. Mit dem verdienten Geld konnte er sich sein eigenes erstes Auto leisten ... allerdings keinen Mercedes :).

Wege, die verbinden

In seinen Augen verbinden die beiden Diözesen zwei Wege, die beide Bistümer erkannt und beschritten haben und die sie heute miteinander verbindet:

Es wurde ein Bewusstsein entwickelt und gestärkt, dass der Weg (die Mission) der Kirche nicht alleine einer der Bischöfe und Priester ist, sondern aller Getauften.
Es besteht Bereitschaft, bereits hier auf Erden Gerechtigkeit zu schaffen und Nachfolger Jesu Christi zu sein, damit unser Volk in Ihm das Leben hat.

Als Kirche ist es uns wichtig, dass wir sowohl in den gesellschaftlichen wie auch geografischen Randzonen wirken können. „Wir haben jedoch noch viel zu arbeiten, wenn ich an die Option für die Armen und die Option für die Jugend denke“, sagte der Bischof weiter beim Treffen.

Ehrenamtliche als Schlüssel zu einer Kirche der Nähe

Beide Diözesen versuchen, auf ihre Weise den notwendigen Blickwechsel zu gestalten hin zu den Lebenswelten der Menschen. Das ist nicht einfach. Aufgabe der Kirche ist es jedoch, Kirche mit Herz bei den Menschen zu sein. Eine andere Frage, die uns in den nächsten Jahren weiter herausfordern wird, ist die Frage nach den Ehrenamtlichen. Sie sind ein wichtiger Schlüssel zu einer Kirche der Nähe. Deshalb brauchen sie eine qualifizierte Ausbildung, um ihren Dienst zu tun. Dieses zu gestalten und zu begleiten, ist eine wichtige Aufgabe. „Den hier in der Diözese in den letzten Jahrzehnten entstandenen Basisgemeinden kann es am ehesten gelingen, eine Kirche der Nähe zu gestalten“, sagt Bischof Villegas. „Sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Katechese.“

Die Kirche in Deutschland ist seinem Eindruck nach in der Umsetzung der beiden zuletzt genannten Aspekte schon sehr weit. Für Mexiko wünscht sich Bischof Villegas ebenso qualifizierte Christen, die die Gesellschaft mitgestalten – so, wie die Europäische Union durch solch engagierte Menschen grundgelegt wurde und bis heute gestaltet wird.

Die Tage hier in Mexiko sind voll. Jeden Tag dürfen wir neue Menschen kennenlernen, die sich in ihrer Kirchengemeinde engagieren. Sie tun dies mit Herz, Leidenschaft und sehr viel Selbstbewusstsein. Jede Begegnung zeigt natürlich immer nur einen kleinen Teil des großen Ganzen. Um noch vielfältigere Eindrücke zu sammeln, teilt sich unsere Gruppe nach dem Gespräch mit dem Bischof in drei Teile. Eine Gruppe fährt hinaus aufs Land nach Jiquilpan, eine andere besucht die Kleinstadt Usmajac und die dritte bleibt in Sayula, die großstädtisch geprägt ist.

 

Von Angelika Kamlage, Dekanat Böblingen

Bild: © Angelika Kamlage
18.08.2014

Iglesia bonita

Sayula ‐  Nach einer erschöpfenden, mehr als 40-stündigen Anreise und einer ersten Nacht bei unseren Gastfamilien in Sayula treffen wir um 10.00 Uhr im Gemeindesaal der Kirchengemeinde ein.

Erster Programmpunkt ist die Begegnung mit den Leitern der diözesanen Arbeitsgruppen wie

  • Basisgemeinden,
  • Katechese,
  • Jugendpastoral,
  • Sozialpastoral u.a.
     

Pünktlich geht es nicht los – die mexikanischen Teilnehmer haben teils eine weite Anfahrt – und mit der Pünktlichkeit nimmt man es sowieso nicht ganz so genau, „puntualidad mexicana“ eben.

Mit einem kleinen Morgenimpuls und Liedern starten wir in die Austauschrunde. Max Himmel, Mitarbeiter in der Hauptabteilung Pastorale Konzeption in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, stellt unseren Gastgebern die Entwicklungsgeschichte unseres diözesanen Weges vor – ausgehend von den markanten Aussagen des II. Vatikanischen Konzils (Kirche als Volk Gottes) über die Übersetzung dieses Aufbruches in die Diözese in der Rottenburger Diözesansynode und den Pastoralen Perspektiven hin zu den aktuellen Herausforderungen und Umsetzung des Projekts „Kirche vor Ort“. Einzelne Mitglieder der Reisegruppe ergänzen diesen Input durch ihre Erfahrungen als Gemeindebegleiter(in), pastorale Mitarbeiter(in), Diözesanrat und mehr. In einer weiteren Runde sammeln wir die Fragen, die unsere Ortskirche in Deutschland umtreibt:

 

Wie kann der Blickwechsel hin zu den relevanten Themen der Menschen gelingen?
Wie kann das Ehrenamt weiter gestärkt werden und die Kooperation verteilt werden?
Was bedeutet die Einladung von Papst Franziskus, eine arme Kirche für die Armen zu sein, für unsere Diözese?
Wie kann die Lebensweltorientierung gelingen?
 

Mit Interesse und Nachfragen begleiten unsere mexikanischen Gastgeber diese erste Runde.
 
2. Runde: Die Diözese Ciudad Guzmán

Nach einer Stärkung folgt eine zweite Runde. Die Diözese Ciudad Guzmán stellt sich vor. Padre Salvador, Bischofsvikar für Pastoral, und Padre José, Diözesankoordinator der kirchlichen Basisgemeinden, berichten:

Die junge Diözese Ciudad Guzmán wurde 1972 gegründet. Vom II. Vatikanischen Konzil und der lateinamerikanischen Bischofssynode von Medellin (1968) inspirierte Priester und Verantwortliche nahmen dies zum Anlass, der Diözese eine neue Richtung mit auf den Weg zu geben: Nach einer intensiven Analyse der Realität und Auseinandersetzung mit den Schriften der Bibel nach dem Lehramt der Kirche wurden drei Optionen getroffen:

 

1. die Option für die Armen
2. die Option für die christlichen Basisgemeinden
3. die Option für die Jugend
 

Die kirchliche Organisation kennt vier Ebenen:

 

1. die kirchliche Basisgemeinde, wo sich das Leben der Menschen abspielt, das Leben in Solidarität gestaltet und im Lichte des Wortes Gottes gefeiert wird.
2. Die Pfarrei als Gemeinschaft von Basisgemeinden
3. Das Dekanat als inspirierende und strukturierende Ebene
4. Die Diözesanebene mit dem Bischof

Auf einer ersten Diözesansynode wurde das Modell „Kirche an der Basis“ bestätigt. In regelmäßig aktualisierten Pastoralplänen werden zentrale Schwerpunkte und Ziele für einen überschaubaren Zeitraum von vier bis sechs Jahren gesetzt. Diesen Pastoralplänen voraus gehen intensive Dialoggespräche, die zwei Dimensionen im Blick haben: die soziale Wirklichkeit der Menschen und die kirchlichen Strukturen des neuen Modells von Kirche. Auf allen vier Ebenen wird die aktuelle Situation analysiert und dann zuletzt auf der Diözesanversammlung verabschiedet.

 

Aktuelle Schwerpunkte in der sozialen Dimension sind:

 

Die Sensibilisierung in Fragen der Bewahrung der Schöpfung und der Schonung der wichtigen Ressourcen wie dem Wasser.
Die Wahrnehmung der vermehrten Gewalt durch den Einfluss der Drogenkatelle und die Förderung einer Kultur des Lebens.
 

Im kirchlichen Bereich obliegt der Schwerpunkt derzeit auf einer verbesserten Fort- und Weiterbildung der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter(innen) und der Bewusstseinsbildung für ein größeres Engagement von kirchlichem Wirken in der Gesellschaft.
 
Viele Gemeinsamkeiten
In der sich anschließenden Diskussion wurden bei allen Unterschieden der diözesanen Realitäten auch eine ganze Reihe von Übereinstimmungen gesehen:

 

Beide Diözesen treibt die Frage des Blickwechsels um, als der Hinwendung zu einer lebenswelt-orientierten Pastoral.
Es stellt sich die Frage, wie klerikale Tendenzen bekämpft werden können.
Die Arbeit der Ehrenamtlichen erfährt eine hohe Wertschätzung.
 

Aufgefallen ist uns, dass alle Vertreter der Diözese Ciudad Guzmán mit tiefer Überzeugung und Leidenschaft für ihren Weg einer Kirche an der Seite der Menschen einsetzen. Bei aller klaren Strukturiertheit ist es ein einfacher Weg, der viele Menschen mitnimmt. Das Wort Gottes und die Rückbindung an das lateinamerikanische Lehramt sind deutlich zu spüren. Einmal getroffene Optionen bzw. Schwerpunkte werden nach den fünf Schritten „sehen – urteilen – handeln – auswerten – feiern“ regelmäßig evaluiert und mit Blick auf ihre Umsetzung überprüft. Dabei werden folgende Aspekte berücksichtigt:

 

Die klare Fokussierung auf die lebensweltlich relevanten Fragen.
Die Förderung einer Kirche im Nahraum, die Beziehung, Begegnung und Gemeinschaft ermöglicht.
 

Es folgte ein Mittagessen, eingeleitet durch einen Umtrunk mit regionalen Leckereien, begleitet durch eine lokale Musikgruppe, die traditionelle mexikanische Musik und regionale Lieder anstimmte. Am Ende wurde sogar noch das Tanzbein geschwungen.

 

Von Wolfgang Hermann, Diözesanbetriebsseelsorger der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Bild: © Angelika Kamlage
17.08.2014

Angekommen

Sayula  ‐  Nach über 36 Stunden sind wir endlich in Sayula in der Diözese Ciudad Guzmán angekommen. Zwölf Stunden davon sind wir mit dem Bus unterwegs gewesen, der uns von Mexiko City zu unserem Zielort brachte. Dabei hatten wir Zeit, erste Eindrücke von den Menschen und dem Land zu erhaschen.

Es gibt hohe Berge, auch einen Vulkan, Wasser (zur Zeit im Überfluss – ist ja Regenzeit), natürlich auch weite Felder mit Mais oder Agaven (aus denen wird der Tequila gemacht), und sogar die eine oder andere kleine Rinderherde können wir beobachten, die von Männern auf Pferden gehütet werden. Eines der besonderen Highlights am Straßenrand: ein Obstverkäufer, der dem Besucher die Mangos mundgerecht aufbereitet. Eine gesunde Alternative zum Eis am Stiel :).
 
 

Am Abend kommen wir endlich in Sayula in der Diözese Ciudad Guzmán an. Alle sind müde und verschwitzt. Padre José Sánchez begrüßt uns herzlich, als wir aus dem Bus steigen. „Los alemanes están allí.“ (Die Deutschen sind da.) Die Kunde verbreitet sich schnell in der Gemeinde Parroquia Immaculada Concepción. Nach und nach füllt sich der Gemeindesaal mit Menschen. Es wird viel gelacht. Neugierige Blicke machen die Runde.

Musikalische Begrüßung

Erste vorsichtige Kontakte werden aufgenommen. Wolfgang Herrmann schlägt vor, dass wir ein Lied singen sollen. So stimmen wir „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“ an und, weil es so gut klang, danach noch „Großer Gott, wir loben Dich“. Dann sind die Mexikaner an der Reihe. Auch sie singen zwei Lieder. Eines davon ist im Rahmen der letzten Bischofssynode entstanden, das andere erzählt von der Jungfrau Maria.

Eine Vorstellrunde folgt. Das dauert, ist aber höchst interessant. Wir sind beeindruckt von der Vielfalt der Aufgaben und Ämter, die hier genannt werden. Neben Wort-Gottes-Leiterinnen, Katecheten und Katechetinnen und Jugendbeauftragten gibt es viele verschiedene missionarische und soziale Aufgaben. So wird zum Beispiel am Gründonnerstag in jedem Jahr eine große Spendenaktion durchgeführt. Das Geld, das dort gesammelt wird, kommt Menschen aus der Gemeinde zugute – nicht pauschal, sondern jeder Einzelfall wird geprüft. Wenn jemand ein teures Medikament nicht bezahlen kann, wenn eine notwendige Anschaffung nicht erfolgen kann usw., kann jeder hier Unterstützung finden.

„Meine Zeit ist für Gott und das ist mein Lebensinhalt“

Die Frau, bei der wir in dieser Woche leben dürfen, heißt Rachel. Sie ist für die Verteilung von Lebensmitteln an arme Familien an jedem Zweiten des Monats zuständig. Am Ersten wird dafür in der Gemeinde Geld gesammelt. Sie kauft die Lebensmittel und bringt sie in die Familien. Sie sagt, „auf diese Weise bringe ich immer auch das Evangelium in die Familie.“ Heute Morgen beim Frühstück frage ich sie, was sie macht, wenn gerade keine Deutschen da sind und wundervoll umsorgt werden. Ihre Antwort: „Ich koche für die Kranken, schaue nach ihnen und helfe den Armen und Bedürftigen, wo es möglich ist. Meine Zeit ist für Gott und das ist mein Lebensinhalt.“

Der Satz am Ende des Tages als wir auf die privaten Quartiere verteilt werden: „Uns ist auch noch wichtig zu sagen, dass wir eigentlich viel besser riechen als im Moment“. Lautes Gelächter erfüllt den Raum. Die Gemeindemitglieder sind sichtlich stolz, dass wir sie besuchen und sie uns beherbergen dürfen. Da macht auch unser gewöhnungsbedürftiges Deo keinen Unterschied.

 

Von Angelika Kamlage, Dekanat Böblingen

© weltkirche.katholisch.de
 

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