Katholiken stellen sich gegen Kabila
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Katholiken stellen sich gegen Kabila

Demokratische Republik Kongo ‐ Kongos Präsident Kabila will der Macht nicht weichen. Seine reguläre Amtszeit endete 2016, bereits zwei Mal wurden die Wahlen verschoben. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Besonders die Katholiken des Landes mobilisieren zum Widerstand.

Erstellt: 23.02.2018
Aktualisiert: 23.02.2018
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Kongos Präsident Kabila will der Macht nicht weichen. Seine reguläre Amtszeit endete 2016, bereits zwei Mal wurden die Wahlen verschoben. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Besonders die Katholiken des Landes mobilisieren zum Widerstand.

Die Katholiken im Kongo zieht es auf die Straße – obwohl der Präsident ihre Proteste bereits mehrfach blutig niedergeschlagen hat. An Silvester beschossen Polizisten als Reaktion auf Demonstrationen des Komitees katholischer Laien (CLC) Gotteshäuser mit Tränengas-Granaten oder Scharfmunitionen. Es gab Verletzte und mindestens acht Tote. Im Januar gab es erneut Proteste und wieder starben Menschen. Die Bischofskonferenz des Landes verurteilte die Gewalt gegen die friedlichen Demonstrationen in einer Mitteilung vom Montag scharf und rief dazu auf, die Wahlen 2018 durchzuführen.

Kirche als Schlichter

Bereits im Dezember 2016 endete die zweite und laut Verfassung letzte Amtszeit von Präsident Joseph Kabila. Doch er wollte nicht abtreten. Im Streit mit der Opposition rief er die katholische Kirche dazu auf, zu schlichten. „Die Kirche wird regelmäßig dazu geholt, wenn es Probleme oder Unruhen im Land gibt“, erklärt Adegbola Faustin Adeye, seit sechs Jahren Leiter der Verbindungsstelle von Misereor in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Rund die Hälfte der Bevölkerung des Kongo ist katholisch. Sie genießt bei der Bevölkerung, aber auch beim Staat hohes Ansehen, denn sie gewährleistet Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und Infrastruktur. „Es gibt im Kongo keine andere Organisation, die für die Bevölkerung so flächendeckend da ist“, so Adeye. Sogar der Staat selbst sei nicht so präsent wie die Kirche.

Bei dem nationalen Dialog zwischen Präsident und Opposition im Jahr 2016 handelten die Bischöfe aus, dass bis spätestens Ende des Folgejahres Wahlen stattfinden sollten. Doch die blieben bislang aus und wurden auf Ende 2018 verschoben. Die Katholiken fühlten sich wie viele Bürger betrogen.

Am Sonntag startet das katholische Laienkomitee laut Medienberichten erneut einen Protestmarsch gegen die Regierung. Sie rufen Menschen aller Religionen und politischen Lager dazu auf, „Nein“ zur Diktatur zu sagen und die Wahlen noch in diesem Jahr durchzusetzen. „Eine Kirche, die eine so große Hoffnung gesät hat, will sich nicht alles wieder zunichtemachen lassen von einer Clique von Männern und Frauen, die nicht gewillt sind, die Macht zu übergeben“, so Adeye.

Religionen stellen sich gegen den Präsidenten

„Die Wahlen müssen stattfinden. Kabila und seine Leute haben keine Alternative“, sagt auch der aus Angola stammende Menschenrechtler und Kongo-Experte Emanuel Matondo. „Durch den Konflikt mit der Kirche hat er schon verloren.“ Auch Protestanten und Muslime stellen sich an die Seite der Katholiken und kritisierten den Präsidenten für eine schlechte Regierungsführung. „Man kann von einem Bündnis der Religionen sprechen“, so Matondo. Je rabiater der Präsident gegen die Bevölkerung vorgehe, desto selbstbewusster werde sie.

Eine neue Qualität der Gewalt gegen die Kirche

Doch die Gewalt gegen die Kirche und Gläubige nimmt zu. „Dass Priester wegen ihres Glaubens oder ihrer politischen Positionierung festgenommen werden, ist nichts Neues. Seit 2016 gibt es aber eine neue Qualität der Gewalt gegen die Kirche“, sagt Misereor-Mitarbeiter Adeye. Die Regierungskräfte zündeten Kirchen an, entweihten Gotteshäuser, Priester würden festgenommen und gedemütigt, würden etwa gezwungen, sich nackt auf die Straße zu stellen. „Da können Sie verstehen, dass die Kirche auch weiterhin kritisch Stellung gegen den Staat beziehen wird“, so Adeye.

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Kabila profitiert von dem Chaos im Ostkongo

Nicht nur die Gewalt und der politische Stillstand treiben die Menschen auf die Straße, sondern auch die Korruption und die schwelenden Konflikte um Mineralien wie etwa im Ostkongo mit mehr als hundert bewaffneten Gruppen. Tausende Menschen, darunter viele Zivilisten, verloren in den Kämpfen ihr Leben, Millionen wurden vertrieben. Menschenrechtler Matondo ist überzeugt: „Kabila ist zum Problem Kongos geworden. Ich sehe nicht, dass er in der Lage oder willens ist, den Konflikt allein im Ostkongo zu beenden.“

Vielmehr bereichere er sich durch den Verkauf von Schürfrechten selbst. „Ich glaube, das Chaos hilft ihm.“ Kabila zählt zu den reichsten Präsidenten des afrikanischen Kontinents, Schätzungen seines Vermögens belaufen sich auf mehrere Milliarden Dollar. Auch lokale Politiker beteiligen sich an illegalen Geschäften mit den Rohstoffen.

China, der „Glücksritter“

Der Kampf um die Rohstoffe hat längst eine Eigendynamik entwickelt und wird auch mit einem möglichen Regierungswechsel wohl so schnell nicht beigelegt sein. Neben großen Konzernen aus Europa und den USA spielt auch China in dem Konfliktgebiet eine zunehmend wichtige Rolle. „China ist sozusagen der Glücksritter, denn es hat sich quasi die Exklusivrechte für den Abbau von Cobalt gesichert“, erklärt Matondo. Somit habe China mittelfristig auch die Kontrolle über die Herstellung von Akkumulatoren, die für die Produktion von Elektroautos verwendet werden.

Immer neue Märkte führen dazu, dass der Konflikt sich weiter hinzieht. „Das kapitalistische System hat seine eigene Dynamik und seine eigenen Regeln. Wir müssen versuchen, es auszutrocknen, damit es weniger blutig wird“, betont Matondo. Auch deswegen sei es wichtig, dass Kabila abtrete und es eine vernünftige Alternative für das Land gebe, wie es zum Teil in Südafrika, Simbabwe und Angola in jüngster Zeit geschehen sei.

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Die Hoffnung liegt in der Zivilgesellschaft

Tatsächlich gibt es im südlichen Afrika derzeit eine Machtverschiebung: In Südafrika endete jüngst die Ära von Präsident Jacob Zuma, in Simbabwe 2017 die von Robert Mugabe, in Angola die von dos Santos. „Es gibt eine Aufbruchstimmung in der Zivilgesellschaft“, beobachtet Lothar Berger, Chefredakteur der Zeitschrift „Afrika Süd“, für die auch Emanuel Matondo tätig ist.

Hierbei spielten die Sozialen Medien, ähnlich wie beim Arabischen Frühling in Nordafrika, eine entscheidende Rolle. „Sie bieten die Möglichkeit zur Opposition, Menschenrechtsverletzungen können dokumentiert und verbreitet werden; da kommt die Zensur schlecht hinterher.“ Die Machtstrukturen der alten Despoten gelte es aber auch auf den unteren Ebenen anzufechten. „Die Zivilgesellschaft muss sich artikulieren“, so Berger.

Die Katholiken des Kongo jedenfalls lassen sich bei ihren Protesten nicht beirren. Dabei finden sie auch Unterstützung aus dem Ausland, von Bischofskonferenzen weltweit. Aber auch der Druck von den Vereinten Nationen, den USA und Europa auf Präsident Kabila wächst. „Die Hoffnung auf Wahlen überwiegt im Kongo“, sagt Adeye von der Misereor-Verbindungsstelle. Es sei aber auch eine Geldfrage. „Das Land braucht schätzungsweise mindestens eine Milliarde Dollar für die Durchführung der Wahlen. Bislang stehen aber nur ein Drittel des Geldes zur Verfügung“, erklärt er. Geld aus dem Ausland sei nötig. Zugleich müsse sich die Kirche die Frage stellen: „Um welchen Preis ist sie bereit, den Wandel herbeizuführen? Ist es um den Preis von tausend Toten?“, fragt Adeye. „Jeder Tod ist einer zu viel.“

Von Claudia Zeisel

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