Erzbischof Schick in Zentralafrika
Zentralafrikanische Republik ‐ Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat in den vergangenen Tagen einen der ärmsten Staaten der Welt besucht, die Zentralafrikanische Republik. Das von Konflikten und Katastrophen zerrüttete Land ist auf weltweite Hilfe angewiesen, auch kirchliches Engagement spielt eine wesentliche Rolle, wie der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert.
Aktualisiert: 07.09.2017
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Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat in den vergangenen Tagen einen der ärmsten Staaten der Welt besucht, die Zentralafrikanische Republik. Das von Konflikten und Katastrophen zerrüttete Land ist auf weltweite Hilfe angewiesen, auch kirchliches Engagement spielt eine wesentliche Rolle, wie der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert.
Frage: Herr Erzbischof Schick, Ihre Social-Media-Kanäle haben Sie in den vergangenen Tagen nicht bespielt - ein Zeichen dafür, dass Sie in einer abgelegenen Region unterwegs waren. Ist die Zentralafrikanische Republik, beziehungsweise die Bevölkerung von vielen Netzen abgekoppelt und auf sich allein gestellt?
Schick: Ja, es gibt so gut wie kaum Internetzugang, auch in der Hauptstadt Bangui nicht. Das einzige was funktionierte, war das Telefon. Schlimmer aber ist: Es fehlt den Menschen vor allem an Sicherheit für Leib und Leben. Die Zentralafrikanische Republik ist eines der ärmsten Länder der Welt, das spürt man überall. Hunger und Krankheiten gehören zum Alltag. Das Bildungswesen ist mangelhaft. Hinzu kommt die schlechte Infrastruktur: Die Straßen sind zum Teil abenteuerlich und unzumutbar.
Frage: Wie kann die Kirche vor Ort helfen?
Schick: Die Kirche ist für viele Menschen die einzige funktionierende Institution im Land, die ihnen zu leben und zu überleben hilft. Sie unterhält Schulen und Krankenhäuser, vor allem bietet sie der Bevölkerung Zufluchtsmöglichkeiten. Wenn die Menschen wieder einmal vor Rebellengruppen fliehen müssen, dann suchen sie kirchliche Gebäude auf, wie zum Beispiel das Priesterseminar in Bangui, das drei Jahre lang Flüchtlingen Schutz und Sicherheit geboten hat.
Frage: Welchen Beitrag leistet die Kirche in Deutschland und weltweit?
Schick: Einmal ist es wichtig, dass die Menschen ganz konkret merken: Ihr seid nicht vergessen. Wir wissen, dass es euch gibt, sehen eure Not und wollen euch den Rücken stärken. Das war ein Grund für meinen Solidaritätsbesuch. Auch Papst Franziskus hat vor zwei Jahren eine solche Reise gemacht, über die heute sehr viel geredet wird.
Frage: Was ist mit finanzieller Unterstützung?
Schick: Wir zeigen auch materielle Solidarität. Wenn die Menschen in die Kirchen fliehen, müssen sie versorgt werden. Bei der Rückkehr oder Neuansiedlung brauchen die Flüchtlinge ebenfalls Unterstützung. Die katholischen Hilfswerke Deutschlands helfen in allen diesen Nöten. Auch zerstörte Kirchen und kirchliche Einrichtungen müssen wieder errichtet werden. Die katholische Kirche wächst in Zentralafrika, dafür müssen Pfarreien, Pfarreischulen, Krankenstationen et cetera aufgebaut werden.
Frage: Seit dem Sturz des damaligen Präsidenten Francois Bozize kommt das Land nicht mehr zur Ruhe. Welche Rolle spielt die Religion in dem Konflikt?
Schick: Im Wesentlichen handelt es sich um einen Kampf um Macht, wirtschaftliche und materielle Vorteile. Muslimisch geprägte Rebellen aus dem Norden stürmten 2013 die Hauptstadt und drängten den Präsidenten aus dem Amt. Anschließend versuchten sie, Territorien unter ihre Gewalt zu bringen, in denen Diamanten und Gold sowie wertvolle Hölzer zu finden sind. Dagegen haben sich dann christliche Milizen zur Selbstverteidigung gebildet. So ist der Konflikt auch mit Religion verbunden. Die religiösen Vertreter sind daher gefragt, zum Frieden im Land beizutragen.
Frage: Sie haben eine Institution besucht, die sich genau dafür einsetzt.
Schick: Die sogenannte Plattform der Religionen in Zentralafrika versucht, Christen und Muslime an einen Tisch zu bringen. Sie wollen Frieden, Versöhnung und Engagement für das Gemeinwohl voranbringen. Das ist sicher ein sehr gutes Ziel.
Frage: Sie haben auch Gespräche auf politischer Ebene geführt. Welche Ansätze zur Verbesserung der Lage konnten sie ausmachen?
Schick: Derzeit sind die Politiker ein Teil des Problems, sie müssen aber Teil der Lösung werden. Sie und alle Verantwortlichen sind in der Hauptstadt ansässig und versuchen, Bangui einigermaßen ruhig zu halten, was in letzter Zeit auch leidlich gelungen ist. In Bangui sitzt auch die Führung der UN-Mission MINUSCA.
Frage: Aber im Rest des Landes?
Schick: Sind die Rebellengruppen nach wie vor aktiv, morden und vertreiben. Mein Eindruck ist: Vielen Politikern fehlt es trotz der prekären Lage an Verantwortungsgefühl. Zugleich bedürfte es mehr Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.
Frage: Tut sich da zu wenig?
Schick: Mehr weltweites Interesse, Entwicklungshilfe mit klaren Vorgaben und einem gewissen Druck wäre sicher hilfreich, um die Politiker zu bewegen, mehr für ihren Staat zu tun. Zentralafrika ist ein Land, das in der internationalen Gemeinschaft keine große Rolle spielt – auch nicht in Deutschland. Es ist zwar so groß wie Frankreich, Belgien und Luxemburg zusammen, hat aber nur rund fünf Millionen Einwohner und liegt ein Stück abseits des Radars. Dabei ist es umgeben von Krisenländern wie Sudan, Tschad und Kamerun. Wenn die Zentralafrikanische Republik mehr Frieden hätte, könnte sich das auch positiv auf die ganze Problemregion in West- und Mittelafrika auswirken.
Frage: Sehen Sie so etwas wie ein Fernziel?
Schick: Der Staat muss wieder mit einer funktionierenden Armee, Polizei und Gerichtsbarkeit ausgestattet werden. Dann sollte auf Föderalismus gesetzt werden; der Zentralismus in der Hauptstadt tut dem Staat nicht gut. Das Land ist reich an Ressourcen: Bodenschätzen, fruchtbarem Land und vor allem an vielen jungen Menschen, die etwas voranbringen wollen. Der Reichtum Zentralafrikas muss allen Zentralafrikanern zugutekommen.