„Helfen in extrem angespannter Lage“
Nordkorea ‐ Der deutschen Caritas ist es gelungen, in den vergangenen 20 Jahren humanitäre und medizinische Hilfsprojekte in Nordkorea anzustoßen. Erstmals war nun Caritaspräsident Peter Neher in Pjöngjang. Im Interview berichtet er von den Zielen, Chancen und Hindernissen bei der Hilfe.
Aktualisiert: 19.09.2017
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Das autoritär regierte Nordkorea hält die Welt in Atem. Diktator Kim Jong-un droht mit Atomwaffen. Vom Alltag der 25 Millionen Koreaner dringt kaum etwas aus dem abgeschotteten Land nach außen. Der deutschen Caritas ist es gelungen, in den vergangenen 20 Jahren humanitäre und medizinische Hilfsprojekte anzustoßen. Erstmals war nun Caritaspräsident Peter Neher in Pjöngjang. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch berichtet er von den Zielen, Chancen und Hindernissen des Caritas-Engagements.
Frage: Herr Präsident Neher, aus einem UNO-Nothilfeprogramm in den 1990er Jahren sind Kontakte der deutschen Caritas in Nordkorea erwachsen. Inzwischen haben sie mehrere Millionen Kinder gegen Masern, Hepatitis und Enzephalitis geimpft, zur Versorgung von Krankenhäusern rund 80 Gemüse-Gewächshäuser gebaut und in der Hauptstadt Pjöngjang ein Altenzentrum eröffnet. Was kann diese Hilfe in dem abgeschotteten Land erreichen?
Neher: Wir wollen unsere besonderen Kontakte für humanitäre Aufgaben nutzen. Wir helfen Menschen am Rande – seien es Patienten in den Infektionskrankenhäusern, deren Ernährung wir durch die Gewächshäuser verbessern können. Tuberkulose und Hepatitis sind in Nordkorea ein enormes Problem. Zwei Impfkampagnen konnten wir organisieren, die dritte musste zuletzt wegen der großen weltpolitischen Spannungen abgebrochen werden. Wir hoffen, dass wir das bald fortsetzen können. Völliges Neuland dort ist der Aufbau einer offenen Altenhilfe, die Familien bei der Pflege entlasten können.
Frage: Müssen Sie aber nicht fürchten, durch Ihre Hilfe gerade erst das menschenverachtende System zu stabilisieren und zu stärken?
Neher: Wir machen uns da nichts vor. Wir arbeiten in einer Diktatur, in der Menschenrechte wenig gelten. Aber das gilt nicht nur für Nordkorea, sondern für viele Länder, in denen wir uns engagieren. Es geht uns dabei gerade nicht um einen Staat, sondern darum, in konkreten Notlagen zu helfen. Wenn wir einen Beitrag leisten, das Leben einzelner zu verbessern, rechtfertigt das die Zusammenarbeit. Umgedreht formuliert: Das Regime ändert sich auch nicht, wenn wir nicht helfen.
Frage: Erst vor wenigen Tagen versetzte ein weiterer Raketentest die Weltgemeinschaft in Alarmbereitschaft. Wie können Sie unter diesen Bedingungen ihre Projekte planen und fortsetzen?
Neher: Trotz aller Schwierigkeiten gibt es ganz wenige Kanäle für das Engagement ausländischer Hilfsorganisationen. Und solange wir auf einem dieser Kanäle arbeiten können, tun wir das. Derzeit können wir unsere Projektpartner besuchen und sicherstellen, dass die Mittel auch dort ankommen, wofür sie bestimmt sind. Im vergangenen Jahr war eine Delegation des nordkoreanischen Gesundheitsministeriums in Freiburg und hat sich hier Altenhilfeeinrichtungen angeschaut. Es gibt also einen kleinen Austausch. Aber klar ist: Bei einer weiteren Eskalation der extrem angespannten Lage könnten wir dazu kommen, die Hilfen nicht fortzusetzen. Dieses Risiko besteht.
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