Erfolg der vatikanischen Diplomatie in Kuba
Die Annäherung zwischen den USA und Kuba ist nicht nur ein „historischer Durchbruch“ für die beiden lange verfeindeten Staaten. Sie stellt auch einen der spektakulärsten Erfolge der Vatikandiplomatie in den vergangenen Jahrzehnten dar. Der Papst aus Argentinien hat sein Gewicht als moralische Autorität in die Waagschale gelegt, um eine der letzten Hochburgen des Kommunismus mit der einzigen verbliebenen Supermacht an einen Tisch zu bringen.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Annäherung zwischen den USA und Kuba ist nicht nur ein „historischer Durchbruch“ für die beiden lange verfeindeten Staaten. Sie stellt auch einen der spektakulärsten Erfolge der Vatikandiplomatie in den vergangenen Jahrzehnten dar. Der Papst aus Argentinien hat sein Gewicht als moralische Autorität in die Waagschale gelegt, um eine der letzten Hochburgen des Kommunismus mit der einzigen verbliebenen Supermacht an einen Tisch zu bringen.
Franziskus musste nicht bei Null anfangen. Kuba stand schon seit der Revolution von Fidel Castro im Zentrum päpstlicher Diplomatie. Denn trotz harter Schläge gegen die Kirche hatten die Karibik-Revolutionäre – anders als der Warschauer Pakt – nie ganz mit Rom gebrochen. Johannes XXIII. (1958–1963) wandte sich auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise 1962 persönlich an US-Präsident John F. Kennedy und den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow, um einen Waffengang in letzter Minute abzuwenden. Entscheidenden Einfluss auf den glimpflichen Ausgang der Krise hatten die Bemühungen nach Ansicht von Historikern zwar nicht, doch die moralische Autorität des Papsttums wurde gefestigt.
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. auf Kuba
Johannes Paul II. (1978–2005) besuchte 1998 als erster Papst Kuba. Das 1962 verhängte US-Wirtschaftsembargo gegen die Zuckerinsel verurteilte er als „ungerecht und moralisch nicht hinnehmbar“, appellierte aber zugleich an Kubas Führung, die Insel zur Welt hin zu „öffnen“. In Gegenwart des Papstes und der Parteiführung traute sich erstmals einer der kubanischen Bischöfe, die Diktatur in einer öffentlichen Ansprache zu kritisieren. Auch Benedikt XVI. (2005–2013) ließ während seines Besuchs 2012 keinen Zweifel an seiner Ablehnung des Embargos.
Einen ersten Hinweis darauf, dass Franziskus einen besonderen Draht nach Kuba hat, gab es schon kurz nach seiner Wahl im März 2013. Damals überließ er dem Kardinal von Havanna, Jaime Ortega y Alamino, seine aufsehenerregende und wohl wahlentscheidende Rede im Vorkonklave zur Veröffentlichung. Anzeichen auf eine diplomatische Initiative drangen freilich in den kommenden Monaten nicht nach außen.
Dass aber Franziskus keineswegs so unpolitisch ist, wie manche Beobachter zu Beginn des Pontifikats meinten, zeigte sich bereits im Syrien-Konflikt. Seine Gebetsinitiative im September 2013, der sich auch Muslime in aller Welt anschlossen, wurde von einer diplomatischen Offensive des Vatikans flankiert. Ob und in welchem Umfang sie dazu beigetragen hat, dass die USA kurz darauf auf einen Militärschlag gegen Syrien verzichteten, bleibt zwar offen. Fest steht aber, dass der Vatikan auch hinter den Kulissen Hebel in Gang setzte, um ein Eingreifen der USA abzuwenden.
Der Vatikan als Vermittler
Den letzten großen Erfolg als Vermittler verzeichnete der Vatikan im Dezember 1978. Damals konnte er einen Krieg zwischen Argentinien und Chile um eine von beiden Ländern beanspruchte Inselgruppe im Beagle-Kanal in letzter Minute abwenden. Nicht verhindern konnten Johannes Paul II. und seine Diplomaten hingegen vier Jahre später den Krieg zwischen Argentinien und Großbritannien um die Falkland-Inseln.
Auch im wohl bekanntesten Fall päpstlicher Vermittlung in der neueren deutschen Geschichte ging es um eine Inselgruppe: 1885 vermittelte Papst Leo XIII. (1878-1903) im Streit zwischen dem Deutschen Reich und Spanien um die pazifischen Karolinen-Inseln.
Franziskus half seine Herkunft aus Lateinamerika bei der Vermittlung. Das bestätigte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nun in einem Interview. So konnte er Türen öffnen, die dem polnischen Papst Johannes Paul II., der vielen als „Kommunistenfresser“ galt, bei seiner historischen Kuba-Reise verschlossen blieben.
Kaum möglich gewesen wäre der jüngste Vermittlungserfolg freilich ohne die ausgewiesenen Kuba-Kenner, die Franziskus zur Seite stehen. Sein Chefdiplomat etwa, Parolin selbst, war zuvor Vatikanbotschafter in Venezuela, dem engsten Verbündeten Kubas. Der vatikanische Innenminister Erzbischof Angelo Becciu vertrat den Heiligen Stuhl früher in Havanna. Das Erfolgsrezept eines guten Diplomaten verriet Franziskus übrigens am Donnerstag selbst, als er 13 neue Botschafter beim Heiligen Stuhl empfing: Ein Diplomat, so sagte er, habe es mit einer „Arbeit der kleinen Schritte, der kleinen Dinge zu tun“.
Von Thomas Jansen (KNA)