
Mit der Gitarre im Gepäck nach Bolivien
Vor genau einem Jahr hieß es für Lukas Lange Abschied nehmen – vom Kinderdorf Padre Alfredo im bolivianischen Tiefland und damit auch von Daniél, Esthér, Rosa Isela, Roberto und den vielen anderen Kindern, die für das Musik-Projekt „proyecto CD“ zu den Instrumenten griffen. Im September wird der 21-jährige Dortmunder, der 12 Monate lang als Missionar auf Zeit in Bolivien mitgelebt, mitgearbeitet und mitgebetet hat, wieder nach Santa Cruz fliegen – um die Kinder, Freunde und seine Hausmutter wiederzusehen und zumindest für drei Wochen an den Ort zurückzukehren, der für ihn zu einer zweiten Heimat geworden war. Lukas Lange erinnert sich:
Aktualisiert: 15.11.2022
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Vor genau einem Jahr hieß es für Lukas Lange Abschied nehmen – vom Kinderdorf Padre Alfredo im bolivianischen Tiefland und damit auch von Daniél, Esthér, Rosa Isela, Roberto und den vielen anderen Kindern, die für das Musik-Projekt „proyecto CD“ zu den Instrumenten griffen. Im September wird der 21-jährige Dortmunder, der 12 Monate lang als Missionar auf Zeit in Bolivien mitgelebt, mitgearbeitet und mitgebetet hat, wieder nach Santa Cruz fliegen – um die Kinder, Freunde und seine Hausmutter wiederzusehen und zumindest für drei Wochen an den Ort zurückzukehren, der für ihn zu einer zweiten Heimat geworden war. Lukas Lange erinnert sich:
„Wer als Deutscher nach Bolivien kommt wird zunächst zwei große Probleme haben: das Klima und die Sprache. Zu Nummer 1: im Tiefland ist es nun einmal vornehmlich heiß, um die 35 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit. Man wird das nicht ändern können, also gewöhnt man sich besser daran. Zu Nummer 2: Wer seine Spanischkenntnisse auf einen 5-tägigen Kurs an der VHS stützt, verständigt sich zunächst mit Händen und Füßen oder greift auf seine altsprachlichen Lateinkenntnisse zurück. Das klappte ganz gut bis ich am dritten Tag bei einem Besuch der Schule spontan als Englischlehrer vorgestellt wurde und gleich meine erste Stunde geben sollte. Mit einigen englischen Kinderliedern und dank meiner Gitarre zog ich mich relativ beachtlich aus der Affäre.

Mit jeder Stunde machte der Unterricht mit den Kindern mehr Spaß und auch mein Spanisch Fortschritte. Die Klassengrößen von mehr als 50 Kindern auf engstem Raum waren sicher eine Herausforderung – manchmal auch für die Ohren. Und eine Sache, die sich im ganzen Jahr immer wieder bestätigte, wurde mir bewusst: Ich bin als Freiwilliger in ein fremdes Land gekommen, um zu helfen, bin hier aber viel mehr auf die Hilfe der anderen angewiesen, um überhaupt erst einmal zurecht zu kommen.
Durch die Unterstützung von vielen Seiten – vor allem auch der Kinder – konnte ich mich aber schnell einleben. Nach der Schule war ich zumeist im Kinderdorf, in dem ich auch lebte. In einem der Häuser – die Kinder leben hier wie in einer Familie mit einer Hausmutter zusammen – aß ich zu Mittag und zu Abend, half bei den Hausaufgaben oder sonstigen Problemen und sorgte für sinnvolle Freizeitbeschäftigung abseits der beliebten Telenovelas. Hier kam mir auch die Idee zu verschiedenen Projekten mit den Kindern und Jugendlichen.
Zwischen Profifußball und Musikkarriere
Mit den älteren Jungen gründete ich zunächst ein Fußball-Team. Zweimal die Woche wurde trainiert, samstags spielten wir in einer Liga – zwar nicht immer erfolgreich ob der übermächtigen Konkurrenz, aber mit viel Spaß und Einsatz.
Gemeinsam mit dem Musiklehrer vor Ort gründeten wir schließlich einen Chor von ca. 20 Jungen und Mädchen im Alter von 8 bis 16 Jahren. Durch Spenden von Freunden und Bekannten in Deutschland konnten wir für einige Kinder einen Instrumentalunterricht organisieren und einige Instrumente erwerben. Höhepunkt war die gemeinsame Aufnahme einer CD nach akribischer Arbeit mit den Kindern. Da mir besonders dieses Projekt am Herzen liegt und ich die beteiligten Kinder weiterhin fördern und unterstützen möchte, verkaufe ich derzeit die CDs zu einem Beitrag von 10 Euro. Mit dem Geld sollen der Musikunterricht und die Arbeit des Chores weiter aufrechterhalten werden.

Vorfreude auf das Wiedersehen
Am 16. September ist es nun endlich soweit: Nach über einem Jahr in Deutschland habe ich genug Geld für einen Transatlantik-Flug zusammengespart und kann endlich die Kinder und Mitarbeiter im Kinderdorf, meine Schüler und Freunde in Bolivien wiedersehen!
Was ich erwarte? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Natürlich habe ich versucht, so gut wie möglich mit den Menschen in Bolivien in Kontakt zu bleiben: über Briefe und Weihnachtsgeschenke, Anrufe zu den Geburtstagen, über Facebook usw. Und auch über das CD-Projekt war ich ein bisschen mit Bolivien verbunden: Wenn ich Menschen von meinen Erfahrungen erzählt habe, wenn ich die Musik vorgeführt und erklärt habe, wie sie entstanden ist. Und manchmal eben auch, wenn ich Spenden nach Bolivien schicken konnte und mit dem Direktor besprochen habe, wie wir damit den Musikunterricht verbessern können.
Und trotzdem haben wir in zwei verschiedenen Welten gelebt – im wahrsten Sinne des Wortes.
Und so gehe ich mit ganz viel Vorfreude und einem kleinen bisschen Anspannung auf die Reise. Ich wünsche mir, dass ich in den drei Wochen viel Zeit mit meiner „Familie“ und mit Freunden verbringen kann und es doch ein bisschen so ist wie „nach Hause zu kommen“. Mit Sicherheit können wir auch mit den Musikern vom Chor den einen oder anderen Song einüben. Ich freue mich schon darauf zu sehen, welche Fortschritte sie durch den Musikunterricht gemacht haben. Oder auch in Santa Cruz etwas die Werbetrommel für das „proyecto CD“ rühren. Meine Gitarre wird jedenfalls mit im Gepäck sein. Vielleicht kann man es also am Besten so formulieren: Ich erwarte, dass sich einiges verändert hat, und hoffe, dass es irgendwie doch so ist wie früher. Spannend wird es auf jeden Fall!“
Von Lukas Lange