Die Rohstoffe und die Energie sind ja nur deshalb günstig genug für die Massenproduktion von Autos und vielen anderen Konsumgütern, weil am anderen Ende der Kette Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben und arbeiten müssen, weil Tiere als Input industrieller Nahrungsmittelerzeugung behandelt werden und weil natürliche Ressourcen unserer Erde übernutzt werden. Unsere weltkirchliche Arbeit stellt uns ständig Beispiele dafür vor Augen. Dieses System, diese Wirtschaft tötet – so hat es Papst Franziskus auf den Punkt gebracht.
Nicht akzeptabel dabei ist, dass dieses System ethische und Gerechtigkeitsfragen hintan stellt und Verantwortung kleingeschrieben wird. Es verschleiert Zusammenhänge zwischen Autos, Nahrungsmitteln, der Kleidung, den Finanzanlagen etc., die wir nutzen, und dem Sozialdumping sowie der Umweltzerstörung, die wir dafür in Kauf nehmen. Zu Recht fordern die katholischen und evangelischen Bischöfe in ihrer aktuellen Stellungnahme zur Wirtschafts- und Sozialordnung deshalb die „Erneuerung der Verantwortungskultur“. Als Christen sind wir überzeugt, dass Verantwortung für den anderen und für die Schöpfung unser Leben nicht schmälert sondern weiter und reicher macht. Im Bewusstsein der eigenen Grenzen gemeinsam Verantwortung füreinander und für Dritte zu übernehmen, bedeutet, sich in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der die Enge dessen übersteigt, was jeder einzeln für möglich und machbar hält. Ohne diesen positiven Elan wird das Bemühen um globale Verantwortung in kleinlichem Verhandlungspoker oder Mutlosigkeit ersticken.
Grenzen überwinden
Umgekehrt kann dieser Elan helfen, Grenzen wie etwa die zwischen „entwickelten“ und „unterentwickelten“ Ländern zu überwinden, wenn deutlich wird, dass jedes Land und jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten, aber auch nach seiner historischen Verantwortung beitragen kann – und dass jeder Beitrag gebraucht wird. Das betrifft die individuelle ebenso wie die gesellschaftliche Ebene. Beides gehört zusammen: die Frage, wie wir als einzelne und als Gruppen unseren Nahbereich gestalten, und das gesellschaftliche Ringen um Werte und Prio-ritäten, die den Rahmen für unser Leben als einzelne und als Gruppen bilden. Dabei geht es um große Themen: unser Verständnis von Freiheit und Gerechtigkeit, unser Verhältnis zur Schöpfung und zur eigenen Endlichkeit, um Hoffnungen und Ängste – letztlich um die Frage, wie wir leben wollen. Als Akteure der Weltkirche gehören wir in diese Debatten und in dieses Ringen hinein.
Von Pirmin Spiegel, Misereor
Stand: August 2014
Hinweis: Der Beitrag von Pirmin Spiegel ist erstmalig erschienen im Jahresbericht Weltkirche 2013 .