Frage: Die Regierung hat die Corona-Maßnahmen vor Weihnachten gelockert. Wie wird in diesem Jahr gefeiert?
Lutfi: Es wird kein Weihnachten wie sonst. Feiern werden möglicherweise auf Gebete zu Hause oder in kleiner Zahl in Kirchen beschränkt. Die Krisen haben einen tiefen Eindruck in der Psyche der Christen hinterlassen. Wir sehen wachsende Armut, Angst über die christliche Präsenz, den Wunsch vieler, auszuwandern. Dies und die intensive Angst vor der Pandemie machen Weihnachten dieses Jahr sehr schwierig. Mit der Ankunft des Winters wird die Lage noch komplizierter. Vielleicht ist dieses Weihnachten der Geburt Jesu sehr ähnlich, der an einem armen, kalten Platz geboren wurde. In diesem Jahr werden wir wie der Sohn Gottes leben, der Armut und harte Lebensbedingungen wählte, um unseren armen Lebensbedingungen nahezukommen.
Frage: 2020 in wenigen Worten?
Lutfi: Es war ein Jahr der Krisen, Herausforderungen und des Schmerzes. Es begann mit der weiteren Verschlimmerung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dann kamen die Proteste wegen der Armut, die alle Städte über Monate erfassten, aber nicht zu einem wirklichen Wandel führten. Das hat zu allgemeiner Frustration und Enttäuschung geführt, die bis heute spürbar sind. Die Corona-Krise hat die verbleibende Hoffnung auf Besserung zerstört. Und schließlich die Explosionen in Beirut, die knapp 200 Menschen getötet haben. Die christliche Präsenz, die 2.000 Jahre zurückreicht, ist all dem ausgesetzt – mit dem Risiko, dass der Orient von seiner wesentlichen und ursprünglichen christlichen Komponente entvölkert wird.
Frage: Was sind Ihre Hoffnungen und Ängste für 2021?
Lutfi: Angesichts der komplexen regionalen und globalen Situation, die mit widersprüchlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen sowie den Ambitionen einiger ausländischer Staaten in den schwachen Staaten des Nahen Ostens zusammenhängen, gehe ich davon aus, dass es ein ungewisses Jahr wird. Eine echte Entscheidung, Krisen auf globaler Ebene zu beenden, fehlt; also müssen wir den Menschen versichern, dass die Zukunft besser wird. Stattdessen brennt die Region weiter, vom Irak bis Syrien, dem Libanon und anderen Ländern. Doch die Hoffnung bleibt! Wir wissen, dass Gott der Herr der Geschichte ist. Und er ist ein Gott, der Menschen liebt. Weihnachten erinnert uns an diese tiefe Glaubenswahrheit.