Frage: Wie hat sich das Friedensabkommen auf die Binnenflüchtlinge ausgewirkt? Und gibt es spürbare Veränderungen bei den Flüchtlingszahlen nach Europa?
Bröckelmann-Simon: Es ist noch zu früh, um da gesichert von Veränderungen zu sprechen. Es hängt sehr von dem innenpolitischen Prozess im Land ab. Mittlerweile ist ja die Hälfte der Bevölkerung Eritreas außer Landes. Durch die offenen Grenzen kam es auch zu einem Anstieg der Bewegungen nach Äthiopien. In die menschliche Mobilität zwischen Eritrea und Äthiopien ist insgesamt Bewegung gekommen – nicht nur im Rahmen von Flucht, sondern vielleicht künftig auch als normaler Austausch, wie wir ihn hier in Europa mit der Freizügigkeit ebenfalls haben. Ziel ist es ja, dass dies auch wirklich zur Normalität wird. Ob das gelingt, hängt aber von der innenpolitischen Dynamik von Eritrea ab und der Frage, ob dem Friedensschluss nach Außen auch der Friedensschluss nach Innen folgt.
Frage: Immerhin gilt der eritreische Machthaber Afewerki als Diktator, Hunderttausende Eritreer müssen Wehrdienst und Zwangsarbeit auf unabsehbare Zeit verrichten. Glauben Sie, dass sich die Menschenrechtslage auf absehbare Zeit entschärft?
Bröckelmann-Simon: Die äußere Bedrohung, mit der die eritreische Regierung ihr striktes Vorgehen gegen die Bevölkerung politisch begründet hatte, ist nun ja weggefallen. Die kommenden Monate müssen zeigen, was sich tut. Die Ungeduld und der Unmut im Land wachsen, weil der Erwartungsdruck hoch ist. Schließlich kann man jetzt zwischen den beiden Ländern vergleichen und es gibt viel mehr Informationsaustausch als vorher.
Frage: Könnte es für Präsident Isayas Afewerki eng werden?
Bröckelmann-Simon: Im Moment gibt es dafür keine Anzeichen. Der Frieden zwischen Eritrea und Äthiopien wird ja immer mit dem Mauerfall verglichen. Der Unterschied aber ist: Die „Mauer“ zwischen diesen beiden Ländern ist nicht aufgrund von einer Volksbewegung von unten „gefallen“, sondern durch ein Dekret zweier Präsidenten „von oben“. Insofern ist die Tatsache, dass Eritrea jetzt offene Grenzen hat, kein Anzeichen dafür, dass es eine Veränderungsbewegung von unten gibt. Das passiert wohl eher durch eine Lockerung der Haltung der Regierung. Auf jeden Fall kommt von außen „Wind“ ins System. Eine offene Tür, auch wenn sie erst mal nur einen Spalt weit offen ist, kann der erste Schritt zum Wandel sein.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
© weltkirche.de