Studium an der Urbaniana in Rom
Die Priester der Stadt versuchten, dass Tolton in einen Orden oder ein Priesterseminar aufgenommen wird, damit er weiter lernen kann. Als keine Institution sich bereit sah, einen Schwarzen aufzunehmen, sorgten die Priester mit Privatunterricht selbst dafür, dass Tolton und zwei weitere junge Männer eine höhere Schulbildung erhielten. Trotz der Unterstützung der Geistlichen wollte auch danach kein amerikanisches Priesterseminar Tolton aufnehmen.
Aber er wurde an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom angenommen, wo 70 Studenten aus aller Welt sich auf ihr Leben als Missionar vorbereiteten. Tolton dachte, dass er nach dem Besuch der Missionshochschule der Kirche als Seelsorger nach Afrika geschickt wird. Er lernte Italienisch, Latein sowie Altgriechisch und studierte afrikanische Kulturen und Sprachen.
Aber es kam anders, denn für die Kirche war Amerika noch ein Missionsland: Nach seiner Priesterweihe am 24. April 1886 in der Lateranbasilika wurde Tolton in die USA zurückgeschickt. Als „Father Gus“ kehrte er nach Quincy zurück und wurde dort zu einem bei Schwarzen wie Weißen beliebten Seelsorger. Weil die Kirchen voll waren, wenn er die Messe feierte, rief er die Kinder dazu auf, vorne im Altarraum Platz zu nehmen, sodass die Erwachsenen mehr Sitzplätze hatten. Allerdings schien er nach einem Jahr auch etwas entmutigt, weil nur sechs Menschen zum Katholizismus konvertierten. Schlimmer wurde es, als ein neuer weißer Priester und Dekan in die Stadt kam und eine Kampagne gegen Tolton begann. Weiße sollten nicht mehr zu „diesem Nigger-Priester“ gehen, forderte Dekan Michael Weiss. Und obwohl die Priester der Stadt auf der Seite von Tolton standen, konnten sie nicht verhindern, dass ihm befohlen wurde, entweder nur Schwarzen zu predigen oder die Stelle zu wechseln.
Nach Kontakten mit dem Bischof und der seit Urbaniana-Zeiten für ihn zuständigen römischen Missionskongregation wurde beschlossen, dass Tolton Quincy verlassen und künftig für das Erzbistum Chicago arbeiten soll. Das Erzbistum empfing Father Gus mit offenen Armen und er wurde sofort zum Pfarrer aller Schwarzen installiert. Allerdings hatte er dafür keine eigene Kirche zur Verfügung, nur einen Altar in einer anderen Gemeinde. Der Bau der neuen Kirche St. Monica und die Sorge für die vielen Armen rieb den Priester immer mehr auf.
„Ein Pionier seiner Zeit für Inklusivität“
Anfang Juli 1897 fuhr Tolton für einige Tage mit anderen Geistlichen zu Priesterexerziten. Als er an einem heißen Freitagmittag nach Chicago zurückkehrte, kollabierte Father Gus und brach auf der Straße zusammen. Am 9. Juli 1897 starb Tolton in einem Chicagoer Krankenhaus an dem Hitzschlag – er wurde nur 43 Jahre alt. An dem Requiem für ihn nahmen mehr als 100 Priester und tausende Menschen teil. Beerdigt wurde er auf seinen Wunsch hin nicht in Chicago, sondern in einem Priestergrab in Quincy.
2011 begannen die offiziellen Untersuchungen für eine mögliche Seligsprechung. Der Postulator für den Seligsprechungsprozess im Erzbistum Chicago, Weihbischof Joseph Perry, bezeichnete die Anerkennung der Positio durch den Vatikan als ein „sehr positives Zeichen, dass es weiter geht“. Er würdigte Augustus Tolton als einen Pionier seiner Zeit für Inklusivität, da er in seiner Pfarrei in Quincy Weiße und Schwarze angezogen habe. Wegen seiner Rasse sei der Priester aber auch diskriminiert und abgeurteilt worden. Seine Selig- und Heiligsprechung wäre ein „wesentlicher Meilenstein in der Geschichte des schwarzen Katholizismus der USA“, so Perry.
Von Agathe Lukassek
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