Frage: Angela Merkel bezeichnet die Zusammenarbeit zwischen Italien und Libyen in der Schlepperbekämpfung als gut. Dabei werfen Kritiker ein, dass man die Augen nicht vor den Bedingungen für Flüchtlinge in Libyen selbst verschließen darf. Zudem sind 2016 laut IOM in der Wüste dreimal so viele Menschen gestorben wie im Mittelmeer.
Klitsch-Ott: Schon seit Längerem sind viele Menschen auf dem Weg durch die Wüste ums Leben gekommen. In den Lagern in Libyen herrschen zudem unmenschliche Zustände, die Versorgung ist dort nicht gewährleistet durch den libyschen Staat, der so gut wie nicht existiert. Es gibt ein massives humanitäres Problem, zumal Hilfsorganisationen dort nach wie vor kaum Zugang haben.
Frage: Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Europa die Flüchtlinge bekämpft, aber nicht die Fluchtursachen. Vielmehr trägt es etwa mit subventionierten Agrarprodukten in Afrika selbst zur Fluchtbewegung bei. Was erwarten Sie hier für Maßnahmen?
Klitsch-Ott: Bei der Entwicklungszusammenarbeit und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit könnte man in vielen Ländern Afrikas mehr tun. Bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit muss man den Ländern bessere Perspektiven, fairere Handelsbedingungen bieten, damit dort auch Arbeitsplätze entstehen können. Nur so kann eine Wertschöpfung stattfinden, an der die Bevölkerung teilhat. Und dafür braucht es natürlich eine „gute Regierungsführung“ der lokalen Autoritäten.
Die Fluchtursachen werden aber nicht über Nacht bekämpft. Die EU hat jüngst eine Studie in Auftrag gegeben, wonach erst im Jahr 2050 bis 2060 die Migrationsraten gesenkt werden könnten – vorausgesetzt, die Wirtschaft in Afrika wachse jährlich um zwei bis drei Prozent – und das Durchschnittseinkommen in einem Land liege bei etwa 9.000 Euro pro Jahr. Es ist also noch ein weiter Weg, der aber trotz allem beschritten werden muss.
Das Interview führte Claudia Zeisel
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