Frage: „Sie sind Radiojournalist – aber fehlen einem bei solchen Grausamkeiten nicht die Worte?“
Dalhatu: „Wir wollen genau diese Sprachlosigkeit überwinden. Zum Beispiel mit Ratgeberprogrammen, in denen wir Hilfen und Trost für die betroffene Bevölkerung bieten. Dazu laden wir Psychoanalytiker oder Vertreter von Nichtregierungsorganisationen ein. Dann haben wir ein Format, bei dem Hörer nach ihren vermissten oder verschleppten Angehörigen suchen. Und wir bieten Talkshows zu aktuellen Problemen an, zu denen Zuhörer im Studio anrufen können.“
Dandal Kura bedeutet soviel wie „offene Arena“ oder „Marktplatz“. Zum Themenspektrum gehören neben religiösen Inhalten Gesundheits- und Bildungsprogramme. Boko Haram heißt frei übersetzt so viel wie „westliche Bildung ist Sünde“. Mit seinem Radiosender will Faruk Dalhatu vor allem Mädchen und Frauen eine Stimme geben. Sie hätten das Potenzial, Frieden zu stiften. Boko Haram dagegen wurde 2014 im Westen durch die Entführung der Chibok-Mädchen bekannt. Die mehr als 200 Schülerinnen einer christlichen Schule wurden wie Sklaven gehalten – und befinden sich teilweise immer noch in der Gewalt der Terroristen.
Frage: „Wie reagiert Boko Haram auf Radio Dandal Kura?“
Dalhatu: „Oh, da gibt es dieses Video, in dem uns Abubaker Shekau bedroht. Das hat uns einen gehörigen Schrecken eingejagt – aber war zugleich eine Auszeichnung für unsere Arbeit. Denn es gibt über 150 elektronische Medien in Nigeria. Und wenn er nur unsere Station nennt, dann habe wir wohl was richtig gemacht.“
Das Video, das Dalhatu sogleich per Whatsapp weiterleitet, stammt vom vergangenen März. Es zeigt einen finster dreinblickenden Shekau vor der Flagge des „Islamischen Staates“, flankiert von zwei vermummten Kämpfern mit Maschinengewehren. An das Team von Radio Dandal Kura gerichtet sagt er: „Möge Allah Euch verfluchen!“
Frage: „Haben Sie persönlich keine Angst?“
Dalhatu: „Wenn Du in Maiduguri lebst, wo der Ausnahmezustand immer noch gilt, dann ist alles irgendwie beängstigend, weil alles Mögliche zu jeder Zeit passieren kann, da gibt es kein Muster. Du kannst ins Geschäft gehen, zum Markt oder zur Moschee, ganz normale Dingen eben, und sie können Dich dabei in die Luft jagen. Das wird und darf uns aber nicht von unserer Arbeit abhalten.“
Das Interview führte Joachim Heinz (KNA)
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