Denn derzeit steuert Brasilien auf eine Rezession zu, Zuschüsse der Bundesregierung sind fraglich. Dabei hatte sich die Regierung alleine für das Jahr 2014 ein zusätzliches, WM-bedingtes Wachstum von 1 Prozent versprochen, langfristig weitere 0,5 Prozent jährlich. Doch die ersten WM-Bilanzen fallen ernüchternd aus. Ausgerechnet während der WM sei der Dienstleistungssektor um rund 7 Prozent eingebrochen, dank der insgesamt 64 WM-Feiertage in den zwölf WM-Städten.
Kein Raum für eine Kosten-Nutzen-Analyse
Auch auf dem Arbeitsmarkt blieb der erwartete Aufschwung aus, so das staatliche Statistikamt IBGE. Der Stillstand während der WM habe die Wirtschaft gebremst, so Wirtschaftsminister Guido Mantega, der zuvor die Austragung der WM stets als wirtschaftsfördernd angepriesen hatte.
Viel Raum für eine kritische Kosten-Nutzen-Analyse gibt es jedoch nicht. Mit dem Ende der WM begann die heiße Wahlkampfphase. Am 5. Oktober wählt Brasilien einen neuen Präsidenten und die Gouverneure. „Ich habe keine Hoffnung, dass im Wahlkampf diese sozialen Probleme thematisiert werden“, sagt Cosentino. „Wahlkämpfe leben von Spenden durch Großunternehmen, und wer eine gegen die Interessen der Privatwirtschaft gerichtete Politik vertritt, ist im Wahlkampf nicht konkurrenzfähig. Keiner der Kandidaten wird sich dafür einsetzen, tatsächlich etwas zu verändern.“
Für Cosentino stehen die Gewinner der WM fest: die Baufirmen, die über Jahre staatliche Milliardenaufträge einfuhren. Und die FIFA, die dank einer Steuerbefreiung einen Rekordgewinn aus Brasilien mitnahm. Verloren hätten die Bürger, deren Wohnraum und Mitspracherecht den Megaprojekten zum Opfer fielen.
Von Thomas Milz