Datong hat in den vergangenen Jahrzehnten einen rasanten Aufstieg erlebt. Dank der Kohle, die hier im Boden liegt, ist der Wohlstand vieler Menschen in der Region gestiegen. Es entstanden neue Wohnkomplexe, Kaufhäuser, breite Alleen, ein moderner Flughafen. Ein Viertel der Kohle Chinas wird in der 1,5-Millionen-Einwohner-Metropole, eine Flugstunde westlich von Peking, und anderen Minen der Provinz Shanxi gefördert. Doch wer Datong in welche Himmelsrichtung auch immer verlässt, findet sich schnell auf dem Land wieder. Hier glänzt nichts mehr, sondern scheint sich ein gelber Staub auf alles gelegt zu haben. Auf die Straßen, die Häuser, die zerfallenen Mauern und Schlaglöcher, die noch nie geflickt wurden.
Das Bild von Datong ist beispielhaft für das ganze Land: China hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten rasant entwickelt. Die Städte vor allem an der Ostküste sind zu Millionenmetropolen angewachsen. Es ist eine Mittelschicht entstanden, die sich Wohnungen, Autos und Urlaube leisten kann, und eine Oberschicht, die für Luxusmarken wie Gucci und Prada der wichtigste Kunde geworden ist. In einem Weißpapier, das die kommunistische Regierung unter Xi Jinping kürzlich vorgelegt hat, rühmt sich Peking, Millionen Menschen aus der Armut geführt zu haben. Auch die Vereinten Nationen loben die „großen Fortschritte“.
Laut Weltbank-Statistik ist die Zahl der Armen in China von 878 Millionen im Jahr 1981 auf 82 Millionen gefallen. Die Teilhabe an dieser Entwicklung ist allerdings extrem ungleich unter den mehr als 1,3 Milliarden Chinesen verteilt: Ein Prozent der Bevölkerung verfügt über ein Drittel des Reichtums. Damit ist ausgerechnet im kommunistischen China die Ungleichheit so groß wie in kaum einem anderen Land der Welt. Vor allem in den ländlichen Bezirken und vor den Toren der Städte wie Datong hat sich in all den Jahren wenig verändert. Hier leben viele Menschen mit 1,90 US-Dollar am Tag, das ist die internationale Armutsgrenze.