Alltägliche Vorgänge, für viele von uns Routine. Nicht aber für Menschen aus anderen Ländern, die irregulär in Deutschland leben. Irregulär, das heißt: ohne die erforderliche Aufenthaltserlaubnis, ohne Kontakt zur Ausländerbehörde, die ansonsten versuchen würde, sie abzuschieben. Irregulär sein heißt, nicht einmal eine Duldung zu haben, jenen schwächsten Status des deutschen Aufenthaltsrechts, der zwar nur bedeutet, dass die Abschiebung vorläufig aufgeschoben ist, immerhin aber Zugang zu Existenzsichernden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eröffnet, unterhalb des Niveaus von „Hartz IV“, und zu einer – wenn auch deutlich eingeschränkten – Gesundheitsversorgung. Menschen im irregulären Aufenthalt meiden staatliche Institutionen, begegnen auch anderen Menschen mit Vorsicht, versuchen, nicht aufzufallen, weil sie sonst befürchten müssten, aufgedeckt und abgeschoben zu werden und so ihre Existenz zu verlieren. Wie viele von ihnen unter uns leben, weiß niemand – fundierte Schätzungen gehen aber von 100.000 bis 400.000 Menschen ohne Papiere, sogenannten „Sans-Papiers“, allein in der Bundesrepublik aus.
Sie leben in einer Schattenwelt, sichern ihr Überleben in Netzwerken von Menschen, denen sie vertrauen, von Landsleuten, auch von Deutschen, oft ohne dass ihr Gegenüber von der aufenthaltsrechtlich prekären Situation etwas ahnt. Die freundliche und effiziente Putzfrau aus einem lateinamerikanischen Land etwa, nennen wir sie Ana, die bar und ohne Rechnung bezahlt wird. Oder Oxana aus der Ukraine, die als Pflegekraft praktischerweise gleich im Haushalt der alten Dame lebt, für die sie sorgt, und wenn es sein muss, auch mal morgens um halb drei anpackt. Oder Alison, gelernte Schneiderin aus den USA, die für eine Designerin Einzelstücke in Heimarbeit näht. Irregularität hat viele Gesichter, häufig sind sie weiblich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie keinen oder nur begrenzten Zugang zu staatlichen Institutionen wie den Gerichten, der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Schulwesen haben.
Für Ana, Alison und Oxana ist alles andere als selbstverständlich, wie im eingangs geschilderten Beispiel, eine geregelte Arbeit mit Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu haben. Eine Krankenversicherungskarte zu besitzen und damit ins Krankenhaus gehen zu können. Kinder bei sich zu haben und sie in die Schule schicken zu können. Bestimmte fundamentale Rechte können sie nicht oder nur schwer wahrnehmen: das Recht auf Gesundheit, auf Bildung, auf angemessene Arbeitsbedingungen. Rechte, die immerhin in völkerrechtlichen Abkommen wie dem Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der UN-Kinderrechtskonvention, in der europäischen Grundrechtscharta und im deutschen Grundgesetz verbürgt und für die Bundesrepublik verpflichtend sind.